20100222

Ute Lehnes-de Fallois: Christus der Hohepriester

21.2.2010 - Sonntag Invokavit

Hebräer 4, 4-16
4 Weil wir denn einen großen Hohenpriester haben, Jesus, den Sohn Gottes, der die Himmel durchschritten hat, so laßt uns festhalten an dem Bekenntnis.
15 Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde.
16 Darum laßt uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.


Liebe Gemeinde !

1. Wir als Sünder

In einem alten Faschingsschlager – da heißt es:
„Wir sind alle kleine Sünderlein, s’war immer so, s’war immer so.
Der Herrgott wird es uns bestimmt verzeih’n, s’war immer, immer so.
Denn warum sollten wir auf Erden schon lauter kleine Englein werden?
Wir sind alle kleine Sünderlein, s’war immer so, s’war immer so:“

Was in diesem Faschingslied so heiter und so harmlos daher kommt,
ist eine traurige Wahrheit unseres Lebens.
Und so möchte ich am Beginn der Passionszeit fragen:
Warum sind wir denn kleine, und manchmal auch große
„Sünderlein“?
Und was ist das eigentlich: Sünde?

Sünde, so werden die theologisch Geschulten antworten, ist alles,
was uns von Gott, unserem Nächsten und uns selbst trennt.
Sünde geschieht dort, wo wir Gottes Gebote brechen: dort, wo wir
lügen, stehlen, ehebrechen, nicht die Wahrheit sagen und eines
anderen Besitz begehren.
Sünde geschieht, wenn wir uns eine Macht anmaßen,
die uns gar nicht zusteht.
Wenn wir überheblich und arrogant werden,
nur an unseren eigenen Vorteil denken
und dabei anderen in den Rücken fallen.
Sünde geschieht dort, wo die Liebe zu Gott und den Menschen fehlt.

Und ich gehe noch einen Schritt weiter:

Was ist, wenn ich vor lauter Ärger, Enttäuschung und Wut über
die eigene Familie, Verwandte, Freunde, Kollegen oder Schüler,
aber keine „Liebe“ mehr empfinden kann...?
Ist das dann auch „Sünde“?
Trennt es mich in der Situation von Gott?
Ich meine JA und möchte Ihnen dafür zwei Beispiele geben.

Ich ärger mich regelmäßig über die Schüler in der 8.Klasse und deren
Verhalten:
zu spät kommen, Buch vergessen, schwätzen, blöde Kommentare
ablassen, Hausaufgabe nicht gemacht. Jeden Montag das Gleiche.
Das macht mich regelmäßig richtig sauer.
Und dann kann es leicht passieren, dass der oder die Falsche die
Strafarbeit kassiert.
Jemand, der in diesem Moment vielleicht gar nichts gemacht hat.
Aber so ist der Schulalltag nun mal.


Oder jemand kommt nach einem stressigen Arbeitstag abends nach
Hause und will eigentlich nur noch seine Ruhe und dann nervt der
Sprössling der Familie, weil er dieses oder jenes zum Abendbrot mal
wieder nicht essen mag.
Und dann wird aus einer Kleinigkeit schnell ein Streit!
Auch das gehört zum Familienalltag und ist nichts besonderes.
Unsere Geduld hat eben ihre Grenzen.

Wie leicht und schnell wir andere damit verletzen,
das machen wir uns dabei meistens nicht klar.

Wir sind eben kleine und große„Sünderlein“.
Und wir können auch gar nicht anders.
Denn unsere Liebe ist eben kein unendlich weites Meer,
aus dem wir beliebig und immer weiter schöpfen könnten.
Manchmal sind die Reserven einfach aufgebraucht.

Dann sind wir uns selbst der Nächste,
ohne Rücksicht auf Verluste.
Auch das ist Sünde.
S’war immer so, s’war immer so ....

Oder wie Luther sagt:
Wir sind Sünder,
wir können der Sünde nicht entfliehen ---

und gleichzeitig, und das ist das Paradoxe,
und das kaum zu Erklärende,
sind wir mit all unserer Sünde auch geliebt von Gott.
Denn Gottes Liebe ist unerschöpflich,
ganz anders als unsere.
Und so sind wir beides:
Sündige Menschen und gleichzeitig auch geliebte Kinder unseres Gottes!
Geliebte Sünderlein!

2. Christus, unser Bruder und der Hohepriester

Und wo finden wir diese Liebe ?
Wir finden sie in den Menschen, die uns trotz und mit all unseren
Schwächen lieben und uns verzeihen
und wir sehen diese Liebe in Jesus Christus.

Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht könnte mit
leiden mit unserer Schwachheit, sondern der versucht worden ist in allem wie wir, doch ohne Sünde!

Jesus, unser Bruder.
ER kennt unsere Gefühle, unsere Ängste, unsere Grenzen,
weil auch ER ihnen ausgesetzt war.
ER leidet mit unserer Schwachheit.
ER weiß um die Versuchungen dieses Lebens.
Und ER hat ihnen widerstanden.
Das unterscheidet IHN von uns.
ER ist versucht worden in allem wie wir,
doch ohne Sünde.

