20120423

Christian Krause: Vom Hausbau

23.04.2012 - Sonntag Misericoridas Domini
Tag der Grundsteinlegung für das neue Gemeindehaus
Predigttext Mattäus 7,24-29

24 Darum, wer diese meine Rede hört und tut sie, der gleicht einem klugen Mann, der sein Haus auf Fels baute.
25 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, fiel es doch nicht ein; denn es war auf Fels gegründet.
26 Und wer diese meine Rede hört und tut sie nicht, der gleicht einem törichten Mann, der sein Haus auf Sand baute.
27 Als nun ein Platzregen fiel und die Wasser kamen und die Winde wehten und stießen an das Haus, da fiel es ein und sein Fall war groß.
28 Und es begab sich, als Jesus diese Rede vollendet hatte, dass sich das Volk entsetzte über seine Lehre;
29 denn er lehrte sie mit Vollmacht und nicht wie ihre Schriftgelehrten.


Liebe Gemeinde,

aus gegebenem Anlass habe ich dieses Wort Jesu vom Hausbau ausgesucht. Dieses Bild steht am Ende von insgesamt sieben Bildern, die die Seligpreisungen und dessen Inhalt erklären und verstärken wollen. Die Seligpreisungen die ein neues Leben mit Gott beschreiben, zeigen uns gerade in der Nächstenliebe eine Lösung für alle sozialen Fragen, Grundregeln des gemeinschaftlichen Lebens und auch das Geheimnis des persönlichen und gesellschaftlichen Wohlbefindens und Friedens überhaupt. Da stellt sich natürlich immer die Frage: Wie weit sind Welt und Gemeinde Jesu noch von dem Befolgen des Wortes entfernt. Jesus versucht es noch mal mit Bildern. Das letzte Bild ist das vom Hausbau.

Wie immer versucht Jesus ganz pragmatisch die Lebenssituation der Menschen einzufangen. Und so entwickelt er aus dem Bild des Hausbaus seine These, wie wir Menschen zur Gemeinde Jesu werden können.

Warum ist es nicht ratsam sein Haus auf Sand zu bauen?
Man kann das Haus nicht fest im Sand fixieren. Selbst wenn man die Baumstämme oder den Lehm in den Sand eingräbt. Der Sand kann vom Wind weggetragen werden. Mit einem Unwetter verbunden schwämmt sich der Sand weg und das Bauwerk steht ohne Verankerung da, ist dem Wind ausgeliefert und fällt in sich zusammen.
Aus der Sicht Jesu und seinen Zuhörern muss man davon ausgehen, dass diese nur in Hütten lebten, die aus Holz und Lehm hergestellt waren. Sie kannten also das Problem, von dem Jesus sprach.

Wieso ist mein Haus besser geschützt, wenn es auf einem Felsen steht?
Ich muss es im Felsen verankern, damit es überhaupt eine Chance hat auf dem Felsen zu stehen. Der Regen läuft um das Haus ab. Das Wasser kann die Verankerungen nicht lösen. Sturm und starke Winde können zwar das Gebälk in sich verschieben. Das Haus ist also in Bewegung, doch durch die Verankerungen im Fels kann es nicht so leicht in sich einstürzen. In Jerusalem und in anderen großen Städten standen ja auch schon prächtige Paläste und Burgen. Diese wurden auf festem Untergrund gebaut, mit Steinen und einer Art Beton:
Die Römer entwickelten das opus caementitium (opus = Werk, Bauwerk; caementitium = Zuschlagstoff, Bruchstein), aus dessen Namen das Wort Zement abgeleitet ist. Dieser Baustoff, auch als römischer Beton oder Kalkbeton bezeichnet, bestand aus gebranntem Kalk, Wasser und Sand, dem mortar (Mörtel), gemischt mit Ziegelmehl, und zeichnete sich durch eine hohe Druckfestigkeit aus. Damit wurden unter anderem die Aquädukte und die Kuppel des Pantheons in Rom, hergestellt.
Im übertragenen Sinn bedeutet dies, dass auch mein Leben, wenn es nur auf Sand gebaut ist, den Stürmen der Welt vollkommen ungeschützt ausgeliefert ist. Ich habe keinen Halt. Meine Lebensstrategie wird immer wieder wie ein Kartenhaus zusammenfallen.

