20151022

Martin Adel: Predigt zur Osternacht

Osternacht 05.04.2015

Predigttext Jesaja 26,13-14.19
13 HERR, unser Gott, es herrschen wohl andere Herren über uns als du, aber wir gedenken doch allein deiner und deines Namens. 14 Ihre Toten werden nicht wieder leben, die Schatten stehen nie wieder auf. Sie, die früher über uns herrschten, hast du bestraft und ausgerottet samt allem, was an sie erinnert. … 19 Aber deine Toten werden leben, deine Leichname werden auferstehen. Wachet auf und rühmet, die ihr liegt unter der Erde! Denn ein Tau der Lichter ist dein Tau, und die Erde wird die Toten herausgeben.


Liebe Gemeinde,
Wie schwer es ist, diesen Worten zu glauben.
Wie leicht es manchmal ist, wenn wir diesen Worten vertrauen können.
Machen wir etwas falsch, wenn wir an die Auferstehung glauben?

Wir sind und bleiben in einer gebrochenen Welt. Der Ostermorgen ist ein Zeuge davon. Während die einen schreien: Sie haben in der Nacht den Leichnam geklaut – erleben die anderen die wundersame Verwandlung, wie sich Stück für Stück ihre Furcht legt und die Schatten der Nacht und der Enttäuschung zurück gedrängt werden. Das Erschrecken über die Brutalität des Lebens und seiner Aporien muss weichen diesem inneren Wissen: Gott wird das letzte Wort über uns haben und es wird uns frei machen in aller Bedrohung und uns stärken in aller Ohnmacht und uns ermutigen in aller Angst. Wir sind nicht mehr Schmerz und Trauer schutzlos ausgeliefert, bis sie uns zerfressen haben.

Gott ist am Werk – auch wenn ich noch nichts davon spüre. Gott ist am Werk – auch wenn ich noch festhalten will am Alten. Gott ist am Werk und setzt sich durch.
Mitten hinein in die explodierende Natur, trifft uns dieses Wort der Auferstehung – gewissermaßen als natürliches Unterpfand Gottes, wie wir es Jahr für Jahr erleben dürfen, um uns eine Ahnung zu geben, was Auferstehung bedeutet. Dort, wo nichts mehr ist, wo dürre Äste aus dem dreckigen Braun des Bodens schauen, regt sich neues Leben.
Unser Kopf ist das Problem, nicht das Herz. Wir haben mit unserem Kopf kapituliert vor der Unbegreiflichkeit Gottes und uns zurückgezogen auf das, was wir erklären können – und wir werden dann die Schatten des Unerklärlichen nicht los.
Vor den Fragen des Lebens dreht der Mensch durch und die Meute schreit: Es muss ein Opfer her – und die Eltern des Todes-Piloten werden zu Tätern und das Arztgeheimnis zur billigen Verhandlungsmasse. Vielleicht fangen wir wieder an Leichenteile zu schänden oder außerhalb des Friedhofs zu beerdigen. Und sie wollen uns dann weismachen, dass die Religion gefährlich sei und der Glaube menschenverachtend.
Wer bremst uns ein, wenn nicht dieser Gott am Kreuz, der für die Liebe eintritt und für unsere Versöhnung stirbt, damit nicht wieder, wenn die Vernunft an ihre Grenzen stößt, die Angst in uns zur Treibjagd blässt.
13 HERR, unser Gott, es herrschen wohl andere Herren über uns als du, aber wir gedenken doch allein deiner und deines Namens.
Und wir feiern es nach, Jahr für Jahr, dieses Ostererinnern, weil wir nicht nur hoffen und glauben, sondern es manchesmal selbst schon erlebt haben, wie sich unser Sinn verwandelt und unser Herz wieder zu schlagen beginnt, weil sich der Auferstandene uns in den Weg gestellt hat, so wie damals den Frauen und Männern.
Und Jesaja schreibt: 14 Ihre Toten werden nicht wieder leben, die Schatten stehen nie wieder auf. Sie, die früher über uns herrschten, hast du bestraft und ausgerottet samt allem, was an sie erinnert.