Und darum ist Er unser Hoherpriester.
Dieser Name, diese Bezeichnung lässt aufhorchen.
Als Christus, als Messias, als König ist uns Jesus geläufig,
aber als Hoherpriester?
Waren es doch gerade die Hohenpriester und Schriftgelehrten,
die Jesus nach dem Leben trachteten. Gnadenlos und unbarmherzig.

Warum also verwendet der Hebräerbrief ausgerechnet diesen Titel für
Jesus?

Der Hohepriester war für die Judenchristen ---
und an sie richtete sich dieser Brief als erste ---
die Instanz, die zwischen ihnen und Gott vermittelte.
Der Hohepriester war das Medium, der Mittler,
der Stellvertreter des Volkes,
durch den der Kontakt zum Allerheiligsten hergestellt wurde.

Es war allein dem Hohenpriester vorbehalten,
den Vorhang des Tempels zu öffnen und das Allerheiligste,
das sich dahinter verbarg, mit eigenen Augen zu schauen.

Die Hohenpriester in Israel waren Angehörige besonderer
Familien. Hoherpriester konnte man nicht so einfach werden.
Der Stammbaum musste für dieses Amt passen.

Der Hebräerbrief sieht Jesus als neuen Hohenpriester
und verleiht diesem Amt damit eine neue Qualität.
Denn anders als alle Hohenpriester bisher,
und mochten sie aus noch so angesehenen Familien stammen,
ist Jesus der Einzige,
der ohne Sünde ist.
Wenn der Hebräerbrief Jesus als den Hohenpriester darstellt,
so will er uns damit sagen, dass die Heiligkeit Gottes, nicht mehr
hinter einem Vorhang verborgen liegt, sondern dass wir in Jesus das
Heilige selbst erkennen:
Das wahre Menschsein,
getragen von der Liebe Gottes,
leidend in den Versuchungen,
doch ihnen widerstehend.
Das wahre, ursprüngliche Menschsein ohne Sünde.
Jesus, der neue Hohepriester, der Sohn Gottes, hat die Himmel durchschritten.

Und wer die Himmel durchschritten hat, der hat den Tod überwunden.
Der Vorhang im Tempel zerriss nicht von ungefähr zu der Stunde, als Jesus auf Golgatha starb.
Er zerreißt, weil es nichts mehr zu verhüllen und zu verbergen gibt.
Im Kreuz steht die Heiligkeit unseres Gottes aller Welt vor Augen.

Der, der ohne Sünde ist, stirbt für unsere großen und kleinen Sünden.
Stellvertretend für das Volk – für uns alle.
Das ist das Amt des neuen Hohenpriester.
Und ER durchschreitet die Himmel und kehrt nach drei Tagen wieder,
damit das Leben weiter geht.
Mit einer neuen Qualität.

Mit der Gewissheit des Glaubens.
So gewiss wir Sünder sind und bleiben werden,
so gewiss ist auch die Unerschöpflichkeit der Liebe Gottes zu uns.

Das, liebe Gemeinde, ist kein Freifahrtschein,
dass wir tun und lassen können, was wir wollen.

Nein, im Kreuz erkennen wir ja unser wahres Menschsein, unsere Bestimmung und sehen darin auch unser Scheitern, unsere Sünde und wie weit wir immer wieder und immer noch von unserem wahren Menschsein entfernt sind.

4. Wir haben eine Orientierung

Und gleichzeitig erkennen wir im Kreuz und spüren wir in der Auferstehung Jesu Christi die unendliche Liebe Gottes zu uns,
seine Geduld und seine Treue.

Uns trennt nach wie vor die Sünde von unserer eigenen Bestimmung,
von unserem wahren Menschsein,
und gleichzeitig hat uns Gott einen neuen Raum eröffnet.
Einen Raum, der nicht mehr durch einen Vorhang von uns getrennt ist.
Einen Raum, in dem wir das Heilige sehen und in dem wir Barmherzigkeit empfangen werden.-
Es ist der Raum unserer Kirche,
unserer Kirchen, in dem wir den Gekreuzigten vor Augen haben.

Im Gegenüber zu IHM erkenne ich,
was ich getan und was ich auch nicht getan habe.
Und ich fange an, mich zu schämen -
Vielleicht geht es ihnen da ähnlich.

Darum lasst uns hinzutreten mit Zuversicht zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu der Zeit, wenn wir Hilfe nötig haben.

Also nicht erst am Ende aller Zeiten, sondern jetzt, heute und hier:
im Bekenntnis unserer Schuld, in der Vergebung und im Abendmahl.
Immer dann, wenn wir es besonders nötig haben.
Und wann hätten wir das nicht?

Gnade vor Gott zu finden, ist ein großartiges Gefühl, das trägt.
Ein unverdientes Geschenk.

Und dieses Geschenk würdigen wir wohl am besten, indem wir auch gnädig mit denen umgehen, die mit uns leben.
Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in Christus Jesus. Amen.

