20110411

Martin Adel: Paulus – Zur Freiheit befreit

Judika – 10.04.2011 Themenpredigt: Paulus

Liebe Gemeinde

1. Hinführung

Da ist einer auf dem besten Weg Karriere zu machen. Ein Fleißiger, ein Gescheiter, ein Eifriger, ein Pflichtbewusster. Alles läuft in guten, wohlgeordneten Bahnen. Er hat Erfolg. Er kann sich ausdrücken und er hätte es weit bringen können. Er steht auf der richtigen Seite, gewinnt an Macht und Ansehen und bekommt die Mittel, die anderen, die auf der falschen Seite stehen zu verfolgen, gefangen zu nehmen und mundtot zu machen.

Doch dann passiert ein tiefer Einschnitt in seinem Leben. Christus stellt sich ihm in den Weg und er steht plötzlich auf der anderen Seite.

Statt zu verfolgen, wird er nun zum Verfolgten. Die bürgerliche Sicherheit tauscht er ein in finanzielle und berufliche Ungewissheit. Hunger, Not, Bedrängnis, Verhaftung, Anfeindungen werden sein stetiger Begleiter und am Ende seines Lebens stirbt er den Märtyrertod für seinen Glauben. Und doch ist er jetzt zufriedener und freier als zuvor. Alle Äußerlichkeiten treten in den Hintergrund, weil er in Christus einen ganz neuen Wert gefunden hat, einen, der mehr aufwiegt als alle Sicherheiten davor.

Dort oben steht dieser Mann, dieser Paulus – der Völkerapostel, Jahr und Tag in unserer Kirche, die auch seinen Namen trägt, mit dem Schwert der Verkündigung in der Hand. Und wir hören ihn sagen: (Phil 3) 7 was mir(früher ein) Gewinn war, (worauf ich stolz war) das habe ich um Christi willen für Schaden erachtet … und ich erachte es für Dreck. Denn: Gal 5,1: Christus hat uns Zur Freiheit befreit.

2. Vita Pauli bis zur Bekehrung

Was ist passiert?
Schauen wir zurück.
Paulus war ein frommer Jude. Er ist streng. Streng mit sich selbst und mit den anderen. Keine Nachlässigkeiten – die tun nicht gut. Er ist gesetzestreu. Da weiß man, was richtig ist. Da gibt es klare Regel. So ist es richtig – so ist es falsch. Und das gilt nicht nur für die Arbeit, sondern auch zu Hause, in der Familie, im Privaten. Das ist eine Lebenshaltung, eine Überzeugung. Denn Gott ist ein gerechter Gott und streng noch dazu. Die Gnade Gottes muss man sich verdienen – wie auf Erden so im Himmel.

Und dann kommen sie auch aus unserem Mund, die Worte: hart, klar und verletzend:
Also so eine gute Frau hat der nicht verdient?
Siehst du, das hat er jetzt davon. Aber er wollte ja nicht hören.
Da brauchst du kein Mitleid haben, die hat ihr Leben selber verpfuscht.
Wer mit dem Feuer spielt … Gilt das auch für Fukuschima?
Wie sagen wir gern: Das Leben ist hart, aber gerecht.

Und dann kommen da welche und sagt: Gott ist Liebe! – das ist zu einfach. Ein Mensch - Gottes Sohn! Der Messias! Der mein Versagen gnädig ansieht! Der mich durch die Verstrickungen und Verwirrungen meines Lebens hindurch ansieht und mir mit geöffneten Armen entgegen eilt und ruft: Mein Sohn – meine Tochter.
Das verwässert alles. Da fehlt die Strenge und die Disziplin und die ausgleichende Gerechtigkeit. Das ist Gotteslästerung.

Und deshalb muss die gute, alte Ordnung wieder hergestellt werden.
Und wenn ein Stephanus nicht bereit ist, zu widerrufen, dann muss er eben die Konsequenzen dafür tragen. Auch wenn man ihn dafür steinigt! Das mag hart klingen, ist aber gerecht. Schließlich hat er es doch selber so gewollt.
In dieser inneren Lebenshaltung zieht Paulus weiter nach Damaskus, um dem ganzen Christen-Spuk ein Ende zu setzen. Doch dann stellt sich ihm Jesus Christus in den Weg und öffnet ihm die Tür zu einem neuen Leben.

