20130131

Martin Adel: Mit Sündern und Zöllnern am Tisch

27.01.2013 - Septuagesimä
Matthäus 9, 9-13


Schlechter Umgang färbt ab.

Liebe Gemeinde,

Schlechter Umgang färbt ab.
In meiner Jugend hörte ich oft den Song von Manfred Degenhardt: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder. Geh nicht in die Oberstadt, machs wie deine Brüder.
Färbt schlechter Umgang ab?
Bei den Kindern könnte man das ja noch verstehen. Aber gilt das bei uns Erwachsenen auch noch. Sind wir wirklich so labil, dass wir nur noch den Umgang mit Unseresgleichen aushalten?

Ich weiß nicht, ob sie es mitverfolgt haben, aber der Politiker Horst Arnold aus unserer Südstadt wurde letzten Herbst von seiner Partei zunächst nicht mehr nominiert für die Landtagswahl, weil er ein massives Alkoholproblem hatte. Doch die Familie und die Freunde haben sich nicht zurückgezogen und er nahm diesen Warnschuss zum Anlass für eine „therapeutische Behandlung.“ Er hat hart an sich gearbeitet und nun, 4 Monate nach seiner „Alkohol-Beichte“ entschuldigte er sich bei seinen Genossen, wurde wieder nominiert und wird im Herbst als Direktkandidat der Fürther SPD um den Einzug ins Münchner Maximilianeum kämpfen. (FN 21.01.2013)
Die zweite Chance! Hut ab vor dieser mutigen und verantwortungsvollen Entscheidung der Gremien. Und das Risiko ist groß: Die Meute wartet schon auf das Scheitern.
Und selbst, wenn wir wohlgesonnen sind, tauchen die Fragen auch in uns auf: Kann man ihm vertrauen? Kann man sich auf ihn verlassen? Eine letzte Chance! Wie viele Chancen bekommt einer?
Wir sind ja nicht blöd. Wir sind skeptisch. Immer skeptisch. Und Beispiele finden wir auch viele, wo eine Lebensveränderung nicht gelungen ist.

Aber, liebe Gemeinde, aber ist das unser Auftrag?
Misstrauisch sein? Skeptisch sein? ….

Wenn wir den Predigttext für den heutigen Sonntag ansehen, dann zeigt er uns einen anderen Blick.
Und der Blick ist nicht dumm oder blind, sondern er ist getragen von der großen Fürsorge und Barmherzigkeit Gottes und seinem Blick für den gescheiterten Menschen und seine „zweite Chance“.
Und wenn wir ehrlich sind, dann sitzen hier etliche unter uns mit ihrer „zweiten Chance“ – und ich zähle mich mit dazu.

Predigttext

9 Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm.
10 Und es begab sich, als er zu Tisch saß im Hause, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern. 11 Als das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern? 12 Als das Jesus hörte, sprach er: Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. 13 Geht aber hin und lernt, was das heißt (Hosea 6,6): »Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.« Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.


Bei den Sündern und Zöllnern sitzt er, bei denen, die den letzten Cent aus den Leuten herausgeholt haben, gnadenlos. Und der Protest ist groß!
Berechtigt!
Mit solchen Leuten umgibt man sich nicht. Das färbt ab. Die nutzen einen eh nur aus für die eigenen Zwecke. Die führen einen anständigen Menschen doch eh nur vor oder lachen ihn aus mit seinem Idealismus und seiner gutmütigen Art.
Mit Zöllnern und Sündern …
Das gehört sich nicht. Soll er sich lieber mit den Anständigen beschäftigen; da ist auch genug Not und Elend und Hilfe von Nöten. Da sollte er sich mal lieber zeigen.
Und dann kehrt er ausgerechnet bei diesem Zachäus ein, dem größten Halsabschneider in der Stadt.

Warum macht Jesus das?

Ganz einfach. Damit bei denen zumindest ein Anständiger am Tisch sitzt und dafür einsteht, dass es auch noch andere Meinungen und Werte gibt, als die, nach denen sie leben.