Liebe Gemeinde,
hinter dem Ostermorgen verbirgt sich das gleiche, gewaltige Schauspiel, wie hinter dem Anfang der Schöpfung. Gott schafft aus dem Nichts. Wo kein Trost mehr zu erwarten ist, wo die Welt und das Leben an ihr Ende gekommen sind, setzt Gott einen neuen Anfang.
Und Petrus singt im Gefängnis und die Reformatoren nehmen kein Blatt mehr vor den Mund und Bonhoeffer wird selbst in Gefangenschaft noch zum Seelsorger und Tröster.
Hinter unserer realen Welt zeigt sich am Ostermorgen Gottes Welt für uns. Und in Christus wird sie durchlässig für uns und dann in uns real.
Dann stehen wir am Friedhof und hören dieses tröstende Wort von der Auferstehung und es erleichtert uns in der Trauer und unsere Seele gesundet. Da ist kein Schalter und auch kein „don´t worry, be happy“ Gesäusle – denn manche Schmerzen kann man nicht mehr weglachen.
Aber gehalten und getragen von Gottes Wort, sind wir nicht für immer gefangen in den Fängen des Todes., so wie Jesaja sagt:
19 Aber deine Toten, Gott, werden leben, deine Leichname werden auferstehen. Wachet auf und rühmet, die ihr liegt unter der Erde! Denn ein Tau der Lichter ist dein Tau, und die Erde wird die Toten herausgeben.

Für unsere leiblichen Wunden haben wir viele und gute Medizin entwickelt, aber für die zerbrochenen Seelen bleiben uns oftmals nur die Tabletten. Christus ist nicht gestorben und wieder auferstanden, damit wir der Welt nachplappern: Tot ist tot und uns dann an den Lebenden rächen oder unser eigenes Leben zerstören, weil es nie mehr so werden wird, wie es früher war.
Und deshalb setzt Gott sein Zeichen in Christus, der uns befreien will aus diesem trostlosen Zirkel, weil er stärker ist als aller Tod und dabei wahrer Mensch geblieben ist, uns nahe.
Mit Christus wird unser Verstehen über diesen Schmerz und diese Trauer hinausgeführt und unsere Wahrnehmung verwandelt sich hin zum Neuen Sein.
Die Toten kommen dadurch nicht zurück, aber die Fesseln des Todes müssen uns frei geben, damit wir den Weg zurück finden in ein Leben finden, das lebenswert ist.
Gott hält uns mit seinem Wort diese heilsame Botschaft bereit. Und sie gilt immer noch. Heilsame Speise für unsere Seelen. Und wir dürfen es hören und schmecken, immer wieder, bis es in uns zur Gewissheit wird, so wie Paulus schreibt: Römer 8,31ff
38 Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, 39 weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.
Amen

Ilse Winter: Aus Gnaden gerettet

27. September 2015 - 17. Sonntag nach Trinitatis
Predigt Römer 10,9-17


Wir sehen in den Nachrichten täglich Menschen,
die sich auf einen gefährlichen Weg gemacht haben,
Menschen, die versuchen in maroden Booten übers Mittelmeer zu kommen,
oder, die versuchen auf dem nicht ungefährlicherem Landweg nach Europa zu kommen.
Es sind Menschen, die gerettet werden wollen.

Und wir sehen die Menschen, die an ihrem Ziel angekommen sind,
die meinen, sie sind gerettet,
die an ihrem Ziel irgendwann feststellen werden,
es ist nicht das gelobte Land, das sie erhofft haben.

Paulus schreibt den Römern auch von Rettung:

Römer 10, 9-17
 9 Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.
10 Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet.
11 Denn die Schrift spricht (Jesaja 28,16): »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.«
12 Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen.
13 Denn »wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden« (Joel 3,5).
14 Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger?
15 Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht (Jesaja 52,7): »Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!«
16 Aber nicht alle sind dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht (Jesaja 53,1): »Herr, wer glaubt unserm Predigen?«
17 So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.

Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet
Was ist Rettung?
Bekenntnis als Bedingung?
Bekenntnis muss nicht mit Worten sein
Von was für einer Rettung spricht Paulus?
Es geht Paulus nicht um eine Rettung aus einer leiblichen Not.

Wenn wir körperlich unversehrt sind und unsere Grundbedürfnisse – essen, trinken, wohnen – erfüllt sind, dann merken wir, das reicht nicht.
Es reicht nicht einmal, wenn wir das alles im Überfluss haben.
Wir brauchen Liebe, wir brauchen Zuwendung.

Für Paulus war es eine existentielle Frage, wie bekomme ich diese Zuwendung von Gott.
Paulus war den Weg der Pharisäer gegangen, er wollte vor Gott gerecht werden, deshalb hat er versucht, das Gesetz zu erfüllen, für ihn gehörte dazu auch die Verfolgung der Nachfolger Christi.
Dabei ist ihm auf dem Weg nach Damaskus der auferstandene Christus selbst begegnet.
Danach war alles anders.

Er hat erfahren: All mein Mühen bringt mich nicht näher zu Gott.
Ich kann mir Gottes Zuwendung nicht erarbeiten, ich kann sie mir nur schenken lassen.

Wie für Paulus war es auch für Martin Luther eine existentielle Frage:
Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?

Auch Martin Luther hat versucht, sich Gottes Liebe, Gottes Zuwendung zu erarbeiten und hat gemerkt es geht nicht.
Ich schaffe es nicht.

Er hat die Antwort schließlich im Römerbrief gefunden

Wenn du in deinem Herzen glaubst, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.

Allein der Glaube genügt.

Mehr braucht es nicht.
Und selbst den Glauben kann ich mir nicht erarbeiten.
Ich bekomme die Zuwendung, die Liebe von Gott geschenkt.
Es ist Gnade.
Und:
Allein diese Gnade genügt.

Flüchtlinge, die in Europa ankommen, sind auf Hilfe angewiesen.
Hilfe wird ihnen manchmal auch aus Gnaden gewährt.
Es gibt in Deutschland ein Grundrecht auf Asyl, damit die Hilfe nicht Gnade sondern Recht ist.
Doch bis sie dahin kommen und manchmal auch dann noch, sind sie der Gnade der Behörden und der Helfer ausgeliefert, das kann sehr demütigend sein.

Bin ich der Gnade Gottes ausgeliefert?
Wie Martin Luther muss auch ich erkennen:
Ich schaffe es nicht, gerecht zu sein,
ich schaffe es nicht, alles richtig zu machen.
Ich schaffe es nicht, mir Gottes Liebe zu erarbeiten.

In einer Welt, in der man stark sein muss, muss ich bekennen, dass ich zu schwach bin, es allein zu schaffen.
Aber dann kann ich lesen, was Paulus den Korinthern schreibt:

denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark

Gerade dann, wenn ich meine Schwäche, mein Unvermögen eingestehe, gerade dann kann Gott mich stark machen.
Gottes Gnade macht mich stark,
stark im hier und jetzt zu tun was er mir vor die Füße legt.

Aber reicht wirklich diese Gnade?
Muss ich nicht doch etwas tun?

Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, ….
Denn wenn du mit deinem Munde bekennst
Klingt das nicht doch nach einer Bedingung für die Rettung?
Ist es notwendig, meinen Glauben zu bekennen?
Ist es notwendig, in aller Öffentlichkeit laut zu sagen, dass ich an Jesus Christus glaube,
ist das notwendig um gerettet zu werden?

Muss ich nun täglich mindestens einmal jemandem von meinem Glauben erzählen, so ähnlich wie Pfadfinder täglich eine gute Tat tun sollen?
Dann würde ich mir ja doch wieder meine Rettung verdienen, sie mir erarbeiten.