Am Ostersonntag hatte ich ein Erlebnis hier im Gottesdienst, nicht ganz, eher am Ende des Gottesdienstes. Ich habe den Besuchern am Ausgang noch einen schönen Tag gewünscht. Da kamen zu letzt ein paar Konfirmanden, die eine Unterschrift haben wollten, da sie diese für die Konfirmation brauchen. Ich war gerade dabei zu unterschreiben, da sagten zwei Erwachsene, denen würde ich keine Unterschrift geben, die haben sich den ganzen Gottesdienst über nicht ordentlich verhalten. Einer der Konfis sagte dann, ich wurde ja auch zur Konfirmation gezwungen. Auf Sand gebaut !?
Ich habe den Konfis die Unterschrift gegeben, einmal weil Ostern war und zweitens: den Glauben verstehen, etwas auswendig lernen, bedeutet noch lange nicht zu glauben. Man muss den Glauben kennen lernen, durch den Unterricht ganz klar, aber wirklich verstehen werde ich ihn erst, wenn er in meinem Herzen eingedrungen ist, wenn er spürbar mein Leben mit beeinflußt, vielleicht sogar verändert. Dazu braucht man Menschen, die einem den Glauben vorleben, auch dafür ist die Konfi-Zeit da Menschen kennen zu lernen, die nicht nur darüber reden sondern auch danach leben. Habt ihr Konfirmanden euch schon mal gefragt, warum diese Menschen um euch herum regelmäßig in die Kirche gehen? Die brauchen doch gar keine Unterschrift!?

Man braucht einen Raum, in dem man etwas über den Glauben erfahren kann. Die Kirche oder das Gemeindehaus. Das Gemeindeleben mit den Gruppen und Kreisen. Man trifft sich in unseren Gruppenräumen ja nicht nur zum Kaffe trinken, zum spielen, sondern hier wird Glaube gelebt, Gemeinschaft erfahren. Anteil genommen an dem, was einen bewegt.
Die Seligpreisungen die ein neues Leben mit Gott beschreiben, zeigen uns gerade in der Nächstenliebe eine Lösung für alle sozialen Fragen, Grundregeln des gemeinschaftlichen Lebens und auch das Geheimnis des persönlichen und gesellschaftlichen Wohlbefindens und Friedens überhaupt. Das ist nicht meine Sprache, Fritz Rienecker hat diesen Satz in der Wuppertaler Studienbibel zu unserem Predigttext geschrieben. Aber genau das sagt es aus.

Damit der Glaube nicht auf Sand gebaut wird

Aus diesem Grund bauen wir ein Gemeindehaus, dass der Glaube nicht auf Sand gebaut wird. Wir wollen hier den Menschen eine Heimat bieten, die nach Antworten suchen, wenn schon mal das auf Sand gebaute Haus eingestürzt ist. Wir wollen Menschen eine Heimat bieten, die spüren, dass es etwas anderes gibt als den Egoismus in der Welt. Wir wollen Kindern und Jugendlichen einen Ort schaffen, an dem sie von Gott erfahren können, den Glauben erleben, und plötzlich merken, dass sich gar nicht so viel verändert, aber ich bin von Gott geliebt, dieser Satz kann plötzlich mit Innhalt gefüllt werden. Ich verstehe ihn. Nicht nur vom Verstand aus sondern auch vom Herzen.

