20131015

Martin Adel: Debora - Recht und Gerechtigkeit

13.10.2013 - 20. Sonntag nach Trinitatis
Gottesdienst mit Musikbeispielen aus dem "Oratorium Debora" von Dorothea Hofmann und Michael Herrschel

Predigt Teil 1
1. Gerichtstag

Gerichtstag ist. Die Leute strömen. Sie kommen zur Debora-Palme, wie es bei uns manchmal noch im Land „Richter-Linden“ oder „Richter-Eichen“ gibt.
Sie kommen zu Debora – einer Frau aus dem Alten Testament, aus der Zeit, als Israel noch kein fester Staat ist und keinen eigenen König hat. Wir nennen es die vorstaatliche Zeit – es ist die Zeit der Richter und die 12 Stämme Israels wohnen zwischen den anderen Völkern.
Und wie ganz selbstverständlich, wird in dieser männerbestimmten Zeit, eine Frau genannt, eine Frau, die das höchste öffentliche Amt innehat. Debora. Und diese Debora, verheiratet mit dem Lappidot, sie ist nicht nur Richterin, sondern gleichzeitig auch Prophetin, ein Mensch also, dem ein ganz besonderer Kontakt zu Gott zugeschrieben wird.

Wie haben wir es gehört im Rezitativ:
Stimme: Auf, macht euch auf!
Stimme: Den steinigen Pfad entlang, hinauf in den glühend heißen Tag, den Tag des Gerichts.
Stimme: Stark ist sie, wie ein Fels! Dwora! Hilf uns du! Deine Worte sind Leben. Dwora!
Stimme: Da sitzt sie unter einem Palmenbaum: Debora, die Richterin des Volkes Israel. Und alle Leute strömen herbei, alle bringen sie ihre Klagen vor sie. Wild reden sie durcheinander. Alle wollen sie nur eines: Gerechtigkeit!

Es ist ein öffentliches Geschehen, dieses zu Gericht sitzen unter der Palme, weil das Unrecht sichtbar werden muss und der Sieg der Gerechtigkeit darüber stehen soll. Öffentlich sichtbar und hörbar.

Vgl. Limburger Bischof – im Verborgenen wurden die Gelder für den Prunk ausgegeben und jetzt wird es offenbar, kommt ans Licht, damit es bewertet werden kann. Und der Schaden ist groß.

Das ist Transparenz. Worauf kann ich mich verlassen! Die Gerechtigkeit ist ein hohes Gut! Gemunkle und krumme Geschäfte passieren im Verborgenen.
Und die Frage ist, wissen wir das auch heute noch zu schätzen in unserem Land. Diese Öffentlichkeit im Rechtsstaat. Und auch, wenn wir manchmal murren und bezweifeln, ob das Strafmaß immer passt und ob z.B. die Steuer-Schlupflöcher nicht zu groß sind und sich die Bestverdiener sich zu leicht aus der sozialen Verantwortung ziehen können, trotz manchem Murren ist es ein Segen, dass wir ein Rechtsstaat sind und der Staat seine Bürger schützt, auch vor sich selbst.
Es herrscht eben keine Selbstjustiz, die meistens Lynchjustiz wird. Keine ideologische Justiz, wie im Faschismus oder in der DDR, die Unrecht zum Recht erklärt und dann Eigentum stiehlt und Zwangsumsiedlungen rechtfertigt.

Gerichtstag ist, um der Gerechtigkeit willen. Was für eine Freude. Deine Worte sind Leben.
Und weil die Gerechtigkeit unter uns Menschen oftmals nur Stückwerk bleibt, parteilich eben, weil uns selbst ja die Jacke näher ist als die Hose, deshalb bitten wir Gott um seine Gerechtigkeit, um danach zu handeln.

Predigt Teil 2
Nun hören wir einen Ausschnitt aus dem zweiten Teil des Debora-Oratoriums.
Die Stämme Israels leben unterdrückt. Sie stehen unter der Knute des König Jabin von Kanaan. Und sein Feldherr Sisera wacht mit eiserner Hand, damit das auch so bleibt.