Martin Adel: Ehe

14.2.2010 - Valentinstag

Lukas 15,11-32
11 Und Jesus sprach: Ein Mensch hatte zwei Söhne.
12 Und der jüngere von ihnen sprach zu dem Vater: Gib mir, Vater, das Erbteil, das mir zusteht. Und er teilte Hab und Gut unter sie.
13 Und nicht lange danach sammelte der jüngere Sohn alles zusammen und zog in ein fernes Land; und dort brachte er sein Erbteil durch mit Prassen.
14 Als er nun all das Seine verbraucht hatte, kam eine große Hungersnot über jenes Land, und er fing an zu darben
15 und ging hin und hängte sich an einen Bürger jenes Landes; der schickte ihn auf seinen Acker, die Säue zu hüten.
16 Und er begehrte, seinen Bauch zu füllen mit den Schoten, die die Säue fraßen; und niemand gab sie ihm.
17 Da ging er in sich und sprach: Wie viele Tagelöhner hat mein Vater, die Brot in Fülle haben, und ich verderbe hier im Hunger!
18 Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir.
19 Ich bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße; mache mich zu einem deiner Tagelöhner!
20 Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater. Als er aber noch weit entfernt war, sah ihn sein Vater, und es jammerte ihn; er lief und fiel ihm um den Hals und küßte ihn.
21 Der Sohn aber sprach zu ihm: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir; ich bin hinfort nicht mehr wert, daß ich dein Sohn heiße.
22 Aber der Vater sprach zu seinen Knechten: Bringt schnell das beste Gewand her und zieht es ihm an und gebt ihm einen Ring an seine Hand und Schuhe an seine Füße
23 und bringt das gemästete Kalb und schlachtet's; laßt uns essen und fröhlich sein!
24 Denn dieser mein Sohn war tot und ist wieder lebendig geworden; er war verloren und ist gefunden worden. Und sie fingen an, fröhlich zu sein.
25 Aber der ältere Sohn war auf dem Feld. Und als er nahe zum Hause kam, hörte er Singen und Tanzen
26 und rief zu sich einen der Knechte und fragte, was das wäre.
27 Der aber sagte ihm: Dein Bruder ist gekommen, und dein Vater hat das gemästete Kalb geschlachtet, weil er ihn gesund wiederhat.
28 Da wurde er zornig und wollte nicht hineingehen. Da ging sein Vater heraus und bat ihn.
29 Er antwortete aber und sprach zu seinem Vater: Siehe, so viele Jahre diene ich dir und habe dein Gebot noch nie übertreten, und du hast mir nie einen Bock gegeben, daß ich mit meinen Freunden fröhlich gewesen wäre.
30 Nun aber, da dieser dein Sohn gekommen ist, der dein Hab und Gut mit Huren verpraßt hat, hast du ihm das gemästete Kalb geschlachtet.
31 Er aber sprach zu ihm: Mein Sohn, du bist allezeit bei mir, und alles, was mein ist, das ist dein.
32 Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.



Liebe Gemeinde,
stellen Sie es sich doch vor ihrem inneren Auge vor. Ein tanzendes Paar. Erinnern wir uns noch, wie es war? Das Gefühl, die Hand es anderen in der meinen zu spüren? Die Berührung von Wange und Wange. Der verstohlene Blick: Ich schau sie an. Sie schaut mich an. In der Menge von tausenden von Menschen entdeckt er mich und ich entdecke ihn. Du und Ich. Ich und Du.
Erinnern wir uns noch – auch wenn wir es vielleicht schon lange nicht mehr gespürt haben. Die Bewegungen, die Entscheidungen – gemeinsam, wie aus einem Guss. Leichtfüßig im Wind sich wiegend. Zwei, die eins sind. Und obwohl der Mond nur fahl im Licht steht pulsiert das Herz – ein Herz und eine Seele.

Erinnern wir uns noch? Wie es war? Wie es am Anfang war? Wie es noch ist? Oder wieder ist?
- Hör ich da ein kleines Seufzen, ein Schwelgen? Seh ich da ein wehmütiges Sehnen in manchen Augen?
Oder war es nie so? Haben wir es uns verboten oder ist es uns ausgetrieben worden?
Oder haben wir es einfach vergessen? Ist es uns verloren gegangen, über den Jahren, hinter den Jahren, neben den Kindern, dem Beruf, dem Alltag? Dieses Gefühl des tanzenden Paares

Verlorene Liebe
Schön, dass sie gekommen sind. Mutig hier her. Bestärkend: Ja, die Ehe ist eine gute Gabe Gottes. Fragend: War es die richtige Entscheidung? Zweifelnd: Kann die Ehe eine gute Gabe Gottes sein, wo wir doch so schwer daran tragen. Jung und dumm gewesen und nur zu sehr ernüchtert in all den Jahren?
Einigen unter uns ist das Ja schon einmal zerbrochen. Sie sind daran gescheitert. Unschuldig – schuldig, Täter und Opfer und ich habe noch keinen getroffen, der darauf stolz war, wenn die Liebe zerbrach. Im Gegenteil. Beim Erzählen wird sie wieder wach, die Wut, der Schmerz, das Leiden, der zweite, der dritte Versuch zum Neuanfang und zum Schluss bleiben doch nur Scherben und unsere Kinder mit tiefen Verletzungen und Großeltern mit großen Verunsicherungen.

Verlorene Liebe. Verlorene Jahre?
In der Ehe? Nach der Ehe?

Nein!