Paulus zitiert Jesaja:
Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.
Und er zitiert den Propheten Joel:
wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden

Wenn ein Ertrinkender um Hilfe ruft, ist das eine Bedingung, um gerettet zu werden?
Wenn ein Kranker zum Arzt geht, ist das eine Bedingung, um gesund zu werden?
Ja, man könnte es so sagen.
Aber wer empfindet das wirklich als Bedingung?
Der Ertrinkende, der Kranke,
sie müssen bekennen, dass sie Hilfe nötig haben,
dass sie es allein nicht schaffen.

Wenn ich den Namen des Herrn anrufe, dann bekenne ich mit meinem Mund, dass ich es allein nicht schaffe, dass ich Hilfe brauche.

Und den Namen des Herrn anrufen, das kann doch jeder, da gibt es doch keine Einschränkung.

Aber um den Namen des Herrn anzurufen, muss ich doch erst einmal wissen, dass es diese Möglichkeit gibt.

Wie soll ich jemanden anrufen und um Hilfe bitten, den ich nicht kenne?
Um vor jemandem einzugestehen, dass ich Hilfe brauche, muss ich ihm vertrauen.
Ich kann doch niemandem vertrauen, von dem ich noch nie etwas gehört habe.
Also muss es doch jemanden geben, der davon erzählt, dass es Hilfe gibt, dass es da jemanden gibt, dem man vertrauen kann, den man um Hilfe, um Rettung bitten kann.

Wenn ich also weiß, wo es Rettung gibt, warum erzähle ich es nicht?

Ich muss es aber erst einmal selbst erlebt haben.
Ich muss erlebt haben, dass Gottes Liebe, seine Zuwendung mir ganz persönlich gilt.

Ich muss es selbst erfahren haben, dass Jesus Christus für mich gestorben ist und für mich auferweckt wurde.

Und wenn ich das von Herzen glaube, dann ist mein Herz voll davon, dann fließt doch auch mein Mund über?

Ich habe da einmal eine kleine Geschichte gehört:
Da gab es einen jungen Mann, der hatte von Jesus gehört und war auch ganz fasziniert von ihm, wollte wirklich von Herzen gern glauben dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, aber da gab es noch diese Bedingung:
Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist....
Und mit dem bekennen hatte er so seine Schwierigkeiten.
Das erzählte er einem weisen Mann und der sagte ihm:
Ja, das stimmt, so steht es in der Bibel, aber bei dir macht Gott eine Ausnahme, du musst nicht mit deinem Munde bekennen.
Da war dieser junge Mann so froh und glücklich, dass er sofort allen Menschen, denen er begegnete erzählte:
Stellt euch vor, ich glaube das Jesus Christus mein Herr ist und ich muss es niemandem erzählen.
Nun, mein Mund fließt nicht immer über, ich erzähle nicht immer und überall davon, dass ich Christ bin und dass Jesus mein Retter ist.
Aber mein Bekenntnis muss nicht ein Bekenntnis mit Worten sein.

Wenn ich Menschen begegne, die bei uns angekommen sind, die eine gefährliche Flucht überlebt haben, denen kann ich die Liebe, die ich von meinem Gott empfangen habe, weitergeben.

Gebe ich seine Liebe weiter, indem ich den anderen erst einmal respektiere genau da wo er im Moment steht?
Gebe ich seine Liebe weiter an den Christen,
den Moslem,
den, der nie einen Glauben hatte,
den der seinen Glauben verloren hat.

Der Gott, auf dessen Gnade ich angewiesen bin, der verleiht mir Würde, gebe ich doch diese Würde weiter.
Sehe ich nicht in dem anderen den Hilfsbedürftigen sondern sehe ich in ihm den Menschen, der Stärken und Schwächen hat genau wie ich.

Werde ich zur Freudenbotin, gebe ich das Gute weiter, einfach indem ich den anderen als Menschen respektiere.

Paulus schreibt den Galatern:
Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir

Wenn Christus in mir lebt,
dann geht er mit mir, wohin auch immer ich gehe.
Dann ist er da wohin ich gehe.
Dann beeinflusst er mein Handeln.

