20131228

Martin Adel: Christvesper 2013

Predigt Christvesper 2013

Wochenspruch: (Joh 1,14a)

Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit

Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.

Liebe Gemeinde.
Weihnachten fällt aus! Wäre das besser? Wenn wir auf die letzten Wochen zurück sehen, die Überstunden im Handel, die abgehetzten Paketboten, das Schnell, schnell – alles noch schnell vor Weihnachten.
Weihnachten fällt aus! Wäre das dann besser?
Eine Kollegin meiner Frau im Krankenhaus, eine Internistin, die schimpfte die Tage: Plötzlich sind alle gesund und wollen unbedingt noch vor Weihnachten nach Hause entlassen werden. Egal, wie krank sie sind. Und dann kommen sie wieder, noch vor Silvester, und sind noch schlimmer beieinander als davor. Und das alle Jahre wieder.
Weihnachten fällt aus! Wäre das besser?
Mir sagte die Tage jemand: Weihnachten ist doch nicht an ein Datum gebunden. Dieser kollektive Hype produziert doch eh nur Streit in der Familie. Wir hatten letzthin schon unser Weihnachten. Da saßen wir alle ganz unverkrampft beieinander und es war ein richtiger Friede zu spüren.
Kann also Weihnachten ausfallen? Dieses Jahr zumindest ausfallen, weil es schon war?
Als wir letzthin zusammen saßen, erzählte eine: Wir haben früher als Kinder immer an Weihnachten gezählt, wie viele Katastrophen und Kriege in den Nachrichten gezeigt werden. Und es wollte sich kein rechter Friede einstellen. Es waren irgendwie genauso viele Schreckensmeldungen wie immer; eher noch mehr.
Wozu dann noch Weihnachten, wenn nicht mal das gelingt?
Soll Weihnachten ausfallen?

Liebe Gemeinde,
natürlich könnten wir Weihnachten ausfallen lassen. Äußerlich. Doch eines wäre auch klar. Nichts wäre dadurch besser. Die Katastrophen und Kriege wären dennoch da. Und der Streit in den Familie auch. Und der Stress ebenso. Er hieße dann anders: Sonderangebot oder XXL Superschnäppchen oder was sich halt die Welt so einfallen ließe.

Machen wir doch uns nichts vor. Diese Dinge geschehen nicht wegen Weihnachten, sondern sie geschehen so oder so.
Aber weil Weihnachten ist, werden wir besonders darauf aufmerksam.
Und das zu Recht. Denn hier sind wir im Zentrum des Geschehens. Äußerlich können wir Weihnachten vielleicht ausfallen lassen, aber innerlich nicht. Denn Gott hat sich festgelegt, dort in der Krippe in Bethlehem im Stall.
Da kommt der, der den Unfrieden in der Welt sichtbar macht, weil er vom Frieden weiß. Vom umfassenden Frieden.
Deshalb wird uns an Weihnachten ganz besonders bewusst, wo Unfriede in der Welt ist und Unfriede in unseren Familien.
Weil dort der Versöhner der Welt liegt, wird uns schmerhaft bewusst, wieviel Unversöhnliches oft zwischen uns Menschen und zwischen den Ländern und Nationen ist.
Weil sich Gott festgelegt hat mit seiner Gerechtigkeit, wird für uns sichtbar und benennbar, wo Ungerechtigkeit herrscht – und keiner kann daran vorbei.
Und manchmal halten wir es kaum mehr aus, wie erbärmlich unsere Welt beieinander ist. Doch dieses Kind in der Krippe wird später an seiner Person zeigen, von welcher Qualität die Liebe Gottes zu uns Menschen ist und wo für uns der Weg zu wahrer Menschlichkeit führt – wohl wissen, dass es schon damals schwer war diese Wahrheit auszuhalten und man den wahren Menschen vernichten musste, um ungestört seinen eigenen Vorstellungen frönen zu können.


Wir können Weihnachten vielleicht verkitschen oder ihm aus dem Weg gehen, aber innerlich kommen wir nicht daran vorbei. Denn hier liegt das, was wir brauchen und wonach wir uns sehnen: Wärme, Geborgenheit und Liebe. Ein Stück Unschuld und Ehrlichkeit und Wahrhaftigkeit. Kurz: die Menschlichkeit. Gott selbst. Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns und wir sahen seine Herrlichkeit.

