20160111

Martin Adel: Die Heiden sind Miterben

Epiphanias 06.01.2016
Predigttext Epheser 3,2-3a.5-6

2 Ihr habt ja gehört, welches Amt die Gnade Gottes mir für euch gegeben hat: 3 Durch Offenbarung ist mir das Geheimnis kundgemacht worden … 5 Dies war in früheren Zeiten den Menschenkindern nicht kundgemacht, wie es jetzt offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist; 6 nämlich dass die Heiden Miterben sind und mit zu seinem Leib gehören und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind durch das Evangelium.


Liebe Gemeinde,

1. Und wenn es stimmt?
Wenn ich das schon höre: Mein Amt von Gottes Gnaden. Durch Offenbarung das Geheimnis Gottes kundgemacht. Dies war in früheren Zeiten den Menschenkindern nicht kundgemacht wie es jetzt offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist … Das sind schon steile Begründungen, mit denen Paulus hier sich Gehör verschaffen will. Diese Ausschließlichkeit. Diese Unangreifbarkeit. Diese Arroganz.
Und wir? Wir sind dann schon von vornherein misstrauisch. Da vereinnahmt einer Gott für seine Sache.
Das gehört sich nicht!
Das ist gotteslästerlich.
Dafür haben sie schon damals Christus gekreuzigt.
Warum nicht auch den Paulus. Im Namen Gottes!

Aber ist unsere Alternative besser? Wir haben es uns abgewöhnt von Gott zu reden. Viel zu viel Ungöttliches ist im Namen Gottes schon geschehen – und geschieht ja immer noch.
Wir reden deshalb heute lieber von uns. Vom Menschen. Rein Menschlich. Wir sagen: Das scheint sinnvoll. Das ist logisch. Das ist demokratisch.
Oder wir sagen gar nichts mehr, außer: Das ist halt MEINE Meinung! Und die Meinungsfreiheit ist uns ja sogar durch das Grundgesetz zugesichert. Der Rückzug ins unangreifbare ICH. Ich fühle. Ich empfinde. Ich meine. Ich glaube.

Aber was ist, wenn MEINE Meinung falsch ist?
Wenn meine Meinung vielleicht beleidigend ist, menschenverachtend, egoistisch, zerstörerisch – mich selbst oder andere? Wer korrigiert sie mir?

Und das war bei Paulus nicht anders. Er war der festen Überzeugung, dass die Christen verfolgt werden müssten. Und er tat es. Bis, ja bis er selbst von Gott gefunden wurde, damals bei Damaskus. Und diese einzige Frage: „Was verfolgst du mich?“ wird der Anfangs- und Wendepunkt im Leben des Paulus – Gott sei Dank. Vom Christenhasser verwandelt er sich hin zum großen Völkerapostel, der wie kein Zweiter später von der Liebe Gottes schreiben wird und von der Freiheit und von der Versöhnung, von der Auferstehung und immer wieder von der Verwandlung in Christus.
Die Befreiung von sich selbst, von seiner Meinung, von seiner engen Sichtweise empfindet er als so grundlegend, dass er nun davon erzählen muss, denen, die es hören wollen und denen, die es nicht hören wollen. Und die, die bleiben, die sind sein Gegenüber und bilden die jungen Gemeinden in Korinth oder in Thessaloniki oder in Rom oder wie hier in Ephesus. Bunt gemischt – in den Handelsstädten aus der ganzen Welt zusammengewürfelt.
Und es geht nicht um Mehrheiten oder Besitzstandswahrung,  sondern um das Bezeugen dessen, was ihn grundlegend umtreibt. Es geht um seine innerste Überzeugung.

Und etwas anderes machen wir heute ja auch nicht. Was haben wir denn im Glauben für Beweise, außer unsere eigene Haltung und die Haltung derer, die mit uns hier sind. Was haben wir anderes, als unsere Entscheidung, dass es sich lohnt, sich diesem Wort Gottes immer wieder neu auszusetzen, unser Denken, unser Handeln, und Sehnen und Hoffen durch die Aussagen der Bibel bestimmen zu lassen, die Welt von dort her zu betrachten. Das Wort Gottes nachzuleben und ihm Zuzutrauen, dass ES oder besser ER uns mit seinen Orientierungsmarken auf einen guten Weg führt.

Wir stellen uns gerne in diesen Fragen ein wenig Abseits oder auf das Podest der kritischen Vernunft und meinen dann: Aber so wie der Paulus kann man das nicht sagen. Das klingt viel zu absolut, viel zu endgültig. Da fehlt jede Offenheit. Man muss das alles immer auch relativ sehen. Und so genau kann man das doch …

Sicherlich, das ist auch eine Haltung, gerade in Glaubensdingen, so völlig unbestimmt und unsicher: Und was ist, wenn das alles nicht stimmt? Wenn das alles nur Einbildung ist, das in der Bibel.

Oder wir üben uns einmal in der anderen Haltung ein. Was ist, wenn das stimmt?


2. Wer gehört dazu?
Ja noch anders: Wäre es nicht wünschenswert, dass es stimmt, so wie Paulus hier mit aller Autorität und Macht sagt:
5 Dies war in früheren Zeiten den Menschenkindern nicht kundgemacht, wie es jetzt offenbart ist seinen heiligen Aposteln und Propheten durch den Geist; 6 nämlich dass die Heiden Miterben sind und mit zu seinem Leib gehören und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind durch das Evangelium.