Aber dazu muss ich es erlebt haben:
Seine Gnade rettet mich,
seine Liebe macht mich mutig und stark,

mutig, das zu tun und zu sagen, was mein Herr mir als Aufgabe vor die Füße gelegt hat.

Friedrich Schwanecke spricht die Vermutung aus:
Du bist gekommen, Gottlose zu retten – also rettest du mich?

Martin Luther sagt:
Glaube ist eine lebendige verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade, so gewiss, dass er tausendmal dafür sterben würde. Und solche Zuversicht und Erkenntnis göttlicher Gnade macht fröhlich, trotzig und lustig gegen Gott und alle Kreaturen; das wirkt der Heilige Geist im Glauben.

So möge der Heilige Geist auch uns den Glauben schenken, dass unser Gott und Vater auch uns fröhlich, trotzig und mutig macht, das zu tun und zu sagen, was er uns vor die Füße legt.

Amen

20151019

Martin Adel: Das Reich Gottes annehmen wie ein Kind

18.10.2015 - 20. Sonntag nach Trinitatis
Predigt Markus 10,13-16
gehalten in Maria Magdalena


Mk 10,13-16
Die Segnung der Kinder
13 Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an.
14 Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes.
15 Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.
16 Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie.

1. Jesus, der Kinderfreund – Güte contra Härte
Ist Jesus nur ein Kinderfreund? Und wir Erwachsenen, was ist mit uns? Hartherzig, berechnend, vernünftig – vom Leben gezeichnet.
Ist hier das alte Bild nachgezeichnet:
Die gütige Mutter – der strenge Vater. Oder umgekehrt.
Der barmherzige Vater – der hartherzige Bruder.
Die gütige Angela Merkel – der egoistische Horst Seehofer.

Lasst die Kinder zu mir kommen ….

2. Kindesalter
Welche Kinder sind da überhaupt gemeint? Welches Alter hat er, welches Alter haben wir vor Augen, wenn Jesus von den Kindern spricht?

Sind die niedlichen Babys gemeint, die einen Nachts um den Schlaf bringen.
Oder meint er die ins Spiel sich verlierenden Dreijährigen, die mit ihrem Trotzkopf so manchen Familienausflug zu Nichte machen.
Meint er die neugierigen, fragenden, weltentdeckenden 8jährigen, die dann beim Zündeln fast das Haus anzünden.
Oder meint er die 12jährigen, die voller Liebe und Hilfsbereitschaft der Mama oder der Nachbarin die Tasche nach oben tragen und später mit dem Schulfreund heimlich die Sexheftchen durchblättern.

Lasst die Kinder zu mir kommen.
Welche Kinder meint Jesus denn?

Und außerdem: Sind Kinder so positiv, wie sie hier beschrieben sind? Wieviel Not war oft in den Familien durch die vielen Kinder. Wie viele Frauen sind gestorben über dem Kinderkriegen oder schon davor, weil sie zur Engelmacherin gegangen sind.
Die Erfindung der Pille, die Verhütung, ist da auch ein Segen gewesen – und auch ein Fluch, denn wie viele Paar bekommen nur schwer Kinder, nach Jahrzehnten des Verhütens.

Und dennoch sind Kinder sind ein Segen – Kinderlosigkeit wird oft schwer ertragen, bis heute.

Kinder sind auch eine Last.
- zu kleine Wohnung
- zu viele Erwartungen an die Familien
- Leistungsdruck, was alles wie sein muss …
- finanzielle Belastung (aber auch Spinnerei unserer Zeit)
- abgetrieben (Indien-Mitgift, China – Ein-Kind-Familie)
- Streit in der Familie, unter Geschwistern

Sieht Jesus das nicht.
Doch. Er sieht es. Und er weiß selbst, was es heißt, ein „Bastard“ zu sein. Das uneheliche Kind der Maria!

Jesus hat nicht viel zu den Kindern gesagt und dennoch steht hier dieses zentrale Wort, das auch bei so vielen Taufen gelesen, bepredigt oder vorgespielt wird.
Lasst die Kinder zu mir kommen ….