Lassen wir uns nicht durcheinander bringen.
„ … aber die Liebe ist die größte unter ihnen“ – dieses Wort gilt: auch für uns und über uns.
Es ist nämlich zunächst und zuerst die Liebe Gottes über uns und für uns und er steht bereit und hält seine angenagelten Hände für uns weit ausgebreitet, dass wir kommen und ihm in die Arme werfen – egal, ob wir als Verlorene kommen, so wie der verlorene Sohn, umgekehrt, weil wir alles aufs Spiel gesetzt haben und neu beginnen wollen. Oder ob wir geblieben sind und über dem Bleiben alles Gefühl verloren haben, hartherzig verhärtet, wie der Ältere, eifersüchtig. Im Gesetz der eigenen Rechtschaffenheit gefangen.

Liebe Gemeinde,
ich weiß nicht, warum sie hier sind. Aber wir, meine Frau und ich sind hier, weil wir nur allzu sehr wissen, wie zerbrechlich und störanfällig das Zusammensein immer wieder auch ist. Je näher man sich ist, desto schmerzhafter kann der Streit, wenn die Wut in einem hoch kocht. Und deshalb brauchen wir neben und hinter und über unserem Ja und der Treue zu einander immer wieder das JA Gottes und seinen Segen.
Denn die Liebe kann man nicht wieder hineinreden, wenn sie einem abhanden gekommen ist. Aber man kann sie sich neu schenken lassen. So unvermittelt, wie sie am Anfang da war, ohne dass man gefragt hat: Du – Ich / Ich – Du. So kann sie zurück kommen, wenn wir uns aufschließen lassen, wenn wir uns öffnen lassen und sich dabei unser Blick wieder weitet und wir dabei versöhnlicher werden. Denn unser Blick verändert sich. Wie sagte es letzthin eine Frau zu mir:
Damals war ich so überglücklich, dass der mich angesehen hat. Und ich war so froh, dass ich ihn hatte.
Und dann verändert sich etwas und heute denke ich manchmal: Der kann froh sein, dass er mich hat.

Das zeugt von einem neuen Selbstbewusstsein, das da gewachsen ist. Ist das nicht toll. Aber man hat es auch gewonnen durch den anderen und an ihm und mit ihm. Manchmal in der Unterstützung und manchmal im Widerstand. Und ich sehe mich in einem neuen Licht.

Keiner von uns will nur durchhalten. 20 / 25 / 30 Jahre. Das wäre auch verfehlt. Ohne dich bin ich weniger. Mit dir bin ich mehr. Das ist der Anfang und das ist auch das Geschenk, das uns Gott in der Partnerschaft bereit hält.
Lassen wir es uns neu schenken.
Sucht, fragt, überlegt, probiert aus – eine neue Sichtweise. Langsam geht es, aber versuchen kann man es trotzdem: Den Blick mal von links, anstatt von rechts. Nicht mit der lauernden Haltung, wann er nur wieder den nächsten Fehler macht. Welch furchtbares Gesetz. Die Ehe als täglicher Kriegsschauplatz?
Barmherzigkeit und Vergebung sind zwei festen Säulen, um miteinander alt zu werden, und wenn ihr keines von beiden mehr könnt, dann kommt zu mir in die Seelsorge oder nehmt den Freund, die Freundin mit ins Boot. Den Bruder, die Schwester.
Und dann überspringt euren eigenen Schatten – im Gebet vor Gott liegend. Was kann ich? Was schaff ich? Ohne Mut und Vertrauen geht es eh nicht. Weder im Glauben noch im Leben.
Und plötzlich kommt es mir über die Lippen: „Das hast du so schön gemacht!“ und der andere hört es und denkt nicht gleich argwöhnisch: „Was will er denn jetzt?“
Ihr Männer: Wann habt ihr das letzte Mal eure Frauen beachtet und wertgeschätzt?
Ihr Frauen: Wann habt ihr das letzte Mal eure Männer bewundert und gelobt?
Fremde Worte? Fremdgewordene Worte?
Dann wird es wieder einmal Zeit, sich zu verändern. Denn unser Denken und Verstehen und unser Herz ist völlig blockiert.
Eine Kollegin sagte letzthin im Gespräch: Das wichtigste ist für mich die Zusage, „dass mich Gott liebt, obwohl er mich kennt“
Und das sollte uns anspornen. Auch in unseren Ehen.
Dass wir zurück finden zu einer zweiten Naivität und einer neuen Liebe. „Obwohl sie diese Eigenheiten hat, liebe ich sie!“
Und der eine muss dazu umkehren, so wie es im Evangelium, der jüngere Sohn getan hat. Und keiner hat es ihm vorgeschrieben, sondern er selbst ist zu der Einsicht gekommen: 18 Ich will mich aufmachen und zu meinem Vater gehen und zu ihm sagen: Vater, ich habe gesündigt gegen den Himmel und vor dir. 19 Ich bin hinfort nicht mehr wert, dass ich dein Sohn heiße …. 20 Und er machte sich auf und kam zu seinem Vater.
Und der andere muss sich wie der ältere Sohn aus seiner Ecke, in die er sich beleidigt und gekränkt verkrochen hat, ins Haus zurück rufen lassen, so wie es hier heißt:
Mein braver Sohn. Du hast alles richtig gemacht. Du bist allezeit bei mir und alles, was mein ist, das ist dein. 32 Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Bruder war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.