Nicht als Moralapostel – die kann keiner ausstehen; auch wir nicht. Aber als Gegen-Zeichen, dass es auch anders geht.
Und uns wurmt es bis heute, dass er nicht bei uns sitzt, den Anständigen, sondern bei denen.
Und so gibt es in unseren Gemeinden auch eher oft ein Vereinsdenken, wo man unter sich ist. Aber in so einem Klima kommt keine Offenheit auf. Und ich glaube, ich sage auch nichts Neues, dass sich in unseren Kirchen eher die Anständigen sammeln, als die Sünder und Zöllner.
Und ich meine jetzt nicht, dass wir doch alle irgendwie Sünder sind, sondern die offensichtlichen Sünder, da, wo man mit dem Finger hinzeigt, entweder direkt oder danach. Die finden bei uns keinen Platz.
Wir sind bürgerliche Gemeinden – das ist ja erst einmal nichts Schlechtes. Aber was passiert, wenn auch noch die Dippelbruder kämen, mit Fahne und ungewaschen und sich in unsere Bank setzen würde, die Betrüger, die Ehebrecher, die Schulabbrecher, die Versager …
Und dann wird gerichtet: Die wollen zum AM gehen? Der soll erst einmal vor seiner eigenen Tür kehren. Also, dass die sich hierher trauen.

Aber wie soll man sich denn verändern, wenn man keine Beispiele um sich hat, für die es sich lohnt, sich zu ändern. Wenn man keinen Platz hat, wo man hingehen kann – vorher und nachher, weil man den Ort als guten Ort erlebt hat.

In erinnerte mich bei der Vorbereitung an einen Konfirmanden, den wir nach allem Mühen von der Konfirmation ausgeschlossen hatten. Und dann sitzt er dann bei der Konfirmation plötzlich hinten in der Bank. Und ich denke noch: Der wird doch keine Randale mache. Doch alles geht gut und zwei Wochen später treffe ich ihn. Und er senkt den Blick, weil er sich etwas geniert, da er sich immer so aufgeführt hatte. Aber es hatte die Freundin von ihm konfirmiert und die wollte er begleiten. Ihm war sein Verhalten von damals peinlich, aber ich hatte mich gefreut, dass er gekommen war. Ich hatte das Gefühl, dass wir ihm im Konfi-Unterricht vermitteln konnten, dass er in der Kirche dennoch gerne willkommen ist.
Und es ist dann nicht immer gleich die Lebensveränderung angesagt, wie bei diesem Zöllner Matthäus oder bei Zachäus, der dann mitgeht und deren Leben sich völlig verändert. Das ist natürlich unsere Hoffnung, aber das sind die großen Ausnahmen, die wir nicht verhindern wollen, doch anbahnen können wir sie nur, wenn wir offen sind für die Begegnung mit dem anderen, ohne immer gleich zu wissen, was daraus werden wird.

Jesus predigt hier keine „Moral", sondern er zeigt uns, wo wir gebraucht werden: bei den Sündern – und das geht quer durch alle Schichten: Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken.
Das ist sein Ansatz.
Und wir gehen auch nur zu dem Arzt, bei dem wir vermuten, dass wir „gerne" gesehen sind, der uns ein Ort der Für-Sorge ist und nicht der Anklage. Ein Arzt des Vertrauens, der uns mit auf den Weg nimmt hin zu einem gesünderen Zustand. Keine Moral, sondern ein Verstehen und eine Hilfe.
Der Sünder weiß – auch wir wissen, wo wir Sünder sind – der Sünder weiß, dass er Sünder ist, doch er braucht keinen Ort der Anklage, sondern einen Ort der Fürsorge, der es ihm ermöglicht, sein Leben zu überdenken und Stückchen für Stückchen zu verändern …. Menschen, für die es sich lohnt, sein Leben noch einmal neu zu bewerten.
Und deshalb sagt Jesus hier:
»Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.« Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.