Und so heißt es in der Apostelgeschichte:
Die Bekehrung des Saulus (Apg 9)
1 Saulus aber schnaubte noch mit Drohen und Morden gegen die Jünger des Herrn und ging zum Hohenpriester 2 und bat ihn um Briefe nach Damaskus an die Synagogen, damit er Anhänger des neuen Weges, Männer und Frauen, wenn er sie dort fände, gefesselt nach Jerusalem führe.
3 Als er aber auf dem Wege war und in die Nähe von Damaskus kam, umleuchtete ihn plötzlich ein Licht vom Himmel; 4 und er fiel auf die Erde und hörte eine Stimme, die sprach zu ihm: Saul, Saul, was verfolgst du mich? 5 Er aber sprach: Herr, wer bist du? Der sprach: Ich bin Jesus, den du verfolgst. 6 Steh auf und geh in die Stadt; da wird man dir sagen, was du tun sollst. 7 Die Männer aber, die seine Gefährten waren, standen sprachlos da; denn sie hörten zwar die Stimme, aber sahen niemanden. 8 Saulus aber richtete sich auf von der Erde; und als er seine Augen aufschlug, sah er nichts. Sie nahmen ihn aber bei der Hand und führten ihn nach Damaskus; 9 und er konnte drei Tage nicht sehen und aß nicht und trank nicht.

Und was danach folgt ist ein tiefgehender Wandel vom Saulus zum Paulus.

Es braucht einige Jahre, bis Paulus zu dem wird, wie wir ihn heute kennen – der Völkerapostel und der Missionar für die weltweite Christenheit. Doch eines ist dabei immer klar. Diese Begegnung mit Jesus Christus lässt in ihm das heranwachsen und reifen, was er ab sofort auch lebt und verkündet. Die Gesetzlichkeit ist zerbrochen. Und was darauf folgt ist nicht die Beliebigkeit oder die Schlamperei und Nachlässigkeit, sondern liebende Blick auf das Leben. Und Paulus schreibt: „Zur Freiheit hat uns Christus befreit“

3. Neues ist geworden - Paradigmenwechsel

Durch die Begegnung mit Christus und die Beschäftigung mit seinem Leben, seinen Worten, seinen Taten findet in Paulus ein völliger Paradigmenwechsel statt.
Nicht mehr ich, sondern Christus – das ist die Perspektive.
Nicht mehr meine Werke, meine Gerechtigkeit, mein Können, mein Erfolg, mein Ansehen, meine Tollheit, sondern Gottes Liebe und seine Gerechtigkeit sind der Maßstab für mein Leben und für meinen Umgang mit den anderen. In Christus werden wir zu einer neuen Kreatur.

2 Kor 5,17ff
Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur; das Alte ist vergangen, siehe, Neues ist geworden.
19 Denn Gott war in Christus und versöhnte die Welt mit sich selber und rechnete ihnen ihre Sünden nicht zu und hat unter uns aufgerichtet das Wort von der Versöhnung. …. Lasst euch versöhnen mit Gott!


Das ist das Evangelium. Die Kraft Gottes, die uns befähigt, ja, die uns nötigt, in die Welt eine anderes Wort hinein zu sprechen als Selbstgerechtigkeit, Ausgrenzung und Verachtung.

Die Hartherzigkeit, die er früher gelebt hat, findet eine grundlegende Verwandlung durch Christus und er kann sagen:

Gal 2,19f
Ich bin mit Christus gekreuzigt. 20 Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir. Denn was ich jetzt lebe im Fleisch, das lebe ich im Glauben an den Sohn Gottes, der mich geliebt hat und sich selbst für mich dahingegeben.

4. Ihr seid alle Gottes Kinder

Und diese Veränderung geht so weit, dass er sich sogar mit den den Jüngern und Aposteln in Jerusalem anlegt und das Evangelium für uns, für die Welt befreit.
Denn als die anfangen, untereinander Grenzen zu ziehen und Gesetze aufzurichten, wer wie und wie am besten glaubt und nachfolgt, ob z.B. die Griechen, also die Heiden, nicht vor der Taufe noch beschnitten werden müssten oder dass sie zumindest die jüdischen Speisegesetze als religiöses Muss einhalten müssten, da sträubt sich in ihm alles und er schreit:
Nein! Hört endlich auf mit dieser permanenten Unterscheiderei, wer wo her kommt und wer welche Hautfarbe, welche Nationalität, welche Tradition, welchen Stand, welche Sprache, welches Geschlecht hat.