Was meint er damit?

3. Kindsein ist kein Zustand, eine Haltung, eine Lebenseinstellung
Und wir ahnen schon, das Kindsein ist kein sozial-romantischer Zustand, sondern eine Haltung, eine Lebenseinstellung.

Wenn man nur die Evangelien sprechen lässt:
a. Mt 5,9 Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.

b. Mt 21,15 Die Tempelreinigung
12 Und Jesus ging in den Tempel hinein und trieb heraus alle Verkäufer und Käufer im Tempel und stieß die Tische der Geldwechsler um und die Stände der Taubenhändler
13 und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus soll ein Bethaus heißen«; ihr aber macht eine
14 Und es gingen zu ihm Blinde und Lahme im Tempel und er heilte sie.
15 Als aber die Hohenpriester und Schriftgelehrten die Wunder sahen, die er tat, und die Kinder, die im Tempel schrien: Hosianna dem Sohn Davids!, entrüsteten sie sich
16 und sprachen zu ihm: Hörst du auch, was diese sagen? Jesus antwortete ihnen: Ja! Habt ihr nie gelesen (Psalm 8,3): »Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet«?

c. Kindervergleiche
- Kinder dieser Welt oder Kinder des Lichts (Lk 16,8; Joh 12,36),
- Kinder des Allerhöchsten (Lk 6,35),
- Kinder der Auferstehung (Lk 20,36),

d. Johannesprolog (Joh 1)
10 Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. 11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. 12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben.
14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

e. Mk 5,39 Heilung des Töchterchen des Jairus
35 Als er noch so redete, kamen einige aus dem Hause des Vorstehers der Synagoge und sprachen: Deine Tochter ist gestorben; was bemühst du weiter den Meister?
36 Jesus aber hörte mit an, was gesagt wurde, und sprach zu dem Vorsteher: Fürchte dich nicht, glaube nur!
37 Und er ließ niemanden mit sich gehen als Petrus und Jakobus und Johannes, den Bruder des Jakobus.38 Und sie kamen in das Haus des Vorstehers, und er sah das Getümmel und wie sehr sie weinten und heulten. 39 Und er ging hinein und sprach zu ihnen: Was lärmt und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, sondern es schläft.
40 Und sie verlachten ihn. Er aber trieb sie alle hinaus und nahm mit sich den Vater des Kindes und die Mutter und die bei ihm waren und ging hinein, wo das Kind lag, 41 und ergriff das Kind bei der Hand und sprach zu ihm: Talita kum! – das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf! 42 Und sogleich stand das Mädchen auf und ging umher; es war aber zwölf Jahre alt. Und sie entsetzten sich sogleich über die Maßen. 43 Und er gebot ihnen streng, dass es niemand wissen sollte, und sagte, sie sollten ihr zu essen geben.

f. Speisung der 5000 (Joh 6,9)
8 Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: 9 Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele?
10 Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Männer.

g. Der Rangstreit der Jünger (Mt 18,1ff)
18 1 Zu derselben Stunde traten die Jünger zu Jesus und fragten: Wer ist doch der Größte im Himmelreich?
2 Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie
3 und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. 4 Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich. 5 Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.
Warnung vor Verführung zum Abfall
6 Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist.

4. Wes Geistes Kind bin ich?
Was ist das, was Jesus am Beispiel der Kinder uns mit auf den Weg geben möchte?
Wir sind ja keine Kinder mehr – klein, süß, drollig, unschuldig, unvoreingenommen.
Im Gegenteil, mich regen eher die Erwachsen auf, die nicht erwachsen werden wollen.
Und doch spricht Jesus von der Kindschaft und vom neu geboren werden. Und der erwachsene und gelehrte Nikodemus
Ist völlig durcheinander, weil er es sich mechanisch oder materiell oder ganz real vorstellt, wie ein Erwachsener wieder aus seiner Mutter Leib geboren werden könnte. (Joh 3,1ff)

Geistig, geistlich neu geboren werden?! … werden wie die Kinder?
Kindisch?
Kindlich?
Führt uns Jesus in die Irre?

