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Martin Adel: Sie kamen und sahen

Predigt Christvesper 24.12.2014

Predigttext Lukas 2,1-20
1 Es begab sich aber zu der Zeit, dass ein Gebot von dem Kaiser Augustus ausging, dass alle Welt geschätzt würde.
2 Und diese Schätzung* war die allererste und geschah zur Zeit, da Quirinius Statthalter in Syrien war.
3 Und jedermann ging, dass er sich schätzen ließe, ein jeder in seine Stadt.
4 Da machte sich auf auch Josef aus Galiläa, aus der Stadt Nazareth, in das jüdische Land zur Stadt Davids, die da heißt Bethlehem, weil er aus dem Hause und Geschlechte Davids war,
5 damit er sich schätzen ließe mit Maria, seinem vertrauten Weibe; die war schwanger.
6 Und als sie dort waren, kam die Zeit, dass sie gebären sollte.
7 Und sie gebar ihren ersten Sohn und wickelte ihn in Windeln und legte ihn in eine Krippe; denn sie hatten sonst keinen Raum in der Herberge.
8 Und es waren Hirten in derselben Gegend auf dem Felde bei den Hürden, die hüteten des Nachts ihre Herde.
9 Und der Engel des Herrn trat zu ihnen, und die Klarheit des Herrn leuchtete um sie; und sie fürchteten sich sehr.
10 Und der Engel sprach zu ihnen: Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird;
11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.
12 Und das habt zum Zeichen: ihr werdet finden das Kind in Windeln gewickelt und in einer Krippe liegen.
13 Und alsbald war da bei dem Engel die Menge der himmlischen Heerscharen, die lobten Gott und sprachen:
14 Ehre sei Gott in der Höhe und Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
15 Und als die Engel von ihnen gen Himmel fuhren, sprachen die Hirten untereinander: Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat.
16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen.
17 Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war.
18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten.
19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen.
20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.


Liebe Gemeinde,
1. Krippenausflug „Sie kamen und sahen.“
Waren sie schon einmal auf dem Krippenweg in Bamberg?
Am 3. Adventssamstag waren wir mit St. Heinrich unterwegs auf einem ökumenischen Krippenausflug und Herr Sandner führte uns dabei sachkundig durch die Stadt. Am Domberg vorbei ging es zur Maternkapelle mit der großen Krippenschau der „Krippenfreunde Bamberg“. Und da stand sie dann vor mir in ihrem Guckkasten, die Krippe von Florian Hofmann aus Neuensee-Michelau mit der Themenüberschrift: „Sie kamen und sahen.“
Es ist keine klassische Krippe. Denn man sieht keine Maria, keinen Josef und auch kein Jesuskind. Und doch hat sie mich tief beeindruckt.
Zu sehen ist die Vorderseite eines gemauerten Stalls und davor drängen sich mehrere Hirten. Junge, Alte und die Schafe steht dicht neben ihnen. Der Älteste steht an der Stalltür und hat sie einen Spalt geöffnet und alle versuchen durch diesen Spalt hinein zu sehen und aus dem Spalt strahlt ein helles, gleisendes Licht.
Mehr sieht man nicht. Aber das reicht.
Menschen, die ihm Strahl dieses Lichtes selbst erhellt werden. Erst in diesem Licht ist ihr Gesicht deutlich zu erkennen. Die Unbedarftheit der Jungen und die Furchen des Lebens im Gesicht der Alten. Nur in diesem Lichtstrahl sieht man ihre Kleidung, ihre Haltung, ihre Person. Ohne dieses Licht blieben sie ein schemenhafter Haufen im Dunkeln. Jetzt stehen sie im Licht.
„Sie kamen und sahen.“