Wir müssen keine Angst haben, dass es abfärbt. In Christus sind wir stark genug. Und wir müssen ja nicht selbst zu Sündern und Zöllner werden, aber wir können mutig hinsehen und hingehen zu den Schwachen, zu denen, die uns brauchen. Und bereit sein, wenn es so weit ist. Und eines ist auch sicher: Wir können oftmals nicht abschätzen, welchen Nutzen es haben wird.

Vielleicht sind wir einmal stolz darauf, dass wir mit den Sündern und Zöllnern an einem Tisch sitzen, weil Christus uns den Sinn geöffnet hat für sein Reich, das Reich Gottes.
Amen

20130123

Martin Adel: Weihnachten ist kein Spiel

24.12.2012 - Heiliger Abend
Christmette
Hesekiel 37,24-28

Liebe Gemeinde,
Weihnachten ist kein Spiel. Wenn Weihnachten zum Spiel wird, dann sitzen wir spätestens jetzt gefrustet zu Hause, weil das Geschenk falsch war oder das Essen nicht gepasst hat oder alle nur rumgenörgelt haben oder der Pate sein Patenkind wieder vergessen hat oder weil einen der Krampf des Familienidylls eh schon immer aufregt.
Wenn Weihnachten ein Spiel ist, dann ist das das Ergebnis.
Aber: Weihnachten ist kein Spiel, sondern Weihnachten ist die Realität Gottes, der in unsere Welt kommt und all das markiert, was nicht in Ordnung ist.
Die Christnacht ist der Protest Gottes über die Gebrochenheit der Welt und ihre Brutalität und ihre Zerstörungswut. Und deshalb gehört zu Weihnachten auch ein Erschrecken über den Amoklauf an der amerikanischen Grundschule und der Ärger über unser Land, dass wir uns trotz der Erfahrungen aus dem zweiten Weltkrieg schon wieder zum drittgrößten Waffenexporteur der Welt gemausert haben. Und Weihnachten ist auch das erschaudern über eigene Schuld und eigenes Versagen und den Trümmerhaufen meiner Existenz oder meiner Familie.
Weihnachten ist kein Spiel, sondern der starke Halt Gottes, um es mit der Realität überhaupt immer wieder aufnehmen zu können.
Denn Weihnachten ist das Zeichen Gottes für eine andere Welt. Also hat Gott die Welt geliebt …. Und nicht der Mensch hat es sich ausgedacht, sondern Gott hat sich uns eingepflockt und sich mit uns auf immer verbunden, dort in Bethlehem, im Stall und dann auf Golgotha versiegelt.

Hes 37,24-28
24 Und mein Knecht David soll ihr König sein und der einzige Hirte für sie alle. Und sie sollen wandeln in meinen Rechten und meine Gebote halten und danach tun.
25 Und sie sollen wieder in dem Lande wohnen, das ich meinem Knecht Jakob gegeben habe, in dem eure Väter gewohnt haben. Sie und ihre Kinder und Kindeskinder sollen darin wohnen für immer, und mein Knecht David soll für immer ihr Fürst sein. 26 Und ich will mit ihnen einen Bund des Friedens schließen, der soll ein ewiger Bund mit ihnen sein. Und ich will sie erhalten und mehren, und mein Heiligtum soll unter ihnen sein für immer.
27 Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein, 28 damit auch die Heiden erfahren, dass ich der HERR bin, der Israel heilig macht, wenn mein Heiligtum für immer unter ihnen sein wird.


Und wir können uns sicher sein: Das wollten damals genauso wenige wie heute. Christus, der Gesalbte, der Immanuel – der Gott mit uns. In einem dreckigen Stall. Gott wird Mensch. Da kann man ja nur lachen.
Und deshalb hören wir es auch schon draußen wieder grölen und in den Kneipen sind die Tresen bereits bestens gefüllt und es wird nur noch eine Frage der Zeit sein, bis die stillen Tage dem Druck der Öffentlichkeit weichen müssen, damit die Dauerberieselungsparty lückenlos weiter gehen kann.
Manche sagen: Die sind zu mindestens ehrlich. Ich finde das eine traurige Ehrlichkeit.
Ein Schüler meiner 12 Klasse an der Fachoberschule sagte diese Woche im Unterricht: Letztes Jahr sind wir um 20 Uhr dann los gezogen und zu einer LAN-Party gegangen. Zuhause war ja eh nichts mehr los.
Das ist die Realität, wenn Weihnachten zum Spiel wird. Dann schaut jeder nur noch, wie er diese sinnentleerten Tage schnell herum bringt, damit es endlich wieder normal weitergehen kann.

