20140519

Martin Adel: Gott wird sich durchsetzen

Sonntag Kantate am 18.05.2014
Predigt Offenbarung 15,2-4


Liebe Gemeinde!

Hinführung

Musik läuft bei uns ja oft im Hintergrund. Im Radio. Im Fernsehen. Bei jedem Film spielt die Musik eine wichtige Rolle, um die Stimmungen zum Ausdruck zu bringen.
Doch wie ist das bei ihnen selbst? Wann hören sie Musik? Bewusst Musik? Und zu welchem Zweck?
Was ist Musik für Sie?
Bei mir ist es eine Zeit der Entspannung? Eine Möglichkeit, meinen Gefühlen freien Lauf zu lassen – mich fallen lassen, mitgehen, eintauchen in eine andere Welt – zumindest auf Zeit?
Auszeit von den Dingen, die einen sonst vielleicht allzu sehr beschäftigen und in Beschlag nehmen? Eine Lebensvergewisserung, angerührt von der Ästhetik, dem Schönen – nicht auf der Kopfebene, sondern auf der Gefühlsebene.
Musik - ein Schutzraum! Nicht nur ein Klangraum, sondern auch ein Kraftraum! Ein Kraftraum für unsere Seele.

1. Offenbarung - Apokalyptik - Weltuntergang

Wenn wir unseren heutigen Predigttext lesen, dann war das damals auch so. Johannes schreibt ein Lied. Ein Lied, dessen Melodie uns nicht überliefert ist. Aber es ist ein Lied mitten in den Wirrnissen des Alltags.
Und die Zeit damals um die erste Jahrhundertwende war garstig für die Christen. Lebensfeindlich. Lebensverachtend. Es ist die Zeit der Christenverfolgung unter Kaiser Domitian (Kaiser in Rom von 81-96 n.Chr.). Und der Evangelist Johannes schreibt das Buch der Offenbarung. Eine Apokalypse. Und seine Sprache ist mächtig und gewaltig. Er überträgt die täglichen Bedrohungen in eine Bildersprache und stellt damit fast schon jedes heutige Computerspiel in den Schatten - ob es nun die sieben Schalen des Zornes sind oder die sieben Posaunen, die das gleiche Unheil herbeirufen oder das Buch mit den sieben Siegeln. Oder denken wir nur an das Tier mit den sieben Köpfen und den zehn Hörnern und auf seinen Köpfen gotteslästerliche Namen … ähnlich einem Panther, und seine Füße waren wie die eines Bären und sein Rachen wie der Rachen eines Löwen. Und der Drache gab ihm seine Kraft ..."(Apk 12,18 13,2)

Die Visionen des Johannes sind zeitlos, weil es Bilder sind, die uns aus unseren eigenen Träumen und Phantasien und Erfahrungen vertraut sind. Fabelwesen, Dämonen, Ungeheuer. Und die Katastrophen, die in diesem Buch beschrieben sind, sind keine anderen als die, die auch wir noch kennen: Seuchen, vergiftete Gewässer, Dürre, gewaltige Steppenbrände, Katastrophen – Naturkatastrophen oder die Katastrophen, die der Mensch immer wieder über die Erde bringt: Gewalt, Krieg, Vernichtung. Welt - Untergangsstimmung.
Und die Kino´s produzieren sie, bis auf den heutigen Tag, die Apokalypsefilme: Apokalypse NOW. Harmagedon. Book of Eli. Und der Mensch auf der Welt auch.

2. Trost und Mut contra Angst

Und mit der Angst des Menschen kann man gutes Geld verdienen. Nicht nur im Fernsehen, sondern auch real. Denn der ängstliche Mensch lässt sich besser manipulieren und wird funktionalisiert. Dem kann man Versicherungen verkaufen oder man kann ihm Opfer abverlangen, unmenschliche Opfer, im Kampf gegen das Böse.
Wenn wir heute die Predigten vieler Pfarrer zum Beginn des ersten Weltkriegs lesen, wir einem richtig schlecht, wie das Buch der Offenbarung des Johannes dann herbeizitiert und der Krieg zum Kampf gegen den Sittenverfall Europas hochstilisiert wird. Als gottgegebenes Schiksal – wird er von der geistigen Elite Deutschlands beschrieben. Als Opferzeit für die gute Sache. Und am Ende haben 17 Millionen Menschen ihr Leben gelassen und Europa liegt in Trümmern.

Doch all das hat mit Johannes nichts zu tun. Denn für ihn stellt sich nicht die Frage, was kommen wird. Wie und auf welche Weise die Welt untergeht und wodurch sich der Mensch selber vernichtet.
Sondern für Johannes stellt sich in all den Leiderfahrungen die Frage: Wer wird sich durchsetzen. Und das ist für ihn klar. Gott wird sich durchsetzen.
Seine Worte sind keine Katastrophendiagnose zur Bestimmung endzeitlicher Ereignisse, sondern ein Trostbuch gegen die Angst. Und so stehen am Schluß der Offenbarung diese Worte, die bei vielen Beerdigungen noch am offenen Grab gesprochen werden:
"Und Gott selbst wird bei seinem Volk wohnen. Und er wird abwischen alle Tränen und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. ... Siehe, ich mache alles neu."