Ich weiß ja nicht, wie die Rollen in ihren Partnerschaften verteilt sind. Eines ist jedenfalls klar:
Gott kommt zu uns beiden – mit ausgebreiteten Armen. Und ER will uns den Weg ebnen zu einem neuen Anfang, weil es um nichts weniger als das Leben geht, so wie es hier heißt:
32 Du solltest aber fröhlich und guten Mutes sein; denn dieser dein Partner war tot und ist wieder lebendig geworden, er war verloren und ist wiedergefunden.
Lassen wir uns davon anstecken – wenn es nicht schon längst geschehen ist.

Amen

20100208

Werner Otto Sirch: Heilendes Wort

7.2.2010 Sonntag Sexagesimae

Hebräer 4, 12-13
Das Wort Gottes ist lebendig und kräftig und schärfer als jedes zweischneidige Schwert, und dringt durch, bis es scheidet Seele und Geist, auch Mark und Bein, und ist ein Richter der Gedanken und Sinne des Herzens. Und kein Geschöpf ist vor ihm verborgen, sondern es ist alles bloß und aufgedeckt vor den Augen Gottes, dem wir Rechenschaft geben müssen.


Liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder in Christus,

bedrohlich wirkt unser heutiger Predigttext in seiner Schärfe. Schärfer als jedes zweischneidige Schwert. Fast möchte man zur Vorsicht rufen: Verletz dich nicht! „Messer, Gabel, Scher und Licht, sind für kleine Kinder nicht!“ Am liebsten möchte man das zweischneidige Schwert auf jeder Seite ein bisschen abschleifen und stumpfer machen, damit es gefälliger wird und nicht gar so gefährlich ist. Sollten wir um der Liebe willen Gottes Wort seine Schärfe nehmen, damit sich niemand daran verletzt?

Ein französischer Pfarrer hat in einem Gebet um wahrhaftige Liebe folgendes formuliert: „Herr, behüte mich davor an die Stelle deines Erbarmens meine Gutmütigkeit, an die Stelle deiner Versöhnung meinen Hang zur Nachgiebigkeit zu setzen. Erhalte dem Salz der Erde seine Schärfe! Dulde nicht diese fade Freundlichkeit, die nur nach dem Mund redet, doch auf keinem Fall befreit. Die wahrhafte Liebe, die deine, ist nicht Salbe, sondern Operation, kein warmer Umschlag, sondern Eingriff, nicht Notlösung, sondern Erlösung!“

Liebe Gemeinde, ich entdecke an mir, dass ich auch lieber Worte der Verheißung predige, als Worte der Ermahnung und des Gerichts. Es fällt mir schwer mit solchen Ermahnungen richtig umzugehen. Wie soll ich es sagen, damit es angenommen werden kann, nicht verletzt und verunsichert, nicht Abwehr auslöst? Bei der Vorbereitung auf diese Predigt habe ich eine Geschichte gefunden, in der nicht der Prediger mit seinen scharfen Worten etwas machen muss – er darf es dem Wort Gottes überlassen. Aber hören Sie, liebe Gemeinde, selber ...

Die Geschichte handelt von einem Gastwirt in England. Ludwig Harms hat sie erzählt. Dieser Gastwirt ging keinen guten Weg und zog seine Gäste mit in seine schlechten Machenschaften hinein. (Sein Lokal hatte einen schlechten Ruf.) Reichlich Alkohol und zweifelhafte Vergnügungen waren der Lebensinhalt des Wirts und seiner Gäste.

Eines Tages stirbt in seiner Verwandtschaft ein naher Angehöriger. Ob er will oder nicht, er muss zur Trauerfeier in die Kirche und die Predigt anhören. Aber in seiner Abneigung gegen Gottes Wort beschließt er, sich während der Predigt beide Ohren zuzuhalten. So sitzt der Gastwirt taub unter den Zuhörern und verschließt sich dem Wort Gottes buchstäblich. Da sticht ihn eine Mücke in die Nase. Gedankenlos nimmt er die Hand vom Ohr und verscheucht die lästige Mücke. In dem kurzen Augenblick hört er den Satz des Predigers: „Bestelle dein Haus, denn du musst sterben.” Schnell hält er sich wieder die Ohren zu und wartet auf das Ende der Feier. Aber das eine Wort geht nun mit ihm nach Hause, und er kann es nicht wieder loswerden. Das Wort steht morgens mit ihm auf, geht abends mit ihm zu Bett, kehrt in seinen Träumen wieder. Der Mann kann es nicht loswerden. Am Ende ergibt er sich Gott, kehrt um und beginnt ein neues Leben. Er bestellt sein Haus und lädt Gott in seinen Lebenshaushalt ein. Aus dem Wirtshaus und dem Ort der Sünde wird eine Herberge und ein Ort der christlichen Gastfreundschaft.