Der Grundstein wird heute gelegt. Auch in uns ist so ein Grundstein gelegt worden.
Durch die Taufe gehören wir zu dieser Gemeinschaft der Glaubenden (der Christen).
Mit Beton wurde unser neues Haus gebaut. Zum Teil mit Sichtbeton. Das Heißt die Wände werden nicht verkleidet oder gestrichen. Nein wir werden den Beton sehen. Und das ist gut so, denn was braucht man alles für einen guten Beton:
Wasser
Sand
Kalk und Ton
Bei grobem Beton wird auch Kies dazu gegeben.

Und so wird aus diesen Baustoffen ein Bild für unser Wachsen im Glauben.
Durch die Taufe, durch das Wasser, werden wir in der Gemeinschaft der Christen aufgenommen.

Der Sand ist unser Leben in der Gesellschaft, unser Umfeld, die Familie, die Nachbarn, die Freunde, die Schule, die Arbeitsstelle, das Altenheim. Mit Wasser und Sand kann man schon was bauen, die Haltbarkeit und Festigkeit lässt zu wünschen übrig. Erst wenn das Bindemittel dazu kommt, der Glaube an Gott unseren Schöpfer, an Jesus Christus unseren Retter und an den Heiligen Geist, die Gute Kraft in unserem Leben. Erst wenn dieses Bindemittel sich mit Sand und Wasser vermischt, wird das Leben im Sinne der Seligpreisung vollendet. Natürlich braucht es dazu auch die passende Mischung. Das ist unsere Herausforderung. Das macht unser Leben so spannend. Es ist aber zunächst einmal wichtig alle Rohstoffe zu spüren und zu erleben.
Unser Gemeindehaus hat ein Fundament so fest wie ein Fels. Selbst die Mauern zeigen es uns aus was sie bestehen. So hoffe ich, dass die Menschen, die in dieses Haus eintreten spüren werden, dass hier Glaube lebendig ist, Glaube gelebt wird.
Amen.

20120406

Werner Otto Sirch: Der Tod ist verschlungen vom Sieg

Ostermontag 09.02.2012 - 1. Korinther 15,50-58

Liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder,

gestern haben wir voller Freude die Botschaft von Jesu Auferstehung gehört. Es klingt in uns nach, dass Jesus den Tod überwunden und besiegt hat. Heute sind wir wieder auf dem Weg in den Alltag. Was bedeutet es für mich, dass Jesus dem Tod die Macht genommen hat und es trotzdem Alltag ist, dass überall um uns her gestorben wird – trotzdem gestorben wird. Wo manche unter uns trotzdem die Nähe zum Tod erfahren haben, erleben mussten was es bedeutet einen Menschen durch den Tod zu verlieren.

1. Steine sprechen

Auf dem Weg durch den Friedhof sprechen Steine zu uns. Sie reden deutlich. Jeder Grabstein hat eine eindrückliche Botschaft für uns: „Lebt richtig, lebt sinnvoll, lebt wirklich und ganz, nutzt die Jahre auf der Erde, bevor ihr unter die Erde kommt, schenkt euch Liebe, solange ihr euch habt, schenkt euch Blumen, solange sie der andere noch sehen kann, sagt euch Worte der Verzeihung, solange sie der andere noch hören kann, macht Frieden mit Gott, solange noch Zeit ist.”

Aber auch die Inschriften auf den Grabsteinen sprechen laut: „Hier ruht!” Dann: „Hier ruht in Gott!” Einmal heißt es: „Auf Wiedersehen!” Ein anderes Mal: „Auferstehen!” Da ist ein Stein: „Unsere Clara - verlorenes Glück!” Dort ein Kreuz: „Unser Otto - Lasset die Kindlein zu mir kommen!” Die einen schreiben: „Gekämpft, gehofft und doch verloren!” Andere: „Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn!” Für einen Mann steht über seinem Namen: „Dem Verdienste seine Krone!” Für einen anderen: „Aus Gnaden seid ihr selig geworden!” Auf einem Grabstein das Dante-Wort: „Lass jede Hoffnung fahren.” Und auf einem anderen: „Herr, ich warte auf dein Heil!” Sehr oft kann man lesen: „Unvergessen!” Sehr selten steht: „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen!” Und auf vielen modernen Friedhöfen und neueren Grabsteinen steht außer dem Namen und den Lebensdaten kein einziges Wort mehr.
So ist der Friedhof mit seinen Steinen ein Buch mit vielen Blättern, das uns nachdenklich und fragend macht.

