20100428

Martin Adel: Ich bin der Weinstock, ihr die Reben

25.4.2010 Jubdelkonfirmation - Predigttext Johannes 15, 1-5

15 1 Ich bin der wahre Weinstock und mein Vater der Weingärtner. 2 Eine jede Rebe an mir, die keine Frucht bringt, wird er wegnehmen; und eine jede, die Frucht bringt, wird er reinigen, dass sie mehr Frucht bringe. 3 Ihr seid schon rein um des Wortes willen, das ich zu euch geredet habe. 4 Bleibt in mir und ich in euch. Wie die Rebe keine Frucht bringen kann aus sich selbst, wenn sie nicht am Weinstock bleibt, so auch ihr nicht, wenn ihr nicht in mir bleibt.
5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.


Liebe Jubilare,
sie alle verbindet zumindest ein gemeinsames Erlebnis. Die Holz-Bänke, auf denen sie sitzen, sind ihnen allen bekannt und vertraut. Vielleicht erinnern sie sich sogar noch, wo sie damals gesessen haben. Ich erinnere mich jedenfalls noch sehr genau, wo ich damals zu meiner Konfirmandenzeit gesessen bin, um meinen Gottesdienstverpflichtungen nachzukommen.

Die Predigten hat man sich ja selten behalten, obwohl man gespürt hat, wo den unterschiedlichen Pfarrern das Herz schlug und wie sie ihr Amt verstanden haben. Ich merke heute manchmal, wie mich einzelne Personen dann doch geprägt haben; durch ihre Haltung, durch ihre Überzeugung – als Vorbild oder als Negativbild, nie so werden zu wollen.
Und heute? Heute sind wir es, auf die die anderen sehen oder gesehen haben und in uns ein Vorbild gefunden haben oder ein Gegenbild, von dem sie sich abgrenzen wollten oder konnten. Nach 25 Jahren und nach 50 und mehr Jahren erst recht ist sichtbar, wer wir waren und wer wir sind und wie wir sind und was geworden ist.
An so einem Tag, wie heute, blicken wir unweigerlich zurück. Und die Gefühle sind durchwachsen. Manche kommen ja gerade deswegen nicht zu so einem Treffen – weil es zuviel wird; nicht nur äußerlich. Auch innerlich. Wie schade.
Soviel ist geschehen seither – bei vielen liegt ein ganzes Menschenleben dazwischen. Manche haben noch im zweiten Weltkrieg konfirmiert 1940 (7x), einer von ihnen noch vor dem Krieg 1935. Manche im Deutschland der Trümmer kurz vor der Befreiung am 18.3.1945 – 18 sind heute da. Und wenn wir das vor Augen haben, was damals war und wie es heute ist, dann sind wir so unendlich dankbar, dass wir immer noch im Frieden leben dürfen. Und SIE haben ihr Stück dazu beigetragen.
Haben sie sich in diesen Tagen schon die Zeit genommen, um ihr Leben zu überblicken? Oder kommt das erst danach, wenn die Wiedersehensfreude langsam verebbt und die Neugier auf die anderen gestillt ist.
Es ist wichtig, dass wir uns unserem Leben stellen – schließlich haben wir kein anderes bekommen und die Freude, ist meine Freude und die Enttäuschung meine Enttäuschung und der Dank mein Dank und die Klage ist meine Klage, weil der Segen, der damals über meinem Kopf gesprochen wurde auch mein Segen ist und Gott noch derselbe – auch wenn ich ihn heute anders verstehe und begreife.

5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.

So spricht Jesus zu seinen Jüngern. Und vielleicht haben sie das passende bunte Glasbild dazu auch noch in Erinnerung. Mir jedenfalls waren früher die Bilder immer eine willkommene Fluchtmöglichkeit aus der Langeweile. Bei den Diamantenen waren sie ja noch nicht da, unsere schönen Chorfenster von 1957, aber das Kreuz ist vertraut und die Kanzelreliefs und sicherlich auch die Krippe, die heute immer noch in der Weihnachtszeit hier unter der Kanzel ihren festen Platz hat.
An welche Bilder könne sie sich denn noch erinnern?
Jedenfalls spricht Jesus zu den Seinen:
5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.
hier oben ist es, im linken der drei Chorfenster – ziemlich in der Mitte. Das Motiv, das sie auch auf dem Liedblatt vorne abgebildet sehen.