Denn was heißt das denn als raus auf die Straße. Das Evangelium muss unter die Menschen.
Im Judentum war das klar – und ist es bis heute. Jude wird man durch Geburt, d.h. durch eine jüdische Mutter. Ein auserwähltes Volk unter allen Völkern. Die wenigen Proselyten mal ausgenommen.

Aber bei den Christen muss das anders ein – so meint es zumindest Paulus. Da gibt es keine heilige Abgrenzung mehr. Alle sind angesprochen. Alle gehören dazu.
Und hier öffnet Paulus uns den Horizont gewaltig. Und seine Antwort ist ganz klar und eindeutig:
die Heiden sind Miterben, die mit zu seinem Leib gehören und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind durch das Evangelium.
Alle sind angesprochen. Keine Exklusivrechte. Weltumspannend. Die ganze Welt.

Gut, wir könnten es jetzt noch etwas genauer eingrenzen und sagen: Paulus meint aber nur die, die sich zu Christus halten. Aber selbst da bleibt es eine Herausforderung, was da steht.
Reicht es ja schon, wie oft es uns untereinander schwer fällt, den Nachbarn in der Kirchenbank oder den schräg gegenüber vollwertig als Miterben im Leib Christi und als Mitgenossen der Verheißung zu sehen. Und da sitzt dann noch nicht einmal der Bettler und der Junki hinten drin und zwei Reihen weiter vorne der hart verhandelnde Geschäftsmann oder die reiche Witwe – wenn die überhaupt noch da sind.
Wie viel schwerer fällt es uns das dann noch, wenn unsere Glaubensgeschwister andere Sitten oder Haltungen pflegen, ob die Deutschen aus Russland oder die Siebenbürger Sachsen. Ob die Hände gefaltet oder hoch erhoben beim Lob Gottes. Ob bekreuzigt oder mit Kniebeuge und mit Weihrauch – wie die Katholiken oder ganz ohne Liturgie und schlicht in der gesamten Ausstattung – wie die Reformierten.
Was haben wir uns gegenseitig die Köpfe eingeschlagen und das Leben schwer gemacht – hätten wir es nur einmal geglaubt, was Paulus hier sagt:
6 nämlich dass die Heiden Miterben sind und mit zu seinem Leib gehören und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind durch das Evangelium.

Denn Paulus ist von Christus der Blick geöffnet worden. Und so wendet er auch unseren Blick auf Christus hin, damit sich von dort her auch unsere Augen öffnen hin zur Welt. Zur ganzen Welt.

Und dann sind wir mit unseren Betrachtungen noch gar nicht außerhalb unseres Landes gegangen, um die Miterben und Mitgenossen vollwertig wahrzunehmen und uns an ihnen zu freuen – wer da mit uns auf dem Weg ist.
Die Armenischen Christen. Die Kopten in Ägypten. Die Geschwister in Tansania. Die pfingstlerische Erweckung in China.

Spüren wir das, wie Groß dieses Werk Gottes ist, oder beäugen wir es lieber kritisch: Na, ob die oder ob der …. Ich weiß ja nicht. Aber ich sach ja nix. Ma red ja blos. Ich denk mer nur.

3. Alle sind Miterben - lasst uns das freudig verkündigen
Der Dreikönigstag ist eine gute Gelegenheit, um uns wieder einmal bewusst zu machen, wie groß und reichhaltig Gott seine Kirche gebaut hat.
Nicht von ungefähr kommen bei Matthäus die Weisen aus dem Morgenland an die Krippe. Schon bald stehen diese Drei sinnbildlich für die Weisheit der ganzen Welt. In Alter und Hautfarbe werden sie unterschieden, um zum Ausdruck zu bringen, dass alle Generationen und alle Nationen hier willkommen sind. Zumindest hier soll Einheit herrschen und in der Verbeugung vor dem Kind werden die Hierarchien aufgelöst. Eins in Christus – wird Paulus später schreiben.
Ein Modell von weltumspannender Gemeinschaft, das nicht auf Macht und Gewalt beruht, sondern auf Verständigung der Gleichen unter Gleichen – Kinder Gottes. Und wie oft machen wir ein geschwisterliches Gezänk daraus!
Spaltung wollte Paulus keine, auch Luther nicht, aber Vielheit, die wir aushalten, weil wir alle eins sind in Christus.
Das ist immer Gabe und Aufgabe.
Und deshalb gilt es immer auch zu entdecken, was uns die anderen zu sagen haben und dann zu prüfen und das Gute zu bewahren. Ein lebendiger Prozess von Hören und Gehört werden.
Alle sind angesprochen.
Alle sind eingeladen zu diesem Wort Gottes.
Was für ein Geschenk.
Bauen wir keine Zäune darum herum, auch wenn wir nicht alle Haltungen und nicht alle Verlautbarungen und Meinungen und nicht alle Beschlüsse der anderen gut heißen, tolerieren oder unterstützen wollen. Vernunft ist nun mal Vernunft.
Aber eines muss uns dabei innerlich eine Freude bleiben, dass über ihnen und uns allen gilt:
dass wir Miterben sind und mit zu seinem Leib gehören und Mitgenossen der Verheißung in Christus Jesus sind DURCH das Evangelium.


Amen