Wir denken nach wozu wir gelebt haben. Was von uns bleiben wird. Wie es sein wird, wenn wir die Unausweichlichkeit des Todes an unserem eigenen Leben erfahren. Was wird sein, wenn unser Leben zu Ende gegangen ist, wenn wir nichts „hinüberretten“ können vom „hier“ nach „dort“. Gott hat über den Tod gesiegt, das ist unser Glaube. Trotzdem ist er weiterhin Fakt und bedroht unser Leben. Wann wird die Macht des Todes endgültig Vergangenheit sein?

2. Predigttext

Im 1. Korinterbrief, im 15. Kapitel, schreibt der Apostel Paulus über den Tod und seine Macht, hören wir den Predigttext:
50 Das sage ich aber, liebe Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit.
51 Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; 52 und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. 53 Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. 54 Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht (Jesaja 25,8; Hosea 13,14): »Der Tod ist verschlungen vom Sieg. 55 Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?« 56 Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. 57 Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus! 58 Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.

3. Fleisch und Blut können Gottes Reich nicht erben


Paulus sagt es deutlich, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit. Die Ewigkeit ist nicht der Ort, wo wir durch unsere „Auferstehung“ die Wiederherstellung des vom Tode leider zerstörten und abgebrochenen Lebens erwarten dürfen. Die Vergänglichkeit wird nicht die Unvergänglichkeit erben. Für unsere eigene Klarheit in dieser Sache ist das wichtig!

Es geht nach unserem Sterben dort in der Ewigkeit nicht so weiter wie es hier war. Das Auferstehungsleben ist nicht die Fortsetzung des irdischen Daseins in alle Ewigkeit, wo wir in aller Behaglichkeit unsere irdischen Lebensgewohnheiten bewahren können, an denen wir hängen. Für mich wäre es ein schrecklicher Gedanke, wenn wir mit unserem jetzigen Wesen und mit unserem jetzigen Denken in alle Ewigkeit so weitermachen könnten. Unser Ichwesen, das keinen Platz für Mitmenschen hat und schon gar keinen Platz für Gott. Für mich wäre das nicht das ersehnte Paradies, sondern eher die Hölle.

Da muss sich etwas ändern, in unserem Wesen ändern, hier und heute, damit wir in die Lage kommen, Gottes Reich zu erben. Gottes Reich, wo Gott regiert und „alles in allem“ ist.

4. Plötzlich verwandelt werden

Wir müssen verwandelt werden. So wie man ein neues Kleid über ein altes, zerrissenes und schmutziges Gewand zieht. So wie man früher dem Neugetauften nach seiner Taufe ein sauberes weißes Kleid übergezogen hat, zum Zeichen seiner neuen Geburt.

Gottes Heiliger Geist kann diese Änderung in unserem Wesen schaffen. Er will und kann uns verändern, wenn wir es zulassen. Er kann uns so verändern, dass wir Gotte als unseren Schöpfer anerkennen und ihm vertrauen und seine Nähe und Gegenwart suchen.

51 Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; 52 und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune.
Es ist ein Geheimnis. Kein Geheimnis über das man nicht spricht. Es ist ein Geheimnis, das hinaus will zu den anderen. Ein Geheimnis, das geheimnisvoll ist und bleibt, auch wenn man es zu erklären versucht. Alle werden verwandelt werden: die Verstorbenen und die, zu dem Zeitpunkt noch Lebenden. Alle werden in einem Augenblick verwandelt werden, dann, wenn Christus wiederkommt, denn „Fleisch und Blut“, unser alter Mensch, der nach den Regeln und dem Denken der Welt lebt, kann Gottes Reich nicht erben. Es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden.