5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben.

Und lassen sie mich fragen: Was für eine Rebe sind sie denn? Ein lieblicher Moselaner, ein satter Burgunder, ein herber Franke oder ein feuriger Sizilianer?
Man könnte das gleiche mit den Biersorten machen, aber in Israel wächst nun mal eher Wein als Hopfen.
Welcher Wein ist an ihnen und durch sie gereift?
Welche Früchte haben wir getragen? Können wir das sehen? Und betrachten sie bitte nicht nur das, was verdorrt ist oder die Scherben. Da ist noch viel mehr.

Denn das Wort Christi geht ja noch weiter. Er sagt:
5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.
Welche Früchte haben wir getragen? Denn nicht wir sind die Frucht, sondern wir sind die Reben und die Frucht kommt durch uns hindurch. Je älter man wird, desto mehr wird doch sichtbar, dass es immer nur geliehene Zeit ist, die wir haben und wir bei allem Mühen und Arbeiten nur staunen können, was durch uns geworden ist.
Sicherlich, manche Rebe an uns war eine Bitterrebe oder ein Wildtrieb, der abgeschnitten wurde. Und manchmal hat der Sturm oder der harte Winter manch guten Ast an uns abgerissen oder zerstört.
Aber da gibt es auch andere Zeiten – können wir das auch sehen und zulassen. Zeiten, in denen durch uns Neues geworden ist – Kleines und Großes und manches wurde erst im Nachhinein wichtig.
Wer sagt, dass meine Frucht unbedeutend war, zu gering? Wissen wir, was unser Auftrag war und was unser Können und was unser Talent?
Mancher Weinstock hat ideale Bedingungen am Main und mancher muss sich auf steinigem Boden bewähren. Jesus macht hier keinen Unterschied. Sondern er spricht es uns einfach freimütig zu.
5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.
Ein Trost-Wort für uns. Ein Dank-Wort. Ein Mahn-Wort. Ein Bitt-Wort.

Liebe Jubilare, liebe Gemeinde,
Was wir vergeigt haben, das wissen wir selbst am Besten. Und wie viel wir in ihm geblieben oder nicht, das wissen wir auch oft nur zu genau. Und wo wir ihn ganz vergessen haben, da können wir umkehren.
Denn eines ist gewiss. Wir dürfen dieses Wort Gottes auch heute noch als Zuspruch sehen, egal, an welcher Stelle unseres Lebensweges wir gerade stehen. Und wo wir falsch gelebt haben, sollten wir Gott um Vergebung und um einen Neuanfang bitten. Gott kennt uns und versteht uns besser, als wir uns selbst. Und wo wir reichlich Frucht getragen haben und alt und lebenssatt geworden sind, da wollen wir Gott danken.
Und so gilt es, am Anfang, in der Mitte oder gegen Ende unseres Lebens, was Christus zu uns spricht:
5 Ich bin der Weinstock, ihr seid die Reben. Wer in mir bleibt und ich in ihm, der bringt viel Frucht; denn ohne mich könnt ihr nichts tun.

Lassen wir uns dazu stärken für den Weg, der vor uns liegt, an Brot und Wein – den Früchten Gottes für uns an seinem Tisch, damit wir Frucht bringen können an dem Platz, wo Gott uns hingestellt hat. Und gehen wir dann unter Gottes Segen weiter.
Amen

20100413

Werner Otto Sirch: Der Herr ist auferstanden!