Wir hatten in diesem Dezember neben den erfreulichen Ereignissen wie der Einführung des neuen Kirchenvorstands oder Einweihung des neuen Gemeindehauses auch noch 12 Beerdigungen und es war viel Versäumtes und Zerstörtes dabei, egal ob nun durch Alkohol oder Geldgier, Boshaftigkeit oder Verbitterung.
Darum drehen ja in der Vorbereitung auf das Weihnachtsfest so viele Leute durch, weil wir uns in der Vorbereitung „auf das Heil der Welt“ bewusst werden, wie vieles in unserem Leben nicht heil ist.
Und deshalb ist es so segensreich, dass Weihnachten kein Spiel ist, sondern Gott ernst macht und in unsere unheile Welt kommt, damit wir Frieden finden in einer unfriedlichen Welt.
An Weihnachten merken wir immer wieder, dass wir alleine die Welt in ihrer Zerrissenheit und in ihrem Unfrieden nicht ertragen können und uns oftmals auch nicht am eigenen Schopf aus diesem Elend heraus ziehen können. Deshalb brauchen wir einen viel stärkeren an unserer Seite, diesen Christus, den Immanuel, den Gott mit uns, damit wir aus seinem Frieden schöpfen können und daraus immer wieder zum Frieden in uns und für die Welt zurück finden.
Liebe Gemeinde,
das ist die immerwährende Wahrheit und das wahre Geschenk Gottes an uns zu Weihnachten, dass wir uns neben allem Feiern unterm Weihnachtsbaum und an der Krippe vergewissern dürfen, was Gott mit uns vorhat:
24 Und mein Knecht David soll ihr König sein und der einzige Hirte für sie alle. Und sie sollen wandeln in meinen Rechten und meine Gebote halten und danach tun.
… 26 Und ich will mit ihnen einen Bund des Friedens schließen, der soll ein ewiger Bund mit ihnen sein. Und ich will sie erhalten und mehren, und mein Heiligtum soll unter ihnen sein für immer. 27 Ich will unter ihnen wohnen und will ihr Gott sein und sie sollen mein Volk sein


Die LAN-Party ist keine Alternative – sie ist auch nur eine andere Spiel-Form der Verdrängung und ein Versuch, sich in sein vertrautes Schneckenhaus zurück zu ziehen, wo man es sich gemütlich eingerichtet hat.
Aber das spürte anscheinend auch mein Schüler, weil er weiter sagte: Aber das war böse. Ziemlich böse. Und wir haben heuer beschlossen, dass wir in diesem Jahr wieder etwas als Familie gemeinsam machen.
Amen

Martin Adel: Einweihung Gemeindehaus

Sonntag 16.12.2012 - 3. Advent

Predigt – Teil 1: Dialog mit der Handpuppen (Christian + Vera)

Einweihung Gemeindehaus St. Paul - Anspiel
Material: 2 Handpuppen (Junge ca. 7 Jahre alt, Mädchen ca. 10 Jahre alt)
Spieler: Christian Krause und Vera Ostermayer