2. Was sehen wir im Stall? Weihnachten ist oft schwer.
Nicht jeder, der in diesen Tagen seine Stalltür aufmacht, sieht dieses gleißende Licht. Bei manchen ist es nur ein fahler Schein und bei manchen öffnet sich sogar die Kammer des Schreckens.
Im Krankenhaus bereiten sie sich für diese Tage schon besonders vor auf die, die dann ihr Leben selbst beenden wollen.
Und nicht wenige meinen: schafft doch das Weihnachtsfest ab, dann gäbe es nicht so viel Streit in den Familien.
Als ob das eine Lösung wäre. Vor allem verkennt sie Ursache und Wirkung. Als ob die Not, die eigene und die fremde, aus der Welt wären, wenn wir nicht mehr hinsehen.
Weihnachten ist doch oft so schwer, weil man sich dann nicht mehr davonstehlen kann vor der Realität. Man muss sich dem stellen, wovor man sich sonst so gerne drückt.
Deshalb tut es an diesen Tagen besonders weh, der Unfriede in der Welt, der Streit in der Familie, der Verlust eines geliebten Menschen, die Einsamkeit.
Und deshalb ist es auch so wichtig, dass Gott immer wieder neu in diese Welt kommt, damit sich in seinem Licht die Schatten von unseren Seelen lösen können und wir etwas von dem spüren, was mit ihm in die Welt kommt.
Denn das war schon in der Heiligen Nacht damals nicht anders. Israel war müde vom Warten. Die ganzen Prophezeihungen der Alten waren nicht eingetroffen. Und während sie ermüdet ihren Blick nach unten senken, festgefahren im immer gleichen Lied, kommt das Heil von oben.

3. Eine andere Idee für unser Leben
Ein Neuaufbruch, der so ganz anders kommt, als erwartet. Der Neubeginn mitten in der Besatzungszeit durch die Römer. Nicht im Glanz des Palastes, sondern in der Armut des Stalles kommt der Heiland zur Welt. Und ein paar Hirten und ein paar Weise machen sich auf den Weg, weil sie´s glauben, dass Veränderung noch möglich ist. Und im Blick in den Stall wird es ihnen bewusst: hier liegt eine andere Idee für unser Leben und für das aller Menschen. Ein anderes Prinzip, Gott selbst eben.
Im Hingehen und Hineinsehen wird es den Hirten innerlich zur Gewissheit. Es gilt: Friede ist möglich. Hier liegt der Garant. Das Ideal ist kein Hirngespinnst und keine Traumtänzerei. Und kein Mühen ist umsonst! Hier ist der Verbündete gegen Crystal Meph und Pegida und die IS und alle andere Ungerechtigkeit und Gewalt und Zerstörung.
… Friede auf Erden bei den Menschen seines Wohlgefallens.
Und deshalb haben sie es damals weiter erzählt bis zum heutigen Tag. In der Krippe sehen sie Gott selbst. Und er zeigt ihnen, wohin es gehen soll und wohin es gehen wird – aller Gewalt der Welt zum Trotz. Immer und immer wieder. Damit der Mensch sich nicht weiter an seinem Nächsten vergeht.

Die jüngste Nobelpreisträgerin mit 17 Jahren, Malala Yousafzai aus Pakistan, hat in ihrer Rede in Oslo folgende beeindruckende Worte gesagt:
„Mir ist aufgefallen, dass Menschen mich ganz unterschiedlich beschreiben.“ Manche nenne mich „das Mädchen, das von den Taliban angeschossen wurde“ und andere „Nobelpreisträgerin“. „Soweit ich weiß, bin ich einfach nur eine engagierte und sture Person, die eine gute Ausbildung für alle Kinder, gleiche Rechte für Frauen und Frieden in jeder Ecke der Welt sehen will.“