4.4.2010 - Ostersonntag

Predigt 1. Kor. 15, 1-11
Ich erinnere euch aber, liebe Brüder, an das Evangelium, das ich euch verkündigt habe, das ihr auch angenommen habt, in dem ihr auch fest steht,
2 durch das ihr auch selig werdet, wenn ihr's festhaltet in der Gestalt, in der ich es euch verkündigt habe; es sei denn, dass ihr umsonst gläubig geworden wärt.
3 Denn als erstes habe ich euch weitergegeben, was ich auch empfangen habe: Dass Christus gestorben ist für unsre Sünden nach der Schrift;
4 und dass er begraben worden ist; und dass er auferstanden ist am dritten Tage nach der Schrift;
5 und dass er gesehen worden ist von Kephas, danach von den Zwölfen.
6 Danach ist er gesehen worden von mehr als fünfhundert Brüdern auf einmal, von denen die meisten noch heute leben, einige aber sind entschlafen.
7 Danach ist er gesehen worden von Jakobus, danach von allen Aposteln.
8 Zuletzt von allen ist er auch von mir als einer unzeitigen Geburt gesehen worden.
9 Denn ich bin der geringste unter den Aposteln, der ich nicht wert bin, dass ich ein Apostel heiße, weil ich die Gemeinde Gottes verfolgt habe.
10 Aber durch Gottes Gnade bin ich, was ich bin. Und seine Gnade an mir ist nicht vergeblich gewesen, sondern ich habe viel mehr gearbeitet als sie alle; nicht aber ich, sondern Gottes Gnade, die mit mir ist.
11 Es sei nun ich oder jene: so predigen wir, und so habt ihr geglaubt.

Liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder in Christus,

Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Dieser Osterruf hat heute früh, als es hell wurde, in der Feier der Osternacht, unsere Kirche erfüllt. Ein wenig zaghaft – aber doch. Es fällt nicht jedem leicht, das, was so gegen jeden Verstand und gegen jede vernünftige Erklärung ist, laut von sich zu geben. Mit einem Schlachtruf und der Vereinshymne auf dem Fußballplatz geht es da schon etwas leichter.

Der Herr ist auferstanden! In unserem Herzen mag dies tief verankert sein, es mag zu unserem Glauben gehören, dass der gekreuzigte Jesus nach drei Tagen auferstanden ist. Unseren Glauben aber laut vor anderen zu bekennen, das ist eine ganz andere Sache. Viele von uns sind schweigende Gläubige geworden. Und das betrifft nicht nur unseren Osterglauben. Wir glauben und schweigen über das was wir glauben. Dabei lebt unser Glaube doch davon, dass er vor anderen bezeugt wird, dass wir weitererzählen was wir glauben. Wovon unser Herz voll ist, das will doch unser Mund erzählen.

Der Herr ist auferstanden! Das ist der Ruf gegen die Macht und die Finsternis des Todes. Es ist Ruf und Bekenntnis. Der Herr ist auferstanden! Das ist unser Ruf, unser Widerstand gegen den Tod, gegen seine Grausamkeit und die Fürchterlichkeit der gewaltsamen Trennung von denen die wir lieben. Es ist unser Widerstand gegen den Verlust unseres Lebens.

Der Herr ist auferstanden! Das sind die Worte, mit denen wir unsere Hoffnung in die Welt hinausschreien, dass am Ende nicht der Tod der Sieger bleibt und wir ein Leben voller Mühsal und Sinnlosigkeit gelebt haben.

Viele tun sich schwer mit der Botschaft der Auferweckung Jesu, auch solche, die sich als Christen bekennen. Unser naturwissenschaftlich und historisch geschulter Verstand stößt mit der Auferweckung der Toten an eine Grenze. Vielleicht auch, weil wir nicht glauben können was wir nicht sehen. Leider maßen sich auch getaufte Christen das Urteil an: es gibt keine Auferstehung der Toten. Tote sind tot, das ist endgültig. Es ist die Erfahrung, die das Leben lehrt, erlebte Realität.

Der Herr ist auferstanden! Das ist nicht irgend eine Nachricht, die sich ein paar Leute ausgedacht haben. Der Herr ist auferstanden!, ist der Ruf des Glaubens gegen allen Anschein, gegen alle menschliche Vernunft.

Ich glaube denen, die bezeugt haben, die Zeugen sind, dass Jesus von den Toten auferstanden ist – auch wenn es eine noch so unglaubliche Nachricht ist.

Der Apostel Paulus nennt die Namen von Menschen, die den Auferstandenen Jesus, den Christus, gesehen haben, die mit ihm gesprochen haben. Er spricht nicht nur von seiner Begegnung mit dem Auferstandenen, damals vor Damaskus, als er vom Verfolger zum Glaubenden wurde: „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“ Paulus nennt Zeugen, die bezeugen können, dass Jesus auferstanden ist: Kephas, Jakobus, fünfhundert Brüder, danach die Apostel und als letztes er, Paulus. Nicht zu vergessen die, von denen die Evangelien erzählen: die Frauen am Grab, Thomas, der Zweifler, der die Nägelmale Jesu berühren wollte, um diese unglaubliche Geschichte von der Auferstehung Jesu von den Toten glauben zu können.