Es ist nicht der Prediger, der dem Gastwirt die Leviten liest, sondern es ist das richtige Wort zur richtigen Zeit. Es ist Gottes Wort, das lebendig und kräftig ist und dem Gastwirt ins Gewissen dringt. Gottes Wort soll nicht Waffe in unserer Hand sein, mit der wir gegen andere kämpfen, sondern es ist das Schwert des „Heiligen Geistes“, das das Leben der Gläubigen trifft – zu seiner Zeit und an seinem Ort.

Die Bibel ist nicht dazu da, dass wir sie uns gegenseitig um die Ohren hauen, den anderen mit den Worten unseres Gottes erschlagen. Wenn Gott durch sein Wort zu uns redet, dann redet er so, dass wir von ihm getroffen sind, es als Wahrheit erkennen. Eine Wahrheit, die keine strafende oder gar tötende Wirkung hat. Sondern dieses lebendige und scharfe Wort dringt in unser Innerstes ein und schneidet das heraus was krank ist. So wie der Arzt mit seinem Skalpell einen bösen Tumor aus uns herausschneidet, so dringt Gottes Wort in Seele und Geist ein und trennt, was sich scheinbar nicht mehr von uns trennen lässt. Und kaum Hoffnung besteht, dass sich bestimmte Dinge in unserem Leben ändern werden.

Gottes Wort kann uns aber verändern. Es kann uns gesunden lassen. Durch seine Kraft können wir uns von falschen Haltungen trennen, und die Erfahrung machen, dass wir nicht so bleiben müssen wie wir sind. Gottes Wort hat Kraft weil es lebendig ist, weil es vom lebendigen Gott in eine bestimmte Situation hineingesprochen wird und in Ewigkeit bleibt. Es ist durchdringender als alle Röntgenstrahlen. Vor ihm liegt alles offen, wie die Organe des Körpers vor dem Messer des Operateurs.

Vor Gottes Augen ist alles aufgedeckt. Das mag uns erschrecken, denn wir wollen nicht bloßgestellt und schutzlos sein. Und doch ist es so, dass es vor Gott kein Heil gibt, wenn ich nicht breit bin, mich vor Gott ohne jegliche Beschönigung zu zeigen, so wie ich wirklich bin, ohne die vielen Selbstrechtfertigungen, die ich im Laufe meines Lebens gelernt habe. Wie soll ich Heil werden, wenn ich nicht all die vielen Versteckspielchen aufgebe und vor Gott nackt und bloß, bis zum äußersten entblößt stehe und ihm dabei zutraue, dass er mich kennt. Gott kennt mich bis auf Mark und Seele, meine geheimsten Regungen und Empfindungen. Er kennt die Entscheidungen des Gewissens, vor allem auch meine unreinen, oft schmuddeligen Gedanken, die mich immer wieder in eine verschwommene Grauzone führen.

Es fällt uns schwer uns so offen hinzustellen, schutzlos zu dem stehen was zu unserem Leben gehört. Wir wollen uns verstecken und nicht zeigen wie wir sind. David, der Beter des 139. Psalm hat es erfahren, mit dem allmächtigen Gott zu rechnen und in seiner Nähe zu leben, nichts zu verstecken. Er betet:
Wohin soll ich gehen vor deinem Geist, und wohin soll ich fliehen vor deinem Angesicht? Führe ich gen Himmel, so bist du da; bettete ich mich bei den Toten, siehe, so bist du auch da. Nähme ich Flügel der Morgenröte und bliebe am äußersten Meer, so würde auch dort deine Hand mich führen und deine Rechte mich halten. Spräche ich: Finsternis möge mich decken und Nacht statt Licht um mich sein -, so wäre auch Finsternis nicht finster bei dir, und die Nacht leuchtete wie der Tag. Finsternis ist wie das Licht.

Vor Gott ist alles aufgedeckt. Sein Wort ist der Richter unserer Gedanken und der Sinne unseres Herzens. An ihm werden wir gemessen, an ihm kommen wir nicht vorüber. Dieses Wort erfordert von uns Antwort.

Wir können uns hinsetzen und so tun als gäbe es Gott nicht. Die Ohren zuhalten, auch das können wir, damit wir ja nicht mit Gott Wort konfrontiert werden. Wir können unsere Bibel weiter im Bücherregal verstauben lassen und uns einreden, dass es ein langweiliges, kraftloses und totes Buch ist. Trotzdem trifft uns Gottes Wort und fordert unsere Antwort – auch wenn wir uns verschließen und seine heilende Kraft für uns ablehnen.

Gottes Wort will uns verändern. Es will uns Heilung schenken. Das geht manchmal nur unter Schmerzen, wenn wir uns auf Gottes Wort einlassen, wenn es uns richtet. Aber Gottes Wort ist ein Wort der Gnade, das uns retten will, auch wenn es uns richtet und Schmerzen bereitet. Es begleitet uns kritisch, korrigierend und ermahnend und will uns zur Ruhe bei Gott führen. Keiner soll zurückbleiben. Wir alle sollen Gottes Ruhe finden. Gottes Wort ist ein Angebot an uns alle. Darum sollten wir die Mahnung ernst nehmen, Gottes Wort reichlich unter uns wohnen zu lassen. Denn im Wort Gottes liegt eine unwiederbringliche Gelegenheit für uns. Martin Luther bringt sie im „Wort an die Ratsherren“ zum Ausdruck, das bis heute nichts an Aktualität eingebüßt hat.:
„Liebe Deutsche, kauft, solange der Markt vor der Tür ist, sammelt ein, solange die Sonne scheint und gutes Wetter ist, macht Gebrauch von Gottes Gnade und Wort, solange es da ist. Denn das sollt ihr wissen: Gottes Wort und Gnade ist ein fahrender Platzregen, der nicht wiederkommt, wo er einmal gewesen ist. Und ihr Deutschen braucht nicht zu denken, dass ihr ihn ewig haben werdet , denn der Undank und die Verachtung wird ihn nicht bleiben lassen. Darum greife zu und halte fest, wer greifen und halten kann!“ Amen