Junge und Mädchen schauen sich mit aufgerissenem Mund um
J: Ist das cool
M: Ist das ne` Kirche
J: Wieso?
M: Na, ganz schön groß – und da oben sitzen Leute auf dem Balkon.
J: Ne, ne Kirche ist das nicht. Am Eingang steht G E M E I N D E H A U S.
Aber was denn das?
M: Na, halt ein Haus für die Gemeinde!
J: Und wer ist das: Gemeinde?
M: Weiß ich nicht genau. Aber da sind ja genügen, die man fragen kann.
J: Ich frag mal. Junge geht herum und fragt die Leute
M: Also, die Gemeinde das sind die Leute, die da in der Gegend wohnen oder die gerne hier wohnen würden – und die an Jesus glauben.
J: Dann gehör`n wir auch dazu. Ich ziehe hier ein!
M: Ich glaube, man soll schon zuhause wohnen bleiben. Aber man kann sich hier treffen.
J: Und was macht man dann da so?
M: Naja, Gottesdienst feiern kann man hier. Ist nicht so kalt, wie in der Kirche. Und was besprechen. Und was basteln. Da war’n doch vorhin Leute, die sich vorgestellt haben. Die wollen hierher kommen.
J: Du meinst, die Oma trifft sich hier auch?
M: Na klar.
J: Und Mama und Papa auch?
M: Warum nicht?
J: Junge macht ein Knautschgesicht
M: Was hast du denn?
J: Ich will mich hier auch treffen – aber nicht mit Oma oder Mama und Papa!
M: Da musst du mit der Steffi reden. Du kannst dich doch hier an einem anderen Tag treffen.
J: Junge überlegt, kratzt sich am Kopf.
Aber warum trifft man sich dann hier?
M: Da unten am Aufzug steht auf dem Stein „Christus der Grund“
J: Du meinst, die haben das ganze Haus auf den drauf gebaut?
Hält der das aus? oder Geht so was? oder Dann ist er aber ganz schön platt!
M: Ne, ich glaube das ist anders gemeint. Der ist schuld, dass sich die Leute hier treffen wollen.
J: Mhhh. Kratzt sich am Kopf
Naja scheint was dran zu sein. Sind ja heute ganz schön viele Leute da!


Predigt – Teil 2: Jes 40,1-8.9-11 (Martin)

Predigt: Jes 40,1-8 (9-11)
Wochenspruch: Bereitet dem Herrn den Weg, denn siehe, er kommt gewaltig. Jes 40,3.10

40 1 Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott.
2 Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des HERRN für alle ihre Sünden.
3 Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! 4 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden; 5 denn die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des HERRN Mund hat's geredet.
6 Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. 7 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk! 8 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt, aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.
9 Zion, du Freudenbotin, steig auf einen hohen Berg; Jerusalem, du Freudenbotin, erhebe deine Stimme mit Macht; erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott; 10 siehe, da ist Gott der HERR! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen. Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her.
11 Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen.


Liebe Gemeinde,
wie oft kann man in einer Gemeinde so ein Fest feiern. Die Einweihung eines neuen Gemeindehauses.
Erinnerungen: 1965?
Und was ist so ein Gemeindehaus für ein Segen. Sie sehen mich nicht nur erschöpft und die Kollegen auch, sondern sie sehen uns auch voller tiefer Dankbarkeit, dass dieser Tag gekommen ist. (Altar, Kreuz, Klavier, Spendenstand …)
Wir haben überlegt, welches geistliche Worte wir für den heutigen Tag nehmen sollen und sind dann zum Schluss gekommen, dass es der für diesen Sonntag, den 3. Advent verordnete Predigttext sein soll – einen Adventstext aus alter Zeit. Nicht so leichtfüßig, wie die zwei vorhin gespielt haben, aber genauso weitreichend und grundlegend, vom Grund aus gedacht.

Und dann geht es los im Buch des Propheten Jesaja, im 40 Kapitel:
40 1 Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott.
2 Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist; denn sie hat doppelte Strafe empfangen von der Hand des HERRN für alle ihre Sünden.


Ja, getröstet mussten wir werden, nach den vielen Jahren des Ringens und Hin- und Herüberlegens und des Stillstands und des Kräftetraubs.
Und wir sind getröstet worden.
Es ist eine Gnade, was wir heute übergeben bekommen. Ein Trost – Gottes Trost. Wissen wir das? Denn die Knechtschaft hat ein Ende. Ja, auch unsere Knechtschaft, gefangen im Gezänk und im Streit der Gruppen und Kreise, wo einer mit dem anderen nichts anfangen kann und bezweifelt, ob er richtig glaubt oder dazu gehört. Und wir haben uns gegenseitig blockiert und erschöpft. Bis heute haben wir uns nur schwer davon erholt und viele haben wir darüber verloren. Doch diese Zeit ist vorbei.