5. Das Kleid der Unsterblichkeit

Es gibt keine Wiederherstellung des früheren Leibes, mit dem wir andere Personen identifizieren können. Es gibt keine langsame Entwicklung des alten ich, zu einem vollkommenen neuen. Alle müssen verwandelt werden, wenn die Posaune ertönt. Keiner kann so wie er ist an der Gemeinschaft derer, die durch Christus erlöst sind teilhaben.
53 Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. Wir dürfen schon heute Menschen sein, die ihr fleischliches Wesen Jesus übergeben haben und damit Kinder des Vaters im Himmel geworden sind.

6. Der Tod ist der Sünde Sold

Das Verwesliche, das Sterbliche, hat seine Ursache in der Sünde, die der Stachel des Todes ist. Die Sünde ist das Machtinstrument der Herrschaft und der Macht des Todes. Sünde, so wissen wir aus dem Alten Testament, ist die zum Menschen gehörende Neigung, wie Gott sein zu wollen und zu wissen was gut und böse ist. Das ist Sünde, und das Gesetz ist ihr Helfershelfer, sich selbst an die Stelle Gottes zu setzen und sein ganzes menschliches Denken, Fühlen und Handeln seinem Ideal von Größe und Macht zu unterwerfen. Der Starke, der sich die Macht nimmt und nach seinen Gesetzen herrscht.

Ihr wahres Wesen zeigt die Sünde am Kreuz Jesu: „Bist du der Christus, so zeige deine Macht und steige herab vom Kreuz,“ so schreit die Sünde, die vom Gottessohn Machterweise fordert. Ein leidensfähiger, ohnmächtig liebender, auf Macht und Herrschaft verzichtender Mensch provoziert den auf göttliche Allmachtsattribute fixierten Menschen derart, dass er diesen Menschen, Jesus, umbringt – so ist der Tod der Sünde Sold. Und wenn es nach der Sünde des Menschen ginge, würde der Tod zuletzt das ganze Leben beherrschen: der Tod will „alles in allem“ werden.

7. Christus macht dem Tod die Herrschaft streitig

57 Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!
In Christus geriet der Tod an Gott selbst, der ihm allerdings die Herrschaft streitig macht., so dass nicht der Tod, sondern Gott „alles in allem“ ist. Das schenkt uns neue Lebensmöglichkeiten:
- Gott nimmt in Christus diejenige Ohnmacht und Schwäche an, die der Mensch so gewaltsam bekämpft und integriert sie ins wahre Menschsein.
- Gott erträgt in Christus die Tränen und Schmerzen, die der Mensch so rigid versteckt und überspielt, und ermöglicht, durch die Fähigkeit zu leiden, ganzheitliches Menschsein.
- Gott bejaht in Christus den Tod und damit die Endlichkeit des Menschen, die der Mensch verzweifelt nicht wahrhaben will, und eröffnet durch die Möglichkeit eines bejahten Lebensendes erfülltes Leben.

8. In Gott sein

Der Glaube an das ewige Leben, den wir durch die Auferstehung Jesu bekennen, ist die Gewissheit, dass mein Leben, das im Tod unwiderruflich zu Ende ist, mit diesem Tod nicht im Nichts, sondern in Gott sein wird.

Bei der Begleitung Sterbender können wir beobachten, dass viele von der Hoffnung auf Rettung bestimmt sind. Das Rettende kann aber nicht irgend etwas völlig beliebiges sein. Durch Jesus, dem Auferstandenen, wird das Leben in alle Ewigkeit gerettet und geheilt werden. Durch ihn wissen wir: Wenn Gott sein wird alles in allem, dann wird das – wie auch immer – die Wirklichkeit der Liebe sein. In dieser Liebe Gottes werden wir in Ewigkeit geborgen sein.

