20110325

Werner Otto Sirch: Den Seinen gibts der Herr im Schlaf ...

27.2.2011 - Sonntag Sexagesimae
Predigt Markus 4, 26-29

Liebe Schwestern und Brüder!

1. Hinführung zum Thema

Wir erleben gegenwärtig eine harte Zeit in der Kirche und in der Gesellschaft. Es herrscht ein rauher Wind. Überall ist das Geld knapp geworden, trotz eines neuen „Wirtschaftswunders“ von dem die Wirtschaft und andere Fachleute sprechen. Es müssen Schuldenberge, die schwindelnde Höhen erreicht haben, zurückgezahlt werden. Einige Staaten in Europa stehen am Rand der Staatspleite. Es herrscht bei vielen Angst, dass der Euro zu wertlosem Papier wird.

Monatelang streitet Regierung und Opposition über die vom Verfassungsgericht angemahnte Neuberechnung des Hartz IV-Gesetzes – dann haben sie sich geeinigt – und nun doch wieder nicht. Der Bürger fragt sich, ob die Regierung noch handlungsfähig ist, wenn sie Verhandlungen regelmäßig ohne Ergebnis vertagt, bzw. das Ergebnis nicht länger als wenige Stunden hält. In den letzten Tagen kann man hören, dass viele Kommunen an der Grenze ihrer Zahlungsfähigkeit angelangt sind, wegen hoher Sozialausgaben.

Unser soziales Miteinander scheint mehr und mehr dem Egoismus Einzelner und den Interessen bestimmter Gruppen gewichen. Die Folge: Reiche werden immer reicher und Arme immer ärmer. Für die Rettung von Banken, die Milliarden verzockt haben, stehen Unsummen bereit, für Kindergärten, Schulen und Universitäten ist das Geld knapp. Und nach dem großen Bankencrash wird munter weitergezockt und so getan als sei nichts gewesen.

Der raue Wind ist auch in der Kirche zu spüren. Missbrauch auch bei uns, in der Nachbarschaft. Die Gemeinden werden immer kleiner. Es werden mehr Menschen beerdigt als getauft. Die Kirchenaustrittszahlen halten unvermindert an. Für viele gehört es zum guten Ton nicht mehr in der Kirche zu sein, obwohl sie sich als gläubige Menschen sehen. Längst lassen sich nicht mehr alle jungen und getauften Christen konfirmieren. Nach der Konfirmation ist für die meisten Pause. Wenige bleiben aktiv dabei. Ich mache mir Sorgen und Gedanken, wie aus diesen jungen Menschen gestandene Christen werden, wenn sie nicht zu Bibellesern werden, in den Gottesdienst und in die Gemeinde kommen, wenn sie leben wie die, die nichts vom liebenden Gott gehört haben.

2. Predigttext

In diese bedrückende Situation hinein hören wir den heutigen Predigttext. Ein Wort Jesu, aus dem hoffnungsvolle Stimmung klingt, auch wenn er in einem heftigen Kontrast zu unserer Lebenswirklichkeit steht. Er steht geschrieben im Evangelium des Markus im 4. Kapitel:

Jesus sprach: Mit dem Reich Gottes ist es so, wie wenn ein Mensch Samen aufs Land wirft
27 und schläft und aufsteht, Nacht und Tag; und der Same geht auf und wächst - er weiß nicht, wie. 28 Denn von selbst bringt die Erde Frucht, zuerst den Halm, danach die Ähre, danach den vollen Weizen in der Ähre. 29 Wenn sie aber die Frucht gebracht hat, so schickt er alsbald die Sichel hin; denn die Ernte ist da.


3. Wie von selbst ...

So mancher Landwirt oder Hobbygärtner mag sich über diesen Text ärgern. Samen in die Erde, das war’s. Der Rest geschieht von allein. Jetzt muss man nur noch zusehen, es wächst von allein. Da steht nichts vom Gießen oder vom Düngen, da steht nichts vom Unkraut jäten und beschneiden. Es geschieht von selbst. Aber ist das wirklich so? Wir sehen doch die schwere Arbeit eines Landwirts oder wie der Gärtner den Rücken krumm machen muss, damit er einen guten Ertrag hat. In unserem Gleichnis legt man sich aufs Ohr und lässt es einfach wachsen, lässt den Wachstumskräften freien Lauf – das wird dann schon. Aber geht das wirklich so? Oder fehlt uns dazu nur die nötige Gelassenheit, das Zutrauen, dass es auch ohne uns geht? Was will uns das Gleichnis Jesu sagen, was sollen wir daraus lernen?