Die ersten, die damit konfrontiert wurden, dass Jesus lebt, konnten es zuerst auch nicht glauben. Sie haben total verschreckt geschwiegen und sind dann doch zum Grab gelaufen um zu sehen, ob es stimmt, ob es wirklich so ist, dass das Grab leer ist.

Der Herr ist auferstanden! Was ist mein Glaube wert, ohne den Glauben an die Auferstehung Jesu? Was ist mein Glaube wert ohne die Hoffnung, dass ich nicht im Grab bleibe, weil Jesus mich aus dem Grab herausruft zu einem neuen Leben bei ihm?

Nichts! Mit einem Wort: Nichts! Mein Glaube ist ohne die Auferstehung Jesu nichts wert. Ich hätte vergeblich geglaubt, wäre einer Ideologie für gute Menschen angehangen, die es nicht schaffen gut zu sein. So aber weiß ich: Meine Gebete spreche ich nicht zur Wand. Mein Glaube hat ein Gegenüber. Er lebt, der sich meiner erbarmt, mein Verkehrtsein mit ans Kreuz genommen hat und mich liebt, so wie ich bin. Er lebt der mich gewollt hat, noch bevor ich das Licht dieser Welt erblickt habe, für den ich so wertvoll bin.

Ich bin dankbar, dass ich es glauben darf und glauben kann, wie es Martin Luther im Buch Hiob übersetzt hat: „Ich weiß, dass mein Erlöser lebet, und er wird mich hernach aus der Erden aufwecken. Und werde darnach mit dieser meiner Haut umgeben werden und werde in meinem Fleisch Gott sehen.“ Ich habe Zukunft – ich werde Gott sehen. Bei ihm finde ich meine Zukunft, mein Ziel. Auferstehen – bei Gott sein - in seinem Frieden. Dort sein wo es keine Krankheit und keinen Schmerz mehr gibt, wo wir nicht mehr all die Mühe und Plage dafür einsetzen müssen, um wenigstens ein wenig Glück zu erhaschen. Ich weiß, dass mein Erlöser lebet …

Der Herr ist auferstanden! Und wir werden auferstehen, weil er uns nicht im Grabe lassen wird. Im Evangelium des Johannes können wir es lesen, Jesus verheißt seinen Jünger: Ich lebe und ihr sollt auch leben. Leben, obwohl wir sterben. Leben, weil er, unser Herr, lebt und uns aus dem Tod herausrufen wird. Für unseren menschlichen Verstand unverständlich, unbegreiflich wie das gehen soll. Vielleicht kann uns zum Schluss dieser Predigt eine kurze Parabel helfen.

„Da war einmal ein guter Mensch. Er hatte Mitleid mit dem hässlichen Gewürm der Raupen, wie sie sich Stunde für Stunde vorwärts plagten, um mühselig den Stängel zu erklettern und ihr Fressen zu suchen ... Und der Mensch dachte: Wenn diese Raupen wüssten, was da einmal sein wird, was ihnen als Schmetterling blühen wird ... Und er wollte ihnen sagen: Ihr werdet frei sein! Ihr werdet eure Schwerfälligkeit verlieren. Ihr werdet mühelos fliegen und Blüten finden! Und ihr werdet schön sein! Aber die Raupen hörten nicht. Das Zukünftige, das Schmetterlingshafte ließ sich in der Raupensprache einfach nicht ausdrücken. – Er versuchte Vergliche zu finden: Es wird sein wie auf einem Feld voller Möhrenkraut ... Und sie nickten, und mit ihrem Raupenhorizont dachten sie nur ans Fressen...“

Es wird sein, was wir jetzt noch nicht verstehen können, wofür wir keine Worte haben. Aber wir dürfen das Unglaubliche schon heute glauben:

Der Herr ist auferstanden! Er ist wahrhaftig auferstanden! Amen.