Zwanzig Jahre lang dauert diese Unterdrückung an, bis Debora den Auftrag bekommt, den Israeliten Barak zu beauftragen, sich ein Heer zu sammeln und gegen Sisera in den Krieg zu ziehen und die Unterdrückung zu beenden.

Bei dieser Beauftragung setzt unser Oratoriumsauszug ein. Doch Michael Herrschel, der die Texte komponierte, verändert die Blickrichtung. Der anscheinend notwendige, der gerechte Krieg wird hinterfragt. Den selbstgefälligen Kriegstreibern – auch unserer Tage - wird der Spiegel vorgehalten, weil Krieg immer auch Krieg gebiert und sehr schnell das Recht und die Gerechtigkeit missachtet werden für die gute Sache.
Das ist das Dilemma des Krieges, wir bekommen es bis heute täglich vor Augen geführt – ob in Afghanistan oder in Syrien, ob im Irak und in vielen Ländern Afrikas.

Lied-Vortrag
2. Teil: Debora + Barak – (Orgel+Gesang/Rezitation)
Orgel: II. Bild, Nr. 1 (Fanfare 2), Takt 1
Stimme: Barak, der Feldherr.
Orgel: II. Bild, Nr. 1, Takt 2
Stimme: Er steht vor Debora.
Orgel: II. Bild, Nr. 1, Takt 5
Stimme: Er fordert den Krieg.
Orgel: II. Bild, Nr. 1, Takt 6
Stimme: Den Krieg gegen Kanaan.
Orgel: II. Bild, Nr. 1, Takt 7-9
Stimme: Debora sagt: Aber wir sind versammelt für das Gericht.
Barak sagt: Wir sind versammelt für den Krieg!
Debora sagt: Ich wahre das Recht.
Barak sagt: Dein Volk will den Krieg.
Debora sagt: Das Recht ist von Gott!
Barak sagt: Der Krieg ist von Gott!
Debora spürt einen Schmerz in ihrer Brust. Sie sieht ihr hungerndes Volk, das nach den Waffen greift.
Barak reitet voraus und ruft laut: Wir ziehen den Feinden entgegen!
Debora ruft ihm nach: Gib acht, Barak. An der Spitze der Feinde reitet Sisera. Erkennst du sein Gesicht?
Da erschrickt Barak, denn in dem fremden Gesicht, im Gesicht des Feindes erkennt er sich selbst.
Orgel: II. Bild, Nr. 4 (Das Heer), Takt 29-95 (incl. Streichertriller)
Stimme (gesungen = Barak): Mein Spiegelbild! Wer ist das? Ich reite auf mich selber zu.
Stimme (gesprochen): Debora fragt: Bist du noch Barak? Und Barak antwortet:
Stimme (gesungen = Barak): Nein – Sisra bin ich, der Feldherr von Kanaan, und reite gegen Israel.
Stimme (gesprochen): Bist du noch Barak? Gott schuf alle gleich.
Stimme (gesungen = Barak): Nein! – Barak bin ich. Nein – Sisra bin ich.
Stimme (gesprochen): Gott schuf alle gleich. Ihr seid seine Kinder.
Stimme (gesungen = Barak): Nein! Nein!

Predigt – Teil 3
Wenn der Mensch sich gegen den Menschen stellt ist der Weg zur Brutalität der Vergeltung nicht mehr weit.
Immer wieder erleben wir es, dass durch die Abwertung des Anderen das Feld bereitet wird, um sich an ihm zu vergreifen. Der Afrikaner war der dumme Neger, den man nach eigener Willkür ausbeuten konnte. Der Indianer der Wilde – um ihm das Land zu rauben. Der Jude wird zum Untermenschen erklärt – um sich schamlos an ihm zu bereichern und ihn zu vernichten. Der Italiener war der Spaghetti-Fresser, den man zum Arbeiten gut gebrauchen konnte, aber man wollte ihn nicht zum Leben als Nachbarn.
Immer wieder das gleiche Schema:
Die Abwertung des anderen, um sich an ihm zu vergreifen. Der Untermensch, der minderwertige Mensch, um selbst der Übermensch, der bessere Mensch zu sein.