4. Wort Gottes – der gute Samen

Ich stelle mir das bildlich vor: Der Prediger auf der Kanzel der St. Paulskirche ist der, der den guten Samen des Wortes Gottes unter die Menschen wirft. Er hat sich vorbereitet, hat Gottes Wort sprechen lassen und jedes Wort gewogen, das er der Gemeinde sagen möchte. Und dann, wie geht es weiter? Was kommt dabei heraus? Wächst der Glaube in den Menschen? Wächst die Gemeinde? Entsteht neuer Hunger nach Gottes Wort? Wird die Gemeinde lebendig und dienstbereit? Steigt das Spendenaufkommen, weil die Hand offener wird für die Nöte anderer und die Aufgaben der Gemeinde?

Was bewirkt der Samen, die Predigt? Solche und ähnliche Gedanken beschleichen mich manchmal, weil ich meine es müsste viel passieren, da wir doch einen so wunderbaren Samen in die Herzen der Menschen legen, weil wir doch eine so großartige frohe Botschaft predigen. Und dann träume ich unsere Kirche voll Menschen, sehne mich nach einem Aufbruch, nach einer neuen Ausgießung des Heiligen Geistes. Träume, dass aus den Wenigen die zum Gottesdienst kommen die Vielen werden, die sich nach Gott auszustrecken und von der Sehnsucht nach Gott und seinem Wort ergriffen werden.

Fehlt mir die Gelassenheit Gott zuzutrauen, dass er auch diese, unsere Gemeinde nie aus dem Blick verliert, sie wachsen lässt und erhält? Fehlt mir die Gelassenheit Gott zuzutrauen, dass er sich um all die Menschen kümmert die in unserem Land leben und für jeden das bereithält was er braucht? Hat nicht Gott für jeden dieser Menschen seinen Weg?

Wir werfen den Samen, das Wort Gottes unter die Leute und Gott lässt es wachsen, so unser heutiger Predigttext. So wie der Gärtner, der Landwirt nicht dem Wachstum nachhelfen kann, indem er an den Pflanzen zieht - er würde die jungen Pflänzchen ja nur ausreißen – so können auch die, die Gottes Wort unter die Leute bringen nicht nachhelfen. Gottes Wort muss in den Herzen der Menschen selbst wachsen und sich einwurzeln. Wir dürfen fest darauf vertrauen, dass Gottes Wort nie leer zurückkommt. Gottes gepredigtes Wort wird Frucht bringen. Wir müssen die Frucht nicht schaffen, und wir müssen auch nicht an den jungen, zarten Glaubenspflänzlein ziehen, damit sie schneller wachsen. Gott schafft die Frucht im Leben derer, die sein Wort hören und in ihrem Herzen bewahren.

5. Im Glauben frei

Dr. Martin Luther schrieb einst an seine Frau: „Liebe Katharina, nach einem langen Tag sitze ich bei einem Maß Bier und denke mir, der liebe Gott wird es schon machen!” Dieses kindliche Vertrauen wünsche ich mir auch manchmal: Gott wird es schon machen.

Wie oft meine ich, dass wir es sind, die es machen müssen. Fange an mir Sorgen zu machen über die Zukunft der Kirche und die Zukunft unseres Volkes, das so leichtsinnig die Werte die aus dem Glauben kommen wegwirft. Was ich dabei vergesse ist, dass Gott immer der Wirkende ist, ob wir nun rackern oder ruhen. Wir dürfen das tun, was in unseren Kräften steht, gern, gleich und ganz! Und wir können vertrauen, dass Gott tut, was in seiner Macht steht.

Der Liederdichter Paul Gerhardt wusste was es heißt zu glauben und nicht zu sorgen ob der Samen wohl aufgehen mag. Voller Vertrauen dichtete er: „Bist du doch nicht Regente, der alles führen soll. Gott sitzt im Regimente und führet alles wohl.“