4. Das Programm Gottes für uns
Ja, liebe Gemeinde,
stur müssen wir sein und dann die Tür aufmachen, die uns die Kraft gibt, um allen Schrecken zu trotzen.
Wie die Hirten und die Weisen müssen wir uns immer wieder auf den Weg machen, um die Orientierung und den Halt und den Mut nicht zu verlieren und um uns zu vergewissern, dass es noch gilt – auch für unser kleines Leben: Gott kommt auf die Erde, kommt, dass Friede werde!
Denn das ist das große Programm Gottes, für das er Mensch wird. Ganz bewusst im Stall, damit WIR ins Nachdenken kommen. In ungeordneten Verhältnissen, damit WIR dazu lernen. In eine Welt, die bis heute der Liebe und Offenheit mit ihrer Falschheit und Hinterhältigkeit begegnet. Damals hieß er Herodes, heute haben sie andere Namen. Doch an den Taten können wir sie erkennen, weil sie – wie damals – versuchen das mit Gewalt zu vernichten, was das GUTE ist. Und dann werden - wie damals - die Kinder ermordet. Und WIR, wir fallen sogar noch darauf herein, indem wir Gott anklagen, wie er das zulassen kann in seiner Allmacht. Anstatt zu sehen, wie hier der MENSCH entlarvt wird in seiner Brutalität und in seinem Egoismus und in seinem Machtstreben.
Und deshalb ist es so wichtig, dass Gott bis heute immer wieder neu in die Welt kommt und wir uns von ihm ausrichten und aufrichten lassen. Damit wir uns verbünden mit denen, die auch guten Willens sind und in unserem Mühen nicht verzagen und das Ziel nicht aus den Augen verlieren.

5. Friede ist möglich
Liebe Gemeinde,
lassen wir es uns nicht klein reden. Wie vieles haben wir schon geschafft – im Kleinen wie im Großen. In vielen Familien ist heute kein Streit und die Kinder kommen gerne zusammen und Alt und Jung freuen sich aneinander. Lassen wir uns das Ideal nicht kaputt machen.
Und vieles schaffen wir auch nicht. Wir müssen nicht „Heil, Heil“ rufen, wo keines ist. Aber wir müssen wissen, in welcher Richtung das Heil zu finden ist. Denn auch wo Not ist, kann Friede einkehren und wo Angst ist, müssen wir nicht zwingend erstarren. Gott hat sich in Christus festgelegt – wie ein leuchtender Stern am Firmament; damit wir die Orientierung nicht verlieren.
Und wo uns der Geschmack an diesem Heil der Welt entgleitet, weil der Alltag zu schwer oder das Jahr zu erdrückend waren, da lasst uns trotzdem hingehen und Gott bitten, dass er uns anschaut und uns anstrahlt. Und wenn es auch nur ein schwacher Lichtstrahl aus der Stalltür ist: In seinem Licht sehen wir das Licht.

Als die Hirten noch am Feuer saßen in der Nacht, da haben sie vielleicht auch von der Härte des Alltags und von der Ungerechtigkeit des Lebens und vom immer, gleichen Lied gesprochen.
Doch dann ließen sie sich auf die Botschaft der Engel ein:
Fürchtet euch nicht! Siehe, ich verkündige euch große Freude, die allem Volk widerfahren wird; 11 denn euch ist heute der Heiland geboren, welcher ist Christus, der Herr, in der Stadt Davids.

Und sie machten sich auf den Weg. Und sprachen untereinander:
Lasst uns nun gehen nach Bethlehem und die Geschichte sehen, die da geschehen ist, die uns der Herr kundgetan hat. 16 Und sie kamen eilend und fanden beide, Maria und Josef, dazu das Kind in der Krippe liegen. 17 Als sie es aber gesehen hatten, breiteten sie das Wort aus, das zu ihnen von diesem Kinde gesagt war. 18 Und alle, vor die es kam, wunderten sich über das, was ihnen die Hirten gesagt hatten. 19 Maria aber behielt alle diese Worte und bewegte sie in ihrem Herzen. 20 Und die Hirten kehrten wieder um, priesen und lobten Gott für alles, was sie gehört und gesehen hatten, wie denn zu ihnen gesagt war.

Amen