Gott sei Dank hat sich Gott entschieden und sich festgelegt. Ob wir´s wollen oder nicht.
Wer hat´s erfunden?
Nicht der Mensch!
Gott hat sich auf den Weg gemacht und er konfrontiert uns mit seinem Wort, auf dass ans Licht kommt, was Dunkel ist oder sich im Dunkeln versteckt halten möchte. Und wir kommen nicht mehr daran vorbei – die ganze Welt nicht mehr.
Deshalb schmerzt uns doch der Unfriede und das Gescheiterte und das Verletzte an Weihnachten ganz besonders, weil es uns in diesem Licht wieder bewusst wird, was nicht stimmt, was schon vorher nicht stimmte.
Und deshalb ist diese Worte der Engel so wichtig, dieses: „Fürchtet euch nicht. Siehe, euch ist heute der Heiland geboren.“ Damit wir nicht über dieser Wahrheit des Elends, des eigenen oder des fremden zerbrechen, sondern uns selbst auf den Weg machen, hin zum Stall und zur Krippe, um uns aus seinem Licht immer wieder Kraft und Orientierung zu holen für den eigenen Weg zum Reich Gottes.

Gott stellt sich uns in den Weg und das ist gut so. Denn damit ist es nicht mehr beliebig oder auf unsere eigene Stimmungslage angewiesen, ob wir hinschauen oder wegschauen wollen. Gott kommt auf die Erde, kommt, dass Friede werde.
Natürlich kann sich dieses Weihnachtserleben auch unterm Jahr einstellen. Und hoffentlich ist das auch so. Aber gefeiert, weltweit gefeiert wird es nicht nach dem eigenen Gutdünken, sondern wenn es gesetzt ist. Und das ist gut so. Denn in unserer weltweit vernetzten Welt gibt es nicht mehr viele Tage, an dem die Familie gemeinsam frei hat und sich alle auf den Weg machen können, um etwas von dem zu Erhaschen, was die Menschen an Christus erlebt haben.

Liebe Gemeinde,
wenn Gott kommt, ist nichts beliebig. Gott wurde konkret. So konkret, dass man nun an ihm beurteilen konnte, wo sich Gottes Reich auf Erden einfindet: Was ihr einem, dieser meiner geringsten … Und er lässt sich nicht abschütteln, damit wir begreifen, an ihm begreifen, wo Veränderung notwendig ist.
An seiner Barmherzigkeit entdecken wir die Unbarmherzigkeit.
An seiner Sanftmut entdecken wir die Härte.
An seiner Geduld entdecken wir den Zorn.
Und wir können es benennen, weil Gott sich in ihm festlegt, was gilt. Was schon hier gilt und was zum Schluss gilt.

Es ist eben kein süßes Geschichtlein – das wissen wir alle. Keine heilige Situation, aber eine heilende Situation.
Deshalb bis heute die Tränen in den Augen, weil wir gerührt und berührt werden, an diesem Abend, wo stehe ich, wo stehen wir, wo sind wir hingekommen und wo wollen wir hinkommen und dann Gott bitten: du Gott hier bei mir – offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, dort wo wir gerne die Weisheit nur durch Fakten ersetzen wollen. Gepredigt den Heiden – also uns, durch die Jahrhundert, ob vielen oder wenigen, ob gefragt oder ungefragt, ob geglaubt oder bezweifelt.
Denn es gilt:
Und groß ist, wie jedermann bekennen muss, das Geheimnis des Glaubens: Er ist offenbart im Fleisch, gerechtfertigt im Geist, erschienen den Engeln, gepredigt den Heiden, geglaubt in der Welt, aufgenommen in die Herrlichkeit.

Sollen wir Weihnachten ausfallen lassen?
Immer wieder fragen wir uns das auch, wenn wir die Vorbereitungen zum Krippenspiel treffen. Sollen wir nicht lieber aus Barmherzigkeit das Krippenspiel ausfallen lassen, weil doch eh schon alle erschöpft sind von den Weihnachtsfeiern und Krippenspielen davor, vom Weihnachtsmann und X-Mass-Day und Süßem und Glühwein und Dschingelbells.
Doch dann treibt sie uns immer wieder aufs Neue an, die Botschaft für uns: Fürchtet euch nicht, denn euch ist heute nicht der Weihnachtsmann, sondern der Heiland geboren.
Die Botschaft gilt für uns, für die Kinder im Kinderheim oder die in den Flüchtlingslagern der Welt. Gott sei Dank. Und sie versichert uns, dass das letzte Wort noch nicht gesprochen ist. Sondern sie markiert das Ziel und den Weg und gibt uns die Kraft, nicht aufzugeben, wider allem Augenschein.

Denn an der Krippe sind keine Traumtänzerein entstanden, sondern hier verbürgt sich Gott, dass er die Idee von seiner Schöpfung durchsetzen wird, gegen alle Widerstände zum Trotz – die Menschwerdung des Menschen.
Ob wir´s glauben wollen oder nicht. Daran vorbei kommt keiner. Der Anfang ist gemacht. Immer wieder. Alle Jahre wieder. Auch für uns. Gott sei Dank.
Amen

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