20100204

Martin Adel: Laufen, weil man hat

31.1.2010 Sonntag Septuagesimae

Liebe Gemeinde,

1. Hinführung
Wer mich ansieht, merkt sofort, dass ich kein allzu sportlicher Mensch bin. Der Weg ins Fitness-Studio oder raus zum Laufen braucht doch auch immer wieder Überwindung – wenn er nicht anderen Dingen zum Opfer fällt. Doch letzten Sonntag, da hat es mich gepackt. Ich lag erkältet zu Hause. Meine Stimme war weg und ich zappe mich durch das Fernsehprogramm und blieb beim Wintersport hängen.
Weltcupslalom in Kitzbühel. Der Sprecher zieht mich mit seinen Kommentaren in den Bann. Die letzten 8 stehen noch oben. Der erste kommt durch, fällt aber in der Zeit zurück. Ein anderer fädelt ein. Ein Dritter scheidet aus. Die Spannung wächst und zum Schluss gewinnt ein Deutscher. Und aus den Lautsprechern jubelt es:
Felix Neureuther hat den Slalom in Kitzbühel und damit sein erstes Weltcup-Rennen gewonnen. 31 Jahre nach seinem Vater steht der Sohn von Skilegende Rosi Mittermaier und Christian Neureuther auf dem gleichen Treppchen. Auf Platz zwei und drei landen Julien Lizeroux - FRA/ mit 0,39 Sek. und Giuliano Razzoli - ITA/ mit 0,99 Rückstand.
2. Predigttext
So ist das Leben. Alle haben hart trainiert, doch nur einer kann gewinnen. Paulus schreibt in unserem heutigen Predigttext an die Korinther:
Predigttext 1 Kor 9,24-27 (Gute Nachricht, leicht überarbeitet)
24 Ihr wisst doch, dass an einem Wettlauf viele teilnehmen; aber nur einer bekommt den Preis, den Siegeskranz. Darum lauft so, dass ihr den Kranz gewinnt! 25 Alle, die an einem Wettkampf teilnehmen wollen, nehmen harte Einschränkungen auf sich. Sie tun es für einen Siegeskranz, der vergeht. Aber auf uns wartet ein Siegeskranz, der unvergänglich ist. 26 Darum laufe ich wie einer, der nicht ins Ungewisse läuft. Und ich kämpfe wie ein Faustkämpfer, der nicht daneben schlägt. 27 Ich treffe mit meinen Schlägen den eigenen Körper, sodass ich ihn ganz in die Gewalt bekomme. Ich will nicht anderen predigen und selbst versagen.

3. Wie auf Erden so im Himmel?
Wie kommt Paulus dazu, so ein Bild zu verwenden. Ist der Glaube auch ein Kampf? Ein Wettlauf? Viele nehmen teil, doch nur einer gewinnt. Kein Mensch spricht mehr über die Dritten, die Vierten, die 10ten. Meint er das so: Wie auf Erden so im Himmel?
Einer steht auf dem Treppchen und die anderen schauen blöd aus der Wäsche.
Soll das auch so im Himmel sein? Kommen nur die 144.000 Besten zu Gott – so wie es die Zeugen Jehova in ihren apokalyptischen Endzeitszenarien immer wieder betonen.

Nun könnte man ja einwenden und sagen: Zu Paulus Zeiten war das noch überschaubar. Da gab es noch nicht so viele Christen. Vielleicht ein paar Zehntausend und er, der große Paulus hat es ja sogar bis in die Bibel geschafft. Aber wir. Was sollen wir denn machen? Startplatz: 19 Milliarden 283 Millionen 954 Tausend 417. Und dann noch den Siegerkranz gewinnen. Sieht mich da Gott überhaupt noch?

Denn unter uns gesprochen: Natürlich würden wir auch gerne mal oben stehen. Ganz oben auf dem Treppchen. Im Rampenlicht. Und selbst wenn ich im Verborgenen arbeite möchte ich gerne einmal entdeckt werden und meine Arbeit gewürdigt sehen. Das ist ganz normal. Das hat etwas mit Achtsamkeit zu tun.

Doch zurück zum Himmel. Sollte es da auch so sein, wie im Guiness Buch der Rekorde: der Erste zählt und der Zweite ist schon ein Verlierer. Noch mehr gestraft als der, der gar nicht erst angetreten ist?
Und der Widerstand regt sich in uns. Hat Jesus nicht auch gesagt, wie wer es aus der Evangeliumslesung gehört haben (Mt 20,1-16a): Die Ersten werden die Letzten sein – und die Letzten die Ersten. Ein Trost. Doch das zählt wohl für Paulus nicht?