Doch Christus spricht nicht vom Anderen. Er spricht vom Nächsten!
Liebe deinen Nächsten wie dich selbst.
Er lebt und predigt die Versöhnung, während die anderen seine Kreuzigung vorbereiten.
Sein Gebot ist die Liebe, um den Hass zu überwinden.
Er integriert, während die anderen spalten.
Selig sind die geistlich Armen; denn ihnen gehört das Reich Gottes.
Selig sind, die hungern und dürsten nach Gerechtigkeit; denn sie werden gesättigt werden.
Selig sind, die um der Gerechtigkeit willen verfolgt werden; denn ihrer ist das Reich der Himmel.

Jesus provoziert mit seinen Worten: Überwindet das Böse mit Gutem. Nicht mehr Auge um Auge gilt oder Zahn um Zahn. Das Rad der Vergeltung ist zerbrochen.
Das Alte Testament weiß von der Gerechtigkeit – ein hohes Gut. Doch Christus überhöht und verbindet es mit der Barmherzigkeit, wenn er z.B. von der Feindesliebe spricht:
43 Ihr habt gehört, dass gesagt ist: »Du sollst deinen Nächsten lieben« (3.Mose 19,18) und deinen Feind hassen. 44 Ich aber sage euch: Liebt eure Feinde und bittet für die, die euch verfolgen, 45 damit ihr Kinder seid eures Vaters im Himmel. Denn er lässt seine Sonne aufgehen über Böse und Gute und lässt regnen über Gerechte und Ungerechte.
46 Denn wenn ihr liebt, die euch lieben, was werdet ihr für Lohn haben? Tun nicht dasselbe auch die Zöllner? 47 Und wenn ihr nur zu euren Brüdern freundlich seid, was tut ihr Besonderes? Tun nicht dasselbe auch die Heiden? 48 Darum sollt ihr vollkommen sein, wie euer Vater im Himmel vollkommen ist.

Das ist und bleibt der Auftrag seiner Kirche in der Welt.
Nach den schrecklichen Verlusten des zweiten Weltkriegs ist es uns Europäern erstmals gelungen, die gegenseitigen Verletzungen und Ungerechtigkeiten nicht mit Vergeltung zu beantworten, sondern in einen Prozess der Versöhnung und des Friedens zu treten.
Gott sei Dank.
Und die friedliche Wiedervereinigung – bei allen Verletzungen und Ungerechtigkeiten, die im Vereinigungsprozess auch entstanden sind – bleibt ein großartiges Geschenk.
Und wir Deutschen werden NOCH auf der Welt dafür geachtet, dass wir dem Verhandeln mehr zutrauen als dem Draufhauen.

Gott schuf alle gleich. Ihr seid seine Kinder.

Im Buch der Richter zieht Barak in den Krieg und siegt. Der Feldherr der Kanaanäer wird auf der Flucht von einer Frau erschlagen.
Mit dem Deboralied – einem der ältesten poetischen Stücke im Alten Testament - endet dann der Bericht über die Richterin und Prophetin Debora mit den Worten:
Debora-Lied: Ri 5,31 So sollen umkommen, HERR, alle deine Feinde! Die ihn aber lieb haben sollen sein, wie die Sonne aufgeht in ihrer Pracht! Und das Land hatte Ruhe vierzig Jahre.

In unserem Oratorium kommt dann aber noch einmal die andere Sichtweise zum Tragen, gehalten von dem Auftrag Christi, der Welt im Nächsten zu begegnen, wenn es heißt:
Stimme Juble, Barak!
Stimme Jauchze, Dwora!
Stimme Wir sind frei! Frei! Kehre heim, Barak, in dein Land. Im Abendschein stehen die Berge, die dir nicht gehören. Gott hat deinen Stolz besiegt. Preise ihn in Demut.
Ja, im Schweigen der Waffen preisen wir Gott. So lange wir leben, soll kein Krieg mehr sein. Jubelt und jauchzt! Es kommen die Jahre der Stille.
Es kommt ein Frieden, den wir ersehnen und den wir nicht ertragen.
Fremd sind wir einander. Es leben die Fremden unter uns. Wir leben unter ihnen.
Ihr Land ist unser Land, und unser Land das ihre. Es leuchtet wie der Himmel über uns.
Amen