Gal 3,25ff
25 Nachdem aber der Glaube gekommen ist, sind wir nicht mehr unter dem Zuchtmeister (des Gesetzes). 26 Denn ihr seid alle durch den Glauben Gottes Kinder in Christus Jesus. 27 Denn ihr alle, die ihr auf Christus getauft seid, habt Christus angezogen. 28 Hier ist nicht Jude noch Grieche, hier ist nicht Sklave noch Freier, hier ist nicht Mann noch Frau; denn ihr seid allesamt einer in Christus Jesus.

Und als sie weiter machen zu unterscheiden und sich die Köpfe einzuschlagen, wer denn besser glaubt und wer denn eher den Willen des Herrn erfüllt, wer denn den besseren Gottesdienst täte und wer denn bei Gott mehr ansehen hätte, die, die prophetisch reden, die die im Chor singen, die die nur ruhig in den Gottesdienst gehen oder die, die in Ekstase und Verzückung geraten über dem Wort Gottes.
Da schreibt er an die Gemeinde in Korinth und manchmal habe ich den Eindruck, als hätte er die Worte direkt an uns hier in St. Paul geschrieben: Hört auf euch ständig abzugrenzen in Alte und Junge und wie es sich denn nun richtiger, heiliger, evangelischer verhält.

1 Kor 12
4 Es sind verschiedene Gaben; aber es ist ein Geist.
5 Und es sind verschiedene Ämter; aber es ist ein Herr.
6 Und es sind verschiedene Kräfte; aber es ist ein Gott, der da wirkt alles in allen.
Christus ist der Leib und wir alle Glieder dieses Leibes.
13 Denn wir sind durch einen Geist alle zu einem Leib getauft, wir seien Juden oder Griechen, Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt. …. 26 Und wenn ein Glied leidet, so leiden alle Glieder mit, und wenn ein Glied geehrt wird, so freuen sich alle Glieder mit.


Christus ist und bleibt das Zentrum allen unseres Lebens und Denkens. Und es würde schon ausreichen, wenn wir unsere unterschiedlichen Gaben in den Dienst dieses einen Gottes stellen würden, anstatt herum zu mäkeln, wer was tut und wie er es tut und was er denn alles tun könnte …

5. Zur Freiheit befreit

Gal 5,1ff
1 Zur Freiheit hat uns Christus befreit! So steht nun fest und lasst euch nicht wieder das Joch der Knechtschaft auflegen! 6 Denn in Christus Jesus gilt weder Beschneidung noch Unbeschnittensein etwas, sondern der Glaube, der durch die Liebe tätig ist. …. 14 Denn das ganze Gesetz ist in einem Wort erfüllt, in dem (3.Mose 19,18): »Liebe deinen Nächsten wie dich selbst!« 15 Wenn ihr euch aber untereinander beißt und fresst, so seht zu, dass ihr nicht einer vom andern aufgefressen werdet.

Die Begegnung mit Christus hat Paulus in seinem innersten tief beschämt und verändert. Ihm, dem Verächter und Verfolger der Gemeinde hat Christus gewissermaßen zum Vorarbeiter in seinem Weinberg berufen. Aus der Enge aller Gesetzlichkeit und Rechthaberei hat Gott ihm Versöhnung zugesprochen und ihn zur Liebe befreit. Und es gibt nichts und niemanden mehr, den Paulus noch fürchten müsste. Über den Tod kann er dann sogar spotten: 1 Kor 15 - Tod, wo ist dein Sieg. Tod, wie ist dein Stachel.
Natürlich hat er genug Angst und Sorge – gerade um die jungen Gemeinden, die noch nach ihrem Weg suchen. Not und Verfolgung muss er erleiden, Bedrängnis, Trübsal, Gefängnis …


Doch in ihm wächst die Gewissheit und die Kraft gegen alle Enttäuschung und Niedergeschlagenheit und Rückschläge, dass sich die Liebe Gottes durchsetzen wird – denn aus ihr hat er sein Leben neu zurück bekommen, ein Herz das atmet – zur Freiheit befreit - und er wird zum Botschafter Christi in der Welt bis heute, wenn er sagt:

Röm 1,16f
16 ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Kraft Gottes, die selig macht alle, die daran glauben, die Juden zuerst und ebenso die Griechen.

Amen

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