Bei Reiner Maria Rilke lesen wir:
„Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. Und sieh dir das andere an: es ist in allen. Und doch ist einer, welcher das Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.“ Amen.

Martin Adel: Aushalten ist Liebe

Karfreitag - Todesstunde Jeus

Ansprache zu Johannes 19,25

Liebe Gemeinde,
25 Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala.

Wo würden wir stehen?

Bei Matthäus und bei Lukas heißt es: die Frauen stehen von Ferne. (Mt 27,55 // Lk 15,40)
Wo würden wir stehen?

An Karfreitag werden wir ans Kreuz geführt – ob wir wollen oder nicht. Einmal im Jahr. Zur Unzeit, wie es immer Unzeit ist, wenn uns das Leid trifft, die Nachricht vom Autounfall, vom Schlaganfall, vom Krebs.
Es ist doch schon Frühling. Die Vögel singen schon früh morgens und bauen ihre Nester. Die Zeit ist umgestellt und wir genießen die warmen Sonnenstrahlen. Und dann Karfreitag. Künstlich inszeniert? Fehl am Platz?

Wo würden wir stehen?

Und die Welt lehnt sich auf! Sie protestiert, gegen das Tanzverbot an diesem Tag, gegen den „stillen Tag“. Das macht keinen Spaß. Das bringt kein Geld ein. Das gefährdet die Wirtschaft. Das ist nicht mehr zeitgemäß.
Die Welt lehnt sich auf und will sich nicht einüben in das andere Gesicht des Lebens und stürzt dann ins Haltlose, wenn das Elend sie ereilt, das, das man nicht mehr verdrängen kann und nicht mehr verstecken kann und nicht mehr wegoperieren kann.
Wie viel Leid muss dann oft alleine ertragen werden, weil mich meine Umgebung nicht ertragen kann.

Die Welt lehnt sich auf. Aber das ist nichts Neues. Das hat sie sich ja damals schon und gerufen: Kreuziget ihn! Und dann den Tod beschleunigt, damit einem das Fest, die Party nicht versaut wird.
Aber wann waren die Karfreitage schon zeitgemäß? Wann wollte der Mensch schon hinsehen, wo das Leid liegt und das Elend der Welt hängt, verhungert, verdurstet, zermürbt und ausgelaugt.

25 Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala.
Es gibt Zeiten in unserem Leben, da werden wir nicht gefragt, wo wir stehen wollen. Da ist klar, wo wir zu stehen haben. Und das Aushalten ist die Liebe.
Am Pflegebett sitzen und mitgehen, den manchmal mühsamen und langen Weg des Entschwindens.
Am Sterbebett treu bleiben, die Hand halten, die Stirn abtupfen und den schweren Atem aushalten, so wie man vorher die gemeinsamen Geburtstagsfeiern und die Grillfeste und das Lachen und Albern „ausgehalten“ hat.

Misereor – wirbt unter dem Slogan: Mut zu Taten
Mut ist, zu bleiben. Auch wenn die Schlagzeilen verschwinden.

Und Michael Becker (Werkstatt - WLP 2/2012 S. 54) spricht hier von der Liebe.
„Aushalten ist Liebe. Nicht weggehen, nicht wegschauen, keine leeren Worte sprechen, sondern besser schweigen – alles das sind Liebesdienste. Auch wenn sie klein erscheinen, sind sie dennoch groß. Auch wenn sie den Tod nicht aufhalten, zeigen sie das Einzige, was den Tod überwindet: Liebe. Große Liebe. Bei einem Sterbenden auszuhalten ist große Liebe.“
25 Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala.
Und die Liebe kehrt dabei zu uns selbst zurück, weil die Liebe den verwandelt, der liebt.
26 Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebhatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! 27 Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.