40 1 Tröstet, tröstet mein Volk!, spricht euer Gott.
2 Redet mit Jerusalem freundlich und predigt ihr, dass ihre Knechtschaft ein Ende hat, dass ihre Schuld vergeben ist.


Das ist eine Zusage Gottes an uns alle. Und dieses Haus ist in meinen Augen ein Versöhnungszeichen. So wie wir es vorhin gesungen haben:
Es gibt Versöhnung selbst für Feinde und echten Frieden nach dem Streit,
Vergebung für die schlimmsten Sünden, ein neuer Anfang jederzeit.
Es gibt ein ewges Reich des Friedens. In unsrer Mitte lebt es schon: ein Stück vom Himmel hier auf Erden in Jesus Christus, Gottes Sohn.
Das Alte haben wir damals schon abgelegt, im März 2009 auf der Kirchenvorstandsfreizeit in Bad Alexandersbad, nicht 1000 Wenn und Abers oder Wenn die hier, dann wir dort und Fragen über Fragen, sondern mit zwei Fragen sind wir hingefahren:
Wollen wir ein neues Gemeindehaus?
Wo soll es stehen?
Und eines war damals klar, all unser Überlegen – egal, wo er sich dazu zählte - gründete auf dem tiefen Glauben, dass es sich lohn, sich für Gottes Gemeinde zu mühen und ein Haus für Jung und Alt, für Einheimisch und Fremde zu bauen.
Und es sollte am Paulsplatz stehen – die Paulskirche, unsere gemeinsame und sichtbare Mitte. „Christus der Grund“ – so wie es auf der Grundsteinplatte unten im EG steht.

Und was dann danach kam, das entspricht schon fast dem, was Jesaja sagt:
3 Es ruft eine Stimme: In der Wüste bereitet dem HERRN den Weg, macht in der Steppe eine ebene Bahn unserm Gott! 4 Alle Täler sollen erhöht werden, und alle Berge und Hügel sollen erniedrigt werden, und was uneben ist, soll gerade, und was hügelig ist, soll eben werden;

Das ist ja nichts anderes als eine riesige Baustelle. Der verwilderte Pfarrgarten – diese grüne Wüste wurde damals zu unserem Einzug hergerichtet und auch, wenn wir alle im Pfarrhaus die Gärten nur sehr ungern aufgegeben haben, war das Ziel dahinter wichtiger. Ein neuer Anfang für die Gemeinde, hier am Paulsplatz.
Und dann wurde geplant und überlegt, ein Architektenwettbewerb im Juli 2010 – da hatten wir das alte Gemeindehaus bereits verkauft. So mutig waren wir – was wäre gewesen, wenn es nicht geklappt hätte?
Für manches gibt es keine Sicherheiten. Für manches braucht es neben dem kühlen Verstand zunächst nur den Mut und das Vertrauen, dass es werden wird.
Gott-Vertrauen.
Und dann rollten die Bagger im Sommer 2011 - die Bodenproben des Sprengkommandos - und alles Unebene wurde gerade gemacht – für das Fundament!
Und mit der Entscheidung für das Architekturbüro Bernhard Heid war eines auch gesichter, von Anfang an: Es sollte ein „geistliches“ Haus werden – Winterkirche, das Herzstück des Entwurfes war dieser Saal – als multifunktionaler Raum, aber immer auch als sakraler Raum, die Lichtkuppel, die „Altarwand“, die Empore, die hohen „gotischen“ Fenster.

5 Denn die Herrlichkeit des HERRN soll offenbart werden, und alles Fleisch miteinander wird es sehen; denn des HERRN Mund hat's geredet.
Oben ein leichtes Kreuz in der Kuppel des Lichtgrabens und auf der hohen Sandsteinrückwand ein dezentes Kreuz-Relief in Sandstein.
Ein Haus zum Feiern und Beten!
Das sollte es sein. Und so ist es geworden.

