20110117

Martin Adel: "...und er offenbarte seine Herrlichkeit"

2. Sonntag n. Epiphanias - 16.1.2011

Exodus 33,17b-23

1. Hinführung
Liebe Gemeinde,
da fliegt vor 50 Jahren der russische Kosmonaut Juri Gagarin am 12. April 1961 als erster Mensch im Weltall einmal um die Erde und als er zurück kommt, wird er gefragt, ob er denn Gott gesehen hätte. Und er sagt: Nein.
Und unsere verkopfte Welt betet es tapfer nach: Gott gibt es nicht. Er hat sich bei mir noch nicht persönlich vorgestellt. Ich hab ihn noch nicht gesehen, also gibt es ihn auch nicht. Und wir meinen, wir wären damit modern und die Menschen in der Bibel hinterwäldlerisch, wenn sie mit Gott sprechen und meinen, dass er sie führt.
Anthropomorphes Gottesbild – nennen wir das dann als Theologen. Gott, der so vorgestellt wird wie ein Mensch: Gott formt den Menschen aus Lehm – wie ein Töpfer. Gott spricht zu Adam und Eva im Garten Eden wie ein Mensch. Er spricht mit Mose und der meiselt dann die 10 Gebote in die Steintafeln. Wie kindisch. Wie lächerlich. Wie naiv.
Und während die einen uns belächeln, dass Glaube doch völlig überholt und unzeitgemäß wäre … fangen die anderen an, das alles zu beweisen (Jona im Bauch des Fisches; die Arche auf dem Berg Ararat etc. ) oder wir stöhnen: ach wenn ich doch noch so glauben könnte wie damals, als ich noch ein Kind und heute ist alles so kompliziert.

Ach wenn sich mir Gott doch nur einmal zeigen würde, dann ….
Ja, was dann? Dann könnte ich glauben?
Was würde ich sehen? Was wollte ich sehen? Was müsste ich sehen, dass ich überzeugt bin.

2. Gott sehen wollen
Dass wir Gott sehen wollen, das ist ein alter Menschheitswunsch. Schon immer wollte der Mensch Gott begreifen, betasten, mit Händen und Füßen und allen Sinnen. Wir sind eben Menschen. Und das ist bis heute nicht anders. Das ist bei den Kritikern genauso wie bei den Glaubenden. Und sehen wollen ihn ja alle.
Und die einen sagen dann eben: Ich habe Gott nicht gesehen und deshalb glaube ich nicht.
Und die anderen sagen: Ich habe ihn gesehen und deshalb glaube ich.

Mit dem Gott sehen und dem Sehen wollen befinden wir uns in bester Gesellschaft.
Mose sieht den brennenden Dornbusch und geht hin. Er zieht sich die Schuhe aus und hört, wie Gott zu ihm spricht.
Nur die Antwort ist nicht ganz zufriedenstellend. Denn als er fragt: Wer soll ich sagen, dass mich schickt. Heißt es: Ex 3
14 Gott sprach zu Mose: Ich werde sein, der ich sein werde.
Wer kann sich denn schon darunter etwas vorstellen?
Ich werde sein, der ich sein werde.

Martin Gutl schreibt in seinem Gedicht: Götterdämmerung
Der konstruierte Gott,
der gedachte Gott,
der eingebildete Gott,
der eingerahmte Gott,
der bürgerliche Gott,
der revolutionäre Gott,
der erträumte Gott,
der Gott, der von Menschen gemacht wird.

Und Gott sprach: „Ich bin, der ich bin.“

Ich bin anders als eure Bilder und eure Gedanken!

Elia sieht Gott nach seinem Kampf mit den Baalspriestern am Karmel, doch Gott ist nicht im Gewaltigen; nicht im mächtigen Sturm, nicht im gewaltigen Erdbeben, nicht im gigantischen Vulkanausbruch – und was das für Mächte sind, haben wir ja letztes Jahr auf Island gesehen. Nein, Gott ist im „Flüstern eines leisen Wehens“. In der„Stimme verschwebenden Schweigens“ nimmt er Gott wahr.
Wollen wir das sehen?

Der Jünger Thomas kann auch nicht glauben, dass Jesus auferstanden ist.
Wenn ich nicht in seinen Händen die Nägelmale sehe und meinen Finger in die Nägelmale lege und meine Hand in seine Seite lege, kann ich's nicht glauben. …
Und als Jesus nach 8 Tagen wieder erscheint,
… spricht er zu Thomas: Reiche deinen Finger her und sieh meine Hände, und reiche deine Hand her und lege sie in meine Seite, und sei nicht ungläubig, sondern gläubig! 28 Thomas antwortete und sprach zu ihm: Mein Herr und mein Gott! 29 Spricht Jesus zu ihm: Weil du mich gesehen hast, Thomas, darum glaubst du. Selig sind, die nicht sehen und doch glauben!