Und Paul Gerhardt weißt das und deshalb dichtet er:
6. Ich will hier bei dir stehen, verachte mich doch nicht; von dir will ich nicht gehen, wenn dir dein Herze bricht; wenn dein Haupt wird erblassen im letzten Todesstoß, alsdann will ich dich fassen in meinen Arm und Schoß.
9. Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir, wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür; wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein.
10. Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod, und laß mich sehn dein Bilde in deiner Kreuzesnot. Da will ich nach dir blicken, da will ich glaubensvoll dich fest an mein Herz drücken. Wer so stirbt, der stirbt wohl.

Wo würden wir stehen?

Der Karfreitag ist der Tag, an dem wir uns stellen, freiwillig stellen und den Dingen ins Angesicht sehen, die wir sonst gerne meiden. Und wir dürfen uns dabei getragen und gehalten wissen, von dem, dem all das nicht fremd ist, sondern der in seinem Leben gezeigt und mit seinem Leben bezeugt hat, wo er steht. Gott selbst in Christus. Was für ein gewaltiges Geschenk.
Amen.

Martin Adel: Durch Christus befreit

Karfreitag 2012 - Hebräer 9,15.26b-28

Predigttext
15 Und darum ist Christus auch der Mittler des neuen Bundes, damit durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen.
26b Nun aber, am Ende der Welt, ist er ein für allemal erschienen, durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben. 27 Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: 28 so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal wird er nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil.



Liebe Gemeinde,

wahrscheinlich haben sie es auch gelesen, vergangen Woche: Die Schachspieler in Weißenburg erbosen sich über das Nein der Kirche, dass sie an Karfreitag kein Meisterschaftsevent austragen dürfen. Und die Fürther Nachrichten titeln am Montag: Bischof als Spaßverderber? Verhandelt wird der zunehmende Protest gegen das Tanzverbot am sogenannten stillen Karfreitag. Und unser Landesbischof Bedford-Strohm findet die richtigen Worte, wenn er den Weg von Karfreitag zu Ostern beschreibt und betont, dass man die Nöte der Menschen und der Welt nicht verdrängen darf. Zitat: „Sonst ist die Gefahr groß, dass man gut drauf ist, wenn Party ist, aber völlig hilflos, wenn man vor dem Leiden steht.“

Und genau deshalb feiern wir diesen Tag. In der Dunkelheit des Todes, in unsere Schmerzen, in unseren Kummer, in unsere Nöte und Ängste hinein, mitten in unsere Karfreitage trifft uns dieses erlösende Wort Gottes:
27 Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: 28 so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal wird er nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil.

Wir sind damit gemeint: „denen, die auf ihn warten, zum Heil.“
Auch wenn es uns noch so unerklärlich und unbegreiflich ist – verdorben durch eine Nüchternheit der Welt, die den Menschen allein lässt in seiner Geworfenheit – richtet Gott sein Kreuz auf, damit das, was uns oft so unendlich bindet und einengt, uns frei geben muss – zum Heil.

Wenn wir in der Kirche die Worte Schuld und Sünde nennen, dann lehnt sich draußen die Welt auf. Sie spricht von altbacken und überholt und empört sich über die alten Zöpfe.
Aber im Umgang untereinander, da wird es dann harte Realität. Da wird bald schon unerträglich und unerbittlich nach den Schuldigen gesucht. Die Köpfe müssen rollen. Der andere muss dafür büßen und vor allem: zahlen. Gnadenlos. Im Gesundheitswesen haben die Ärzte bald mehr Angst vor den Regressforderungen, als vor dem operativen Eingriff selbst. Überall und alles muss abgesichert und versichert sein, weil man sich fürchtet, ….
Draußen in der Welt gibt es mehr, als genug Schuld – aber es gibt keine Vergebung. Was für eine gnadenlose Welt. Deshalb wir so viel vertuscht und verdreht und schön geredet … damit keiner sein Gesicht verliert, während die anderen darüber ihr Leben oder ihre Existenz verlieren.