Und der Widerstand regt sich in uns: Weit hat er es ja selbst auch nicht gebracht mit diesem naiven Vertrauen.
„Hosianna… und dann Kreuzigt ihn.“ Da wäre er mal lieber nicht so unbedarft, so kindlich, so vertrauensselig gewesen.

5. Vertrauen – wie viel?
Und da ist es wieder, dieses: Vertrauen.
… Fürchte dich nicht, glaube nur.
Aber wie viel Vertrauen ist denn da gemeint?
Heißt es nicht auch: Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser.
Wir wollen doch auch nicht dumm sein, sondern: „klug wie die Schlange …“
Und außerdem heißt es doch auch, dass wir uns hüten sollen vor dem Versucher. … Und wir können doch auch nicht nur blind vertrauen, sondern es heißt doch auch: Prüfet alles und das Gute bewahret.
Aber was ist denn gut?
Und dann ist es wie am Anfang: Wie alt sind die Kinder denn, die Jesus meint. Welches Vertrauen meint er denn? Das von Baby, oder von 4-jährigen, von 8-jährigen, das von 12-jährigen?

6. Es gibt keine Garantien
Jesu Wort bleibt eine Herausforderung, eine Provokation und gleichzeitig eine Aufgabe.
Es gibt keine Garantien für das Leben.
Vieles klären wir heute über das Recht. Und der Rechtsanspruch, das Rechtsstaat ist etwas ganz Wichtiges.
Und wir klären es über Versicherungen: dann zahlt die Versicherung – Gott sei Dank oder auch nicht – je nachdem, welche Erfahrungen ich gemacht habe.
Aber auch wenn die Versicherung den Einbruch bei mir zuhause bezahlt, heißt das noch nicht, dass ich über den Eingriff in mein Privates so ohne weiteres hinweg komme.
Mit der Krankenversicherung ist das nichts anderes. Sie bezahlt mir die Kosten beim Arzt, aber wie ich mit meiner Krankheit zurechtkomme, mit dem Diabetes, mit den Schmerzen, mit dem Krebs, mit der Einschränkung, mit dem Defekt, dem Bedürftig sein, dem auf Hilfe angewiesen sein, das steht oft auf einem ganz anderen Blatt.

Und spätestens dann spüren wir: Die wesentlichen Dinge gehen nicht über das Recht, sondern über das Vertrauen.
- Wenn wir uns das JA-Wort geben, wissen wir nicht, wie unsere Ehe in zwanzig Jahren sein wird. Und trotzdem gehen wir mutig!
- Wenn wir Kinder bekommen, wissen wir nicht, ob sie uns einmal im Alter versorgen werden. Und trotzdem gehen wir mutig!
- Wenn wir mutig ins Leben ziehen und unser Land mitgestalten, wissen wir nicht, wie unser Land in zwanzig Jahren sein wird, ob Krieg ist, atomare Verseuchung, Klimakatastrophen. Und trotzdem gehen wir mutig!
- Wenn wir auf Gottes Schutz und Segen bauen und dieses und jenes unter seinem Namen beginnen, entscheiden, wagen, wissen wir nicht, wie es wird. Vielleicht scheitern wir. Vielleicht halten wir die Härte des Lebens nicht aus. Vielleicht … Und trotzdem gehen wir mutig!

Die Begegnung Jesu mit dem „Reichen Jüngling“, die direkt nach dem Kinderevangelium zu finden ist, lese ich wie eine Auslegung zu unserem Predigtwort. (Mk 10,17ff).
Der reiche Jüngling fragt Jesus: Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? ….  Und Jesus antwortet:
19 Du kennst die Gebote: »Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; ehre Vater und Mutter.«
20 Er aber sprach zu ihm: Meister, das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf.
21 Und Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb und sprach zu ihm: Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach! 22 Er aber wurde unmutig über das Wort und ging traurig davon; denn er hatte viele Güter.
Und danach folgend diese so anschaulichen Worte Jesu: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass ein Reicher in den Himmel kommt. Und nun erschrecken auch die Jünger und fragen: Wer wird denn dann hinein kommen? Und Jesus entzieht ihnen völlig den Boden und führt uns zurück auf das Einzige, das wir als Kinder Gottes haben: Das Vertrauen.
„Bei den Menschen ist's unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.“ (Mk 10,27)