Und wir könnten noch mehr Menschen der Bibel aufführen. Wir sind nicht allein, wenn wir das Bedürfnis haben, Gott sehen zu dürfen. Auch das Volk Israel will Gott sehen und begreifen, ganz real, und als Mose auf dem Berg ist, bauen sie sich das goldene Kalb und tanzen darum herum. Endlich: Begreifen. Sehen. Das ist Gott. Doch Mose bekommt den Auftrag, das goldene Kalb zu zerstören.
Doch dann will er danach nichts anders. Er geht erneut auf den Gottesberg, wird von Gott gelobt und er hat einen Wunsch. Und so heißt es in unserem Predigttext:

3. Predigttext
Der Herr sprach zu Mose: Du hast Gnade vor meinen Augen gefunden, und ich kenne dich mit Namen. 18 Und Mose sprach: Lass mich deine Herrlichkeit sehen! 19 Und er sprach: Ich will vor deinem Angesicht all meine Güte vorübergehen lassen und will vor dir kundtun den Namen des HERRN: Wem ich gnädig bin, dem bin ich gnädig, und wessen ich mich erbarme, dessen erbarme ich mich. 20 Und er sprach weiter: Mein Angesicht kannst du nicht sehen; denn kein Mensch wird leben, der mich sieht. 21 Und der HERR sprach weiter: Siehe, es ist ein Raum bei mir, da sollst du auf dem Fels stehen. 22 Wenn dann meine Herrlichkeit vorübergeht, will ich dich in die Felskluft stellen und meine Hand über dir halten, bis ich vorübergegangen bin. 23 Dann will ich meine Hand von dir tun und du darfst hinter mir her sehen; aber mein Angesicht kann man nicht sehen.

4. Was ist das für ein Sehen?
Mose darf Gottes Herrlichkeit sehen. Aber was sieht er denn? Was hat er davon? Kann er damit jetzt prahlen: Ich hab Gott gesehen. Von hinten. Da würden alle nur lachen.
Ist das ein Beweis? Ein Gottesbeweis?
Für wen? Für die Zweifler? Die Kritiker? Die Gegner?
Ich habe Gott von hinten gesehen.

Und wir merken schon, da ist ein ganz anderes Sehen gemeint. Ein Sehen, mit dem wir nichts beweisen können und trotzdem ist es für uns wahr.
Es ist wie bei einem Liebespaar. Da gibt es soviel Männer und Frauen um einen herum. Hübschere, Feschere, Klügere, Reichere …. und doch ist es die eine / der eine und das kann man nicht beweisen, sondern das spürt man, das sieht man – in dem Menschen, hinter dem Menschen. Nichts Objektives, sondern ganz Subjektiv. Du. Mein Mann. Meine Frau.
Und dann bei den Kindern. Da gibt es auch klügere und wohl erzogenere und erfolgreichere … aber es ist: Mein Sohn. Meine Tochter. Das sehen wir. Das fühlen wir. Das brauchen wir.
Mose sieht Gott. „Mein Herr und mein Gott.“
Aber das kann man nicht fotografieren. Die Konfis hätten wahrscheinlich sofort ihr handy gezückt, aber da kann man nichts sehen. Und wäre es zu grell gewesen oder alles schwarz, dann hätten die anderen gesagt: dann war halt dein Handy kaputt. Kauf dir ein neues.
Da geht es nicht um Bilder. Da kann man auch nichts beweisen. Und doch ist es wahr.
Den Mose erlebt hier etwas, das ihn stärkt und hält. Diese intensive Nähe durch die Herrlichkeit Gottes gibt ihm Kraft und Gewissheit für die schwere und große Aufgabe, für die Strapazen, dieses widerspenstige Gottesvolk durch die Wüste zu führen.

Nichts anderes ist an Weihnachten geschehen, wenn Johannes über die Geburt Jesu schreibt:
1 Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott, und Gott war das Wort. 2 Dasselbe war im Anfang bei Gott. …
14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

Wie will man das denn beweisen, außer man glaubt es und es wird einem zur Wahrheit, wenn es heißt:
4 In ihm war das Leben, und das Leben war das Licht der Menschen. 5 Und das Licht scheint in der Finsternis, und die Finsternis hat's nicht ergriffen.

Wir glauben, dass wir in Jesus diese Herrlichkeit Gottes, die an Mose vorüber gezogen ist, dass wir diese Herrlichkeit in Jesus Christus sehen können – in Fleisch und Blut. Und gleichzeitig ist es eben nicht nur Fleisch und Blut, sondern er ist wahrer Mensch und wahrer Gott.
Das, was man sehen konnte, Fleisch und Blut, das konnten die römischen Soldaten dann ergreifen und foltern und töten. Aber das Unsichtbare, das Dahinter und Darüber, das konnte sie nicht töten. Das konnten sie auch nicht bewachen am Grab. Und das lies sich auch nicht gefangen nehmen in den Stricken des Todes – die Herrlichkeit Gottes voller Gnade und Wahrheit.
So wie sie uns vielleicht die Kirchen besprühen können oder die Kirchen anzünden, wie wir damals die Synagogen der Juden aber das bleibt äußerlich, weil wir innerlich von ganz anderen Bildern und Worten leben, solchen Begegnungen, wie sie Mose hatte.
Wir müssen nicht darüber reden und schon gar nicht damit prahlen. Meistens sind es ja eh ganz leise Bilder, wie ein Schaudern, ein Schluchzen, ein Staunen, sein Still-Werden, ein Ergriffen-Sein.
Mein Herr und mein Gott.
Da steigt ein Juri Gagarin aus dem Raumschiff und auf die Frage „ob er denn Gott gesehen hätte“ antwortet er: Nein.
Und unsere verkopfte Welt betet es tapfer nach: Gott gibt es nicht, weil wir ihn nicht sehen können.
Was für eine arme, oberflächliche Welt.

Letzthin sagte mir eine Frau, die ich besuchte, eine Zigeunerin, die Christin ist> Nach dem plötzlichen Tod meines Mannes mit 31 Jahren musste ich die 8 kleinen Kinder allein großziehen. Ohne Gott hätte ich das nicht geschafft. Die Armut blieb und die Not auch, aber sie hatte darin die Kraft, um diese Aufgabe zu bewältigen.
Das ist die Wahrheit dieses Sehens. Kraftbilder – Kraftquellen. Uns zum Leben und zum Heil.

Amen