20140108

Martin Adel: Licht in uns

Epiphanias 06.01.2014
Predigttext 2. Korinther 4,3-6

Liebe Gemeinde,
1. Erhabene Momente
Da geht man früh noch in der Morgendämmerung los und macht sich an den langen, beschwerlichen Aufstieg. Die Kühle der Luft tut einem gut, man genießt die Stille der Natur und lauscht dem erwachenden Leben der Tiere im Wald. Hinter jeder Kuppe ein neuer Ausblick, ein neues Bild, eine andere Landschaft, die man durchwandert – Schritt für Schritt. Und dann, wenn man sein Ziel erreicht hat und den Blick in die Ferne schweifen lässt, dann wird man erfüllt von etwas, das einen selig macht. Das muss gar nicht lange sein. Nur ein kurzer Moment, der sich tief in unser Inneres eingräbt und uns noch Jahre später zum Leuchten bringt, wenn man sich daran erinnert oder davon erzählt.
Und dann kann es einem passieren, wenn man von so einem Moment mit Begeisterung und Leidenschaft erzählt, dass andere sagen. Na, du bist schön blöd, dich da so abzumühen. Da fährt doch eine Seilbahn hoch. Und außerdem: Das kann alles gar nicht mithalten mit der Natur in Norwegen oder in Alaska …

Ortswechsel. Sie sitzen in einem Konzert und die Musik schafft es, ihnen einen Schauder hinten am Nacken zu erzeugen. Ein Moment der Ergriffenheit, des innigen Getroffenwerdens an einem Punkt, an dem sich plötzlich manches löst – ein heiliger Schauder. Und ein tiefer Friede breitet sich aus.
Und als sie bei Gelegenheit von diesem Erlebnis erzählen wollen sagt der andere: Ach, die haben in der Zeitung eine ganz schlechte Kritik bekommen und außerdem ist das alles ziemlich provinziell im Vergleich mit der Seebühne in Bregenz oder dem Amphitheater in Verona ….

Und noch einmal ein Ortswechsel. Da gibt es so die Momente, an denen man abends nach dem redlich bestandenen Mühen des Tages noch einmal ins Kinderzimmer schaut und voller Andacht sich daran erfreut, wie friedlich Kinder schlafen können. Und es ergreift einen so ein Moment der Dankbarkeit und des Stolzes: Mein Sohn. Unsere Tochter.
Und wenn man davon später erzählt, sagt der andere: Kinder machen nichts wie Ärger. Sie haben andauernd irgendwelche Ansprüche und kosten nur Geld.

Und man fragt sich: Worum geht es?
Geht es nur ums weiter, höher, besser. Ums Haben. Ums Geld haben. Ums mehr Haben. Was für eine traurige Welt.
Oder geht es um diese einmaligen Augenblick, um die erhabenen Moment, wo uns die Welt anschaut, die Natur, die Kunst, der Mensch. Gott selbst?! Und wir werden getroffen und verwandelt, so verwandelt, dass wir sogar noch im Erinnern davon zehren können und beim Erzählen sich ein Leuchten in unsere Augen schleicht.

2. Die Hirten und Weisen im Stall
So ein Moment muss es gewesen sein, als die Hirten sich auf den Weg machten und an die Krippe kamen. Und die Weisen, die erst im Palast des Herodes gelandet sind, werden so tief ergriffen, dass sie ganz intuitiv spüren, den Herodes werden sie am Rückweg nicht davon berichten, weil er nur zerstören will, wo sie ihr Heil gefunden haben. Sein Kindermord in Bethlehem ist mehr als Beweis genug.
Einfache Hirten und ungläubige Heiden werden dort im Stall uns zum Zeugnis, wer da liegt in der Krippe. Das Erscheinen Gottes in der Welt. Und anderen ist es verborgen geblieben, weil sie nur ihres sehen wollten. Ihre Wahrheit. Die Wahrheit der Zahlen und Fakten, die keinen Platz mehr hat für solche offenen Momente, wo ich auf ganz unerklärliche Weise angesprochen werde auf einer Frequenz, die mich verletzlich macht, weil ich sie nicht mehr beweisen kann, sondern nur erleben und glauben.

Doch dieses höchst subjektive Erleben wird zum objektiven und tragenden Fundament, weil es sich um eine Wahrheit handelt, die sich außerhalb unserer messbaren Wahrheiten und Vernünftigkeit bewegt.
Denn kein Mensch kann uns beweisen, dass in diesem Kind im Stall in der Krippe der Heiland der Welt liegt. Aber wenn wir dem Zeugnis der anderen vertrauen und glauben, dann begegnen wir dem, der selbst unser Anfang und unser Ende ist.