Dieses Vertrauen macht frei! Es macht nicht lässig, aber gelassen, nicht übermütig, aber mutig, nicht träge, aber tragfähig, nicht ängstlich, aber engagiert. Und so konnte der Beter des 127. Psalms beten: „Wenn der Herr nicht das Haus baut, so arbeiten umsonst, die daran bauen. Wenn der Herr nicht die Stadt behütet, so wacht der Wächter umsonst. Es ist umsonst, dass ihr früh aufsteht und hernach lange sitzt und esset euer Brot mit Sorgen; denn seinen Freunden gibt er es im Schlaf!“ „Den seinen gibt’s der Herr im Schlaf.“ Ich liebe dieses Wort. Da steht nämlich nicht: Den Seinen gibt’s der Herr beim Rumrennen und Betrieb machen. Wir müssen nicht eine Aktion nach der anderen starten und möglichst auf allen Hochzeiten tanzen. Das sollen ruhig die anderen machen, die es viel besser können als wir. Unsere Arbeit ist den Samen auszuwerfen. Gott wird dann das Seine dazutun und Wachstum schenken.

Ohne Samen kann nichts wachsen. Darum sind auch Eltern und Großeltern dafür verantwortlich, dass der Same des Wortes Gottes in ihren Kindern eingepflanzt wird. Dass ihre Kinder erfahren und erleben wie christlicher Glaube gelebt wird. Kinder lernen durch das Vorbild ihrer Eltern, nicht durch Druck und Forderungen. Darum dürfen Eltern und Großeltern voll Vertrauen den Kleinen von Jesus erzählen und ihnen den Glauben an den lebendigen und barmherzigen Gott lieb machen, indem sie das leben was sie sagen. Für das Wachstum des Glaubenssamens wird aber Gott sorgen. Wir dürfen darauf vertrauen, dass er das zum Leben erweckt, was wir im Vertrauen auf ihn in unseren Kindern gesät haben.

6. Saat auf Vertrauen

Vor 110 Jahren haben die wenigen Menschen, die damals in der Südstadt gewohnt haben mit viel Glauben eine große Kirche, die größte in Fürth, mitten auf den Acker gestellt – unsere St. Paulskirche. Sie haben das im Vertrauen darauf getan, dass Gott segnen wird, was sie begonnen haben. Um die Kirche hat sich im Laufe der Jahre eine große Gemeinde gesammelt. Die größte Gemeinde hier in Fürth. Unzählige Menschen wurden in ihr getauft und konfirmiert, haben an ihrem Altar geheiratet und das heilige Abendmahl gefeiert. Wenn unsere Vorfahren diesen Glauben nicht gehabt hätten, so würde heute vielleicht eine kleine Kirche hier stehen und nicht das schöne, große, helle Gotteshaus.

Und so wollen wir im selben Glauben und Vertrauen in diesem Jahr unser neues Gemeindehaus neben das Pfarrhaus bauen, in der Hoffnung, dass es von Ihnen, liebe Gemeinde, mit Leben erfüllt werden wird. Wir wollen glauben und vertrauen, dass über viele Generation, das Zusammenleben in diesem Stadtteil durch das neue Gemeindehaus Segen empfängt. Wir können planen und bauen, aber das Wachstum und Gedeihen in dem neuen Haus und in unserer Gemeinde kann nur Gott schenken. So kann ich eigentlich nur um zweierlei bitten:
Das erste ist, dass Sie, liebe Gemeinde, alles Nachdenken und Planen mit ihren Gebeten begleiten.
Als zweites, dass Sie ihrer Gemeinde auch die nötigen finanziellen Mittel (ca. 200.000 €) mit vielen, vielen kleinen und größeren Spenden zur Verfügung stellen, damit es ein einladendes neues Haus unserer Gemeinde werden kann.

7. Die Ernte

In meinem Herzen kann ich kaum den Tag der Ernte erwarten. Das ist dann wenn der Landwirt, der Gärtner sagen kann: „Die Mühe hat sich gelohnt, der Herr hat das Wachstum dazu gegeben.“ Auch in unserer St. Pauls-Gemeinde können wir immer wieder Ernte erleben und erfahren, dass Gott zu dem, was wir oft mit zittern und zagen beginnen und tun, seinen Segen gibt. Unsere St. Paulsgemeinde hat mit ihrer wunderbaren Botschaft von der Liebe Gottes zu den Menschen diesem Stadtteil geprägt. Viele, viele Menschen haben erfahren was es heißt in einer Gemeinde Halt und Gebogenheit zu spüren – und was es heißt sich einzubringen für andere, die Nähe, Geborgenheit, Hilfe und die Gewissheit brauchen, dass sie nicht allein sind, egal in welcher Situation sie sich befinden. Das ist Grund genug, um Gott zu danken, dass er es ist der das Wachstum schenkt. Amen.