Und hier sind wir auch bei unserem Predigttext. Mitten in den apokalyptischen Beschreibungen steht dieses Lied – und es beschreibt den Sieg, der kommen wird, auch wenn wir im Jetzt es vielleicht noch nicht sehen oder daran zweifeln:

3. Off 15,2-4 (Zürcher)

Und ich sah etwas wie ein gläsernes, mit Feuerschein untermischtes Meer, und die SIEGER über das Tier und über sein Bild und über die Zahl seines Namens standen an dem gläsernen Meer und hatten Harfen zum Preise Gottes. Und sie sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes:
Groß und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott; gerecht und wahr sind deine Wege, König der Völker. Wer sollte nicht fürchten, Herr, und preisen deinen Namen? Denn du bist allein heilig; denn „alle Völker werden kommen und vor dir anbeten“, weil deine gerechten Taten offenbar geworden sind.


4. Die Siegesfeier

Johannes schreibt ein Lied gegen die Angst. Und er beschreibt den Sieg über das Tier, das vollständig, das samt seinem Bild und der Schar seiner Anhänger besiegt ist. Hier wird der Sieg gefeiert. Der Sieg der Befreiung. Der Sieg der Wahrheit über die Lüge. Der Sieg der Gerechtigkeit über die Unterdrückung.
Und das gibt Kraft und Mut. Das sind die Hoffnungsbilder, mit denen wir selbst gegen Ungerechtigkeit und Unterdrückung angehen können. Nelson Mandeila, Paulo Freire und all die anderen Aktivisten haben daraus gelebt. I have a dream – von Martin Luther King (derzeit beeindruckend vertont von Lipo Sounds remix) sind Hoffnungsworte zur Orientierung, wo es hingehen soll, auch wenn sie sich so noch nicht abzeichnen – oder immer nur punktuell.
Wir empören uns gegen die Umstände, aber motiviert werden wir von der Idee, dass sich etwas verändern lässt und dass die Wirklichkeit so nicht gilt. Nie gilt. Das war 1945 so und 1989 so und gilt immer noch. Im Kleinen wie im Großen.
"... die Sieger über das Tier und über sein Bild und über die Zahl seines Namens standen an dem gläsernen Meer und hatten Harfen zum Preise Gottes." Das ist die Wahrheit, die immer noch dahintersteht.
Und die Musik ist dabei ein Ausdrucksmittel, das mehr sagen kann als all die Worte. Eine Atempause, eine Kraftquelle, ein Ausdruck der Freiheit.
Die Angst schnürt uns den Hals zu. Doch Paulus singt im Gefängnis gegen die Angst und er wird frei; innerlich und dann sogar äußerlich.
Und im Singen werden wir vielleicht hinweggetragen, so wie wir am Grab singen können von Dank und Lob, in aller Trauer und Abschied, weil wir uns nicht mehr nur binden lassen müssen von den Kräften, die uns ins Verderben ziehen wollen, sondern bereits angerührt sind von dem österlichen Morgen, der auch uns gilt, der Morgen Gottes, den wir der Welt entgegen halten wollen – weil Gottes Gerechtigkeit gilt.
Gott wird sich durchsetzen. Das ist die Basis, von der Johannes schreibt. Ohne einen solchen Glauben könnten wir die Welt nicht verändern und der Mensch oder die Menschlichkeit kommt unter die Räder. Nicht alle werden es erleben. Manchmal muss man auch kämpfen, ohne die eigenen Früchte ernten zu können; aber insgesamt wird es sich durchsetzen, was Gott bestimmt hat: Friede und Gerechtigkeit und Wahrhaftigkeit. Wo Langmut und Demut mehr zählen als Hetze und Parteiung und Streit ….
Gott wird sich durchsetzen. Darin ist sich Johannes sicher – und er schreibt sein Lied gegen alle Bedrohung und Angst, gewissermaßen jetzt schon ein Vorbote von Gottes Herrlichkeit. Was für eine Musik.

Und ich sah etwas wie ein gläsernes, mit Feuerschein untermischtes Meer, und die SIEGER über das Tier und über sein Bild und über die Zahl seines Namens standen an dem gläsernen Meer und hatten Harfen zum Preise Gottes. Und sie sangen das Lied des Mose, des Knechtes Gottes, und das Lied des Lammes:
Gross und wunderbar sind deine Werke, Herr, allmächtiger Gott; gerecht und wahr sind deine Wege, König der Völker. Wer sollte nicht fürchten, Herr, und preisen deinen Namen? Denn du bist allein heilig; denn „alle Völker werden kommen und vor dir anbeten“, weil deine gerechten Taten offenbar geworden sind.

Amen.