3. Gott über aller Vernunft
Denn in Christus ist uns kein geringere erschienen als der, den wir als den Vater, den allmächtigen, den Schöpfer des Himmels und der Erden bekennen.
Größer, als all unsere Vernunft es begreifen und erfassen kann. Und dabei ist Gott nicht widervernünftig, sondern größer als unsere Vernunft. Und das muss er auch sein. Denn Gott muss es mit all unserer menschlichen Vernunft und all unserer Unvernunft aufnehmen. Er muss es aufnehmen können mit all unseren Ängsten und Sorgen und Nachdenklichkeiten und Bequemlichkeiten und Ungereimtheiten, mit all unserer Wut und Hinterhältigkeit und Hartherzigkeit – und die sind alle weiß Gott nicht vernünftig noch rational. Gott muss es sogar mit unserem Tod aufnehmen und ihn in den Schwitzkasten nehmen, bis wir frei sind und zu Neuem geboren werden hier oder dann dort in Ewigkeit. So groß muss Gott sein.

4. Predigttext 2 Kor 4,3-6
Und deshalb schreibt Paulus in seinem zweiten Brief an die Korinther im vierten Kapitel die Worte, die unser heutiger Predigttext sind: (Luther)
3 Ist nun aber unser Evangelium verdeckt, so ist's denen verdeckt, die verloren werden, 4 den Ungläubigen, denen der Gott dieser Welt den Sinn verblendet hat, dass sie nicht sehen das helle Licht des Evangeliums von der Herrlichkeit Christi, welcher ist das Ebenbild Gottes.
5 Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, dass er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen. 6 Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

5. Christus - Schöpfungslicht

Und wir hören und spüren es förmlich. Paulus hat hier keinen Spielraum mehr – deshalb so klare, ja harsche und urteilende Worte. Man möchte ihn fast zur Mäßigung rufen, aber hier kann er nicht mehr mit sich verhandeln lassen. Das Erlebte ist zu gewaltig. Die Begegnung mit Christus hat seinen Blick grundsätzlich verwandelt. Der heilige Schauder, der ihm widerfahren ist, hat ihn vom Christenverfolger zum Christusbekenner verwandelt. Er ist vom Saulus zum Paulus geworden, weil ihn das helle Licht des Evangeliums getroffen hat.
Und was das für ein Licht ist, das bringt er durch seine Wortwahl zum Ausdruck. Er zitiert nicht zufällig aus dem ersten Schöpfungsbericht die Worte: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten
Es ist das Schöpfungslicht, das ihm da begegnet ist.
Vom ersten Schöpfungsakt am ersten Schöpfungsmorgen heißt es: Und Gott sprach: Es werde Licht! Und es ward Licht. Und Gott sah, dass das Licht gut war. Da schied Gott das Licht von der Finsternis und nannte das Licht Tag und die Finsternis Nacht. Da ward aus Abend und Morgen der erste Tag (Gen 1,3-4).
So grundlegend ist das Kommen Gottes in unsere Welt – eine neue Schöpfung. In Christus. Und Gott selbst hält dem Auge um Auge, Zahn um Zahn sein Wort der Versöhnung entgegen und anstatt nur die Freunde zu lieben und die Feinde zu hassen fordert er uns auf, auch die Feinde zu lieben. Noch am Kreuz wird er rufen: Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.
Das ist die Herrlichkeit Gottes, die wir in Christus sehen. Das ist sein Licht.
Und es ist bewusst vom Licht die Rede und nicht von der Sonne, denn die Sonne ist nur ein Abglanz davon. Sie wird erst am vierten Tag als Himmelskörper neben dem Mond und den Sternen erschaffen werden. Aber am Anfang sprach Gott: Es werde Licht! Und es ward Licht! In diesem erstgeschaffenen Licht wird die ganze Schöpfung erstrahlen. Das ist Gottes ureigenster Wille: die Welt nicht in der Dunkelheit zu lassen.
Und dieses Licht ist mehr als die Sonne, denn es scheint sogar in unsere dunkelsten Ecken hinein. Es ist das Lebenselixier allen Lebens, denn es soll nicht bei der Gottesfinsternis bleiben. Das Licht, das am ersten Schöpfungsmorgen die Welt erhellt, soll in unser Herz leuchten.
Gott hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben. heißt es hier.
Es ist also schon da. Wenn auch manchmal verborgen.

6. Licht für uns
Und deshalb müssen wir Gott bitten, dass er uns mit seinem Licht immer wieder durchleuchtet, um die schädlichen Stellen zu finden und unsere dunklen Schatten zu vertreiben, die sich oft wie ein grauer Schleier um unser Herz legen wollen, weil wir an der Welt erschöpfen, an ihr zerbrechen oder an Gott zweifeln.
Und wir dürfen in all unserem Tun ungeduldig und neugierig darauf warten, bis Gott uns den Sinn öffnet, heraus aus unserer Welterklärung hin zu seiner Weltbestimmung.

Die erhabenen Momente, in denen wir in die Welt blicken und die Schöpfung uns ansieht, ob draußen in der Natur oder drinnen im Konzert oder daheim am Bett unserer Kinder, diese Momente sind nicht objektiv beweisbar, aber sie sind tiefe Begegnungen mit der Welt, wie sie Gott gewollt hat und darin Hinweis auf den Grund dahinter und darüber – Gott von Gott, Licht vom Licht.
… 5 Denn wir predigen nicht uns selbst, sondern Jesus Christus, dass er der Herr ist, wir aber eure Knechte um Jesu willen. 6 Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.
Lassen wir uns davon anstecken und verwandeln!

Amen