Und ich frage mich: Wer entschuldigt uns? Wer entschuldet uns? Wie kann ich Schuld eingestehen, wenn ich nur noch die hungrige Meute vor mir sehe, die meinen Kopf fordert oder einfach nur Geld will? Jede Begegnung wird zu einem: „Ist das nicht der …? War das nicht die, die …?“

Und da geht es nicht nur um die äußeren Gerichte, sondern auch die Inneren. Während die einen über dem schuldig werden skrupellos geworden sind und es hervorragend schaffen alle Schuld auf andere abzuwälzen, sind die anderen ängstlich und kleinlaut geworden, weil sie ihre Schuld nicht ertragen können und sie immer vor Augen haben und darüber die Selbstachtung verloren haben. Und keiner ist da, der sie befreit und erlöst.

Immer wieder kommen Menschen zu uns in die Seelsorge. Diffuse Angst überfällt sie und die macht sie lebensuntüchtig, lähmt sie, begrenzt sie. Im Leistungsrad und Leistungswille, in dem man ja nichts falsch machen möchte, darf man plötzlich auch nichts mehr falsch machen und man scheitert am eigenen Anspruch. Und dann wird es eng. Sehr eng. Und dann oft auch falsch und unwahrhaftig, bis man darüber zusammenbricht.

Andere kommen mit der Schuld der anderen, die sie tief verletzt und verwundet hat. Und man sehnt sich nach dem Schuldeingeständnis des anderen, wartet auf die Entschuldigung, aber sie kommt nicht. Und diese offene Wunde blutet in uns und wir bluten darüber aus. Wer stillt diese Wunde, damit sie verheilen kann – auch wenn ich keine Entschuldigung erfahre. Denn die Macht der Wut, des Hasses und der Enttäuschung frisst auch uns selbst mit auf.

Liebe Gemeinde,
in Christus geht es nicht um eine billige Gnade, sondern um die Möglichkeit, über aller Schuld Mensch bleiben zu können, Mensch zu werden, so wie Gott sich in uns danach sehnt.

Darum hat Gott seinen Sohn geschickt,
- damit wir durch die Kraft seiner Versöhnung wieder befreit aufatmen können,
- damit wir nicht mehr auf ewig gebunden sind an unsere Vergangenheit und unsere Geschichte,
- damit normales Leben auch im Angesicht von Schuld und Versagen wieder möglich wird.

Aber wir nutzen ihn zu wenig.

Seit zweitausend Jahren ruft Gott uns in seinem Sohn dieses Wort zu und wir dürfen daraus leben:
15 Und darum ist Christus auch der Mittler des neuen Bundes, damit durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen.
Die Vergangenheit bleibt unserer Vergangenheit, aber ihre bindenden Kräfte muss sie verlieren, Stück für Stück. Manchmal ist das ein langer Prozess, doch es lohnt sich, den Weg jetzt schon zu beginnen, weil ihn Gott dann vollenden wird.
26b Nun aber, am Ende der Welt, - und wer schon einmal in seinem Leben mit Himmel und Hölle / mit Leben und Tod gerungen hat und neu beginnen durfte, der weiß, dass es dieses Ende der Welt schon jetzt geben kann und nicht erst am Ende aller Zeiten – nun aber ist er ein für allemal erschienen, durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben.
Wir sind eben nicht für immer zum Schweigen verurteilt, sondern dürfen reden von den eigenen Verfehlungen und von dem, wo uns Unrecht widerfahren ist.
27 Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: 28 so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal wird er nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil.


Wir sind die wartende Gemeinde, die bereits hier schon immer wieder schmecken und erleben darf, was dann einst von Gott vollendet werden wird: Ein Leben, das es mit dem eigenen Leben aufnimmt, mit den hellen und den dunklen Seiten, befreit von der Show und dem Schein nach außen, bejaht in seinen Grundfesten – nicht aus sich heraus ein „Passt schon.!“ sondern viel größer und mächtiger, weil Gott der Schöpfer es so gewollt hat und es uns dort auf Golgatha so sichtbar vor Augen stellt: Es ist vollbracht.

Amen