Wir haben keine Garantien.
Wenn uns das bewusst wird, dann erschrecken wir vielleicht, weil wir gar so Geworfene sind. Und gleichzeitig kann hier das Vertrauen beginnen:
Gott, du an meiner Seite?!
Gott, du auf grüner Aue und bei mir im Angesicht meiner Feinde?
Lasst die Kinder zu mir kommen …
Wenn ihr das Reich Gottes nicht annehmt wie ein Kind …

Du Gott bist der Ort, bei dem ich Zuhause bin. Geborgen, absichtslos, voller Vertrauen. In meiner Krankheit bin ich gesund vor dir. In meiner Begrenztheit doch so reich. In meiner Schwachheit doch so stark.

Lassen wir uns immer wieder neu in der Nähe Gottes von Gott selbst verwandeln, von den enttäuschten Kindern der Welt zu den Kindern Gottes. Und kommen wir trotz aller Erfahrung und Härte des Lebens und der Realität und des Erwachsenseins – das von Gott gewollt ist! - immer wieder zurück zu einem kindlichen Staunen und Fragen und Danken und Vergessen und Neuanfangen. Mit vorbehaltloser Liebe. Mit Vertrauen. Mit Hingabe. Wie ein Kind. In der inneren Gewissheit: ES WIRD!

Amen.



Definition: Jugend
BegriffsentstehungDer Begriff Jugend ist historisch gesehen relativ jung und wurde erst um 1800 häufiger verwandt. Der Begriff des Jugendlichen war dabei ursprünglich ambivalent besetzt (Jugend ist Trunkenheit ohne Wein) und diente auch zur Distanzierung von einer Personengruppe, die als gefährdet definiert wurde. Der Begriff bezeichnete dann beispielsweise in der Jugendhilfe der 1880er Jahre eine männliche Person aus der Arbeiterklasse zwischen 13 und 18 Jahren, der Tendenzen zur Verwahrlosung, Kriminalität und eine Empfänglichkeit für sozialistisches Gedankengut unterstellt wurden. Erst nach 1900, im Zuge der Jugendbewegung, wurde die eher negative Konnotation des Begriffs (Jugend als Gefährdung und Unreife) durch ein positives Bild ersetzt. Im Rahmen nationalistischer Strömungen entstand nach dem Ersten Weltkrieg ein politischer Jugendmythos: Jugend als Motor der Geschichte (Wer die Jugend hat, hat die Zukunft). Hitler war dann in der nationalsozialistischen Propaganda der junge Führer. Das erste negative Jugendbild in der Industriegesellschaft wirkte jedoch latent weiter und ist gerade in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche wieder aktualisierbar, wie die Diskussion um Jugendgewalt und Jugendkriminalität in den 1990er Jahren zeigte: Jugend(liche) als Gefährdung und Bedrohung.Definitionen der „Jugend“Jugend kann auf verschiedene Arten betrachtet werden, zum einen bezeichnet der Begriff eine Phase im Leben eines Individuums und zum anderen wird damit eine eigenständige Gruppe von Menschen erfasst. Je nach Auffassung kann man zur Eingrenzung der Lebensphase heute bestimmte Alterswerte oder aber eine Definition anhand von qualitativen Merkmalen vornehmen. Gemäß dieser zweiten Möglichkeit wird als Beginn der Jugendphase meistens die körperliche Geschlechtsreife gewählt, als Ende das Erreichen von finanzieller und emotionaler Autonomie.


Kinder: 0 – 11 Jahre! 
Die Kindheit teilte sich im Mittelalter generell in drei Phasen: infantia, puertia und adolescentia. 0-7/7-14/14-21