Und zwischendurch überkommen den einen oder anderen dann auf der Strecke ganz andere Stimmungen. Der Zweifel, das Zagen, ist es richtig, machen wir es richtig.
Man möge bedenken: Wir haben verkauft, bevor wir überhaupt wussten, was wir bauen werden, ob Baugenehmigung, geschweige denn die Finanzierung.

6 Es spricht eine Stimme: Predige!, und ich sprach: Was soll ich predigen? Alles Fleisch ist Gras, und alle seine Güte ist wie eine Blume auf dem Felde. 7 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt; denn des HERRN Odem bläst darein. Ja, Gras ist das Volk! 8 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt.
Das sind die depressiven Phasen, wenn übers viele Geld lamentiert wird oder dann über die Fassade, die nie halten wird und den Sichtbeton und die Trennwand und überhaupt …

Und manchmal übersteigt es die Kräfte und man wird laut oder unsicher. Und dann muss man wieder innehalten und beten und fragen: Was gilt? Was trägt? Lohnt es sich? Kann es gelingen? Stimmt Gottes Wort – tröstet, tröstet mein Volk oder wie er hier heißt:
Ja, Gras ist das Volk! 8 Das Gras verdorrt, die Blume verwelkt – doch dieses Wort geht weiter: aber das Wort unseres Gottes bleibt ewiglich.
Keine Traumtänzereien, aber das Gefühl, die innere Gewissheit: Das ist der richtige Weg. (OB, Stadtbaurat Krause kennen das!) Und wir hatten starke Verbündete, Menschen, Institutionen, die an uns glaubten, dass wir das schaffen, dass wir das gemeinsam schaffen, dass man uns hier unterstützen muss für unsere Zukunft als Gemeinde. Dr. Hübner, Klaus Klemm, GKV, Dekane – Höchstädter und Sichelstiel, Stadtbaurat Krause, OB Jung ..

Und nun ist es geworden. Schauen Sie sich um.
Und es liegt an uns, was wir daraus machen und dass wir es umsetzen, was da vorhin gespielt und gesagt wurde – wozu eine Gemeinde ein Gemeindehaus braucht.
Und so heißt es weiter:
9 Zion, du Freudenbotin, steig auf einen hohen Berg; Jerusalem, du Freudenbotin, erhebe deine Stimme mit Macht; erhebe sie und fürchte dich nicht! Sage den Städten Judas: Siehe, da ist euer Gott; 10 siehe, da ist Gott der HERR! Er kommt gewaltig, und sein Arm wird herrschen. Siehe, was er gewann, ist bei ihm, und was er sich erwarb, geht vor ihm her.
11 Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen.


Lassen sie uns dieses Haus mit Leben erfüllen, weil Gott ein Gott des Lebens ist, immer egal, ob es um Tauffeiern oder das Tränenbrot geht. Die Tafel, die Armenspeisung ist das eine, der Unterricht, die Unterweisung, das Lernen und Nachsinnen über Gottes Wort – nicht nur für die Jungen, ist das andere.
Die Gemeinschaft pflegen, die Einsamkeiten aufbrechen, den Nächsten hier und in der Ferne im Blick haben.
Weil Gottes Wort gilt – auch für uns und über uns:
11 Er wird seine Herde weiden wie ein Hirte. Er wird die Lämmer in seinen Arm sammeln und im Bausch seines Gewandes tragen und die Mutterschafe führen.
Das sollen wir uns wünschen, damit wir ein leuchtender Ort sind und noch mehr werden, nicht nur für uns als Gemeinde, sondern für die ganze Südstadt.
Die Steine, bzw. der Stahlbeton allein ist´s nicht, aber mit und in den Steinen können wir das Leben, wozu wir berufen sind.
Und deshalb singen wir:
Nun jauchzet, all ihr Frommen, zu dieser Gnadenzeit.
Amen.