4. Zuschauer bleiben?
Ja, wir spüren es. Solche Bilder vom Wettlauf und vom Wettkampf können auch demotivieren und frustrieren. Nur allzu oft sind wir in unserem Leben nur Zweiter oder Dritter oder bleiben Mittelfeld oder sind gar Schlusslicht. Und die Reaktion ist dann meistens die, die uns auch gut vertraut ist. Da brauch ich mich ja gar nicht erst anzustrengen. Das schaff ich eh nicht. Da bleib ich lieber gleich da, wo ich meinen Platz habe. Da schau ich lieber zu.
Zuschauer - das ist meine Rolle. Da kann ich auch nicht allzu viel falsch machen. Und außerdem: Die Zuschauer braucht es ja auch. Sonst wäre ja keiner da, der applaudiert und anfeuert und zujubelt und bewundert.
Ist das das, was Paulus mit seinen Worten an die Korinther möchte? Dass wir aus lauter Angst vor Überforderung oder vor Versagen Zuschauer bleiben?
Und wir merken schon: Da stimmt etwas nicht. Paulus will uns nicht auf eine falsche Fährte bringen. Denn wenn er etwas erfahren und verinnerlicht hat, dann dieses: Aus Gnade sind wir gerecht geworden. Aus Glauben und nicht aus Werken des Gesetzes oder unserer Leistung.
Und so heißt es ja auch in unserem Wochenspruch aus Daniel 9:
Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.

5. Der Glaubt ruft in die Bewegung
Und weil Paulus das nur allzu klar ist, darum kann er so freimütig das Bild vom Wettlauf gebrauchen. Denn die Motivation ist eine andere. Das Gesetz hat ausgedient. Nicht mehr aus Angst vor Gott zu versagen und auch nicht mehr aus dem Ehrgeiz, vor Gott als Bester dazustehen, laufe ich, sondern aus Dankbarkeit. Aus Dankbarkeit für Gottes große Barmherzigkeit klettert Paulus in die Rennbahn. Denn dieses Evangelium bringt in Bewegung. Es holt uns heraus aus der Zuschauerrolle und dieser Haltung: Da kann ich eh nichts machen. Was bringt es schon, wenn ich …
„Bürger lasst das Glotzen sein, kommt herunter, reiht euch ein“ – haben wir auf den Demo´s der Friedensbewegung in den 80er gerufen und eigentlich meint Paulus nichts anderes.
Der Glaube bringt in Bewegung und ruft uns in die Verantwortung. Das Bild von der Rennbahn soll uns anspornen und motivieren und anfeuern. Auf, zeig, was du drauf hast. So wie unser Konfirmand, der Sebastian – der in Judo auf der Südbayrischen Meisterschaft mitkämpft. Und dieser Glaube kostet Kraft und Energie und auch manchen Verzicht. So wie es Paulus hier ja auch schreibt:
25 Alle, die an einem Wettkampf teilnehmen wollen, nehmen harte Einschränkungen auf sich. Sie tun es für einen Siegeskranz, der vergeht. Aber auf uns wartet ein Siegeskranz, der unvergänglich ist.


6. Laufen, weil wir Christus schon gewonnen haben
Doch er hat keine Angst, dass er verlieren könnte und seine Bemühungen als zu gering geachtet würden vor Gott?
Sondern er kämpft wie einer, der schon gewonnen hat – nämlich Christus. Und das spornt ihn erst recht an.
Denn nun geht es nicht mehr darum, wer besser ist oder schlechter, wer mehr getan hat oder weniger, wer näher bei Gott sein wird oder weiter weg, sondern dass wir uns redlich mühen und einander anspornen und helfen ein gottwohlgefälliges Leben zu führen.
Nicht mehr Zuschauer aus Angst, nicht zu genügen oder ausgelacht zu werden. Sondern frei sich bewegend, entdeckend, welche Gaben und Fähigkeiten ich habe, mich mühende dem anderen ein wahrhafter Nächster zu werden. Das ist der Motor für all unser Tun. Mitfreuend, weil der andere mitläuft und mitleidend, wenn der andere zurück bleibt. Und manchmal gewinnt der eine und manchmal verliert der andere. Doch der Neid hat ein Ende und der Ehrgeiz macht den anderen nicht nieder und die Eifersucht ist besiegt.

Zu gewinnen gibt’s nichts, außer das, was wir bereits haben: Christus. Womöglich vergisst der Pfarrer mir zum Geburtstag zu gratulieren – das ist bedauerlich, aber das ist nicht der Motor meines Laufens. Denn wir sind mehr als ein Verein. Wir sind Christen und jeder von uns ist dabei. Eben kein Zuschauer mehr. Sondern gebraucht. Dort wo mich Gott hingestellt hat. Und ich kann mir sicher sein, Gott ehrt mich auch mit der Startnummer 19 Milliarden 283 Millionen 954 Tausend 417 genauso wie den auf Platz eins – weil das Gesetz ein Ende hat und die Liebe Gottes nicht portioniert werden kann. Denn die gibt es nur ganz oder gar nicht.
Amen.