20100819

Werner Otto Sirch: Gott ist Liebe

12. Sonntag nach Trinitatis - 21.8.2010

Predigt 1. Johannes 4,7-12
7 Ihr Lieben, lasst uns einander liebhaben; denn die Liebe ist von Gott, und wer liebt, der ist von Gott geboren und kennt Gott.
8 Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht; denn Gott ist die Liebe.
9 Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen.
10 Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.
11 Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben.
12 Niemand hat Gott jemals gesehen. Wenn wir uns untereinander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist in uns vollkommen.



Liebe Gemeinde,
liebe Schwestern und Brüder,

1. Gott ist Liebe

Gott ist Liebe! Höre ich Widerspruch? Höre ich Zweifel, dass das so stimmt? Nein? Dann kann ich ja meine Predigt beenden, wir können unser Predigtlied singen, denn es ist ja alles klar. Nicht ganz, denn wir müssten uns noch darüber unterhalten, ob es für unser Leben Folgen hat wenn es heißt: Gott ist Liebe!

Oft höre ich ganz andere Aussagen über Gott. Er wird als göttliche Macht, als Schicksal umschrieben. Gerechtigkeit, Treue, Weisheit, Zorn werden ihm nachgesagt. Keiner der Propheten, keiner der Boten Gottes hat zu sagen gewagt „Gott ist Gerechtigkeit“ oder gar „Gott ist Zorn“. Aber das wissen wir alle: Gott liebt Gerechtigkeit, Gott zeigt auch Zorn, Gott offenbart seine Macht. Gott ist aber nicht Gerechtigkeit, Gott ist nicht Zorn und auch nicht Macht. Für mich wäre es schrecklich solch einen Gott zu haben: Einen Gott der Gerechtigkeit. Wie sehr haben wir nicht schon unter der Gerechtigkeit der anderen gelitten. Wenn etwas schief gelaufen ist und ein anderer voll inbrünstiger Gerechtigkeit seine Hand in unsere Wunden gelegt hat, ohne Erbarmen, ohne Gnade, ohne Vergebung. Ich habe Schwierigkeiten mit Gerechtigkeitsfanatikern und gehe ihnen lieber aus dem Weg. Vor solch einem Gott der das zum Prinzip macht hätte ich Angst – große Angst.

Einen Gott der Zorn ist, vor dem wäre meine Angst noch viel größer. Es ist schon schlimm genug, wenn Kinder Eltern haben die sehr schnell zum Zorn sind – vielleicht auch jähzornig. Zorn, der jederzeit über sie hereinbrechen kann, schon beim geringsten Fehler. Ein Zorn ohne Gnade, Unbarmherzig, voller Wut. Wenn sich so Gott zeigen würde – schreckliche Welt.

Gott ist Macht, das würde wohl den Umkehrschluss erlauben: Macht ist Gott und damit wäre das Schwache, das Machtlose verdammungswürdig. Ich weiß, dass wir in dieser Welt oft die Macht anbeten, Macht haben wollen, vor Menschen, die sich die Macht genommen haben kuschen und ihnen möglichst zu Diensten sind, damit sie uns wohlgesonnen sind. Wir haben Erfahrungen damit gemacht, wie leicht Macht missbraucht wird zum eigenen Wohl der Mächtigen.

Gott ist Liebe, das sagt uns der Schreiber des 1. Johannesbriefes. Gott ist Liebe, das ist das Wesen Gottes. Das ist sein innerstes Wesen: Gott ist Liebe. Von diesem Wesen wird Gottes Handeln bestimmt – trotz der Rückseite Gottes, die auch Zorn sein kann. Trotzdem, Gottes Wesen ist Liebe. Und ich frage mich, weshalb wir so viel Angst vor diesem Gott haben. Nicht Ehrfurcht, sondern Angst, Misstrauen, Auflehnung.

Gottes Wesen, seine Liebe, hat uns zu seinem Ebenbild geschaffen und es erzürnt Gott, dass wir uns selbst verderben, indem wir an der satanischen Auflehnung gegen ihn teilnehmen. Gott ist Liebe! Diese Aussage findet sich in keiner Philosophie oder Religion der Welt. „Gott ist Liebe“ hat kein Prophet zu sagen gewagt. Gott ist Liebe! Welch eine Aussage.

Gerade ernste und redliche Menschen lehnen sich gegen diesen Satz auf: Gott ist Liebe. Sie können berichten von der Unheimlichkeit und Grausamkeit der Natur, sie wissen um die Not und Qual die viele Menschen leiden müssen. Wenn wir nur an die 10 Millionen Menschen denken, die in Pakistan alles verloren haben, die einen schier aussichtslosen Kampf gegen die Wassermassen erdulden müssen, um wenigstens ihr Leben zu retten. Wasser, Wasser, überall nur Wasser, nichts zu essen, nichts zu trinken, kein Dach über dem Kopf, keine Hilfe in sicht. Gott ist Liebe! Hat er diese Menschen vergessen? Lässt er so an ihnen seinen Zorn aus?
Wenn ich an Massenvernichtung und an namenloses Leiden Unschuldiger denke, kann ich schon zu der Frage kommen: Wer ist dieser Gott? Ist das Geschick dieser Welt wirklich in Gottes Hand? Ist das Geschick dieser Welt in der Hand eines liebenden Gottes?

2. Wer nicht liebt kennt Gott nicht

Gottes Liebe ist nicht überall leicht zu sehen. Um Gott sehen zu können, muss erst bei mir etwas passiert sein. Wer nicht liebt, kennt Gott nicht. Der große Theologe Adolf Schlatter schreibt hierzu: „Was wir über Gott sagen und denken, nimmt notwendig unsere eigene Farbe an, und das ist eine falsche Farbe, die ihn entstellt und unsere Gedanken über ihn unwahr macht, ehe wir zur Liebe bewogen und aus der Einsperrung in unser hohles, eigenes ich befreit worden sind. Wer in seiner leeren, nichtigen Selbstsucht eingeschlossen ist, denkt sich auch die Welt hohl als eine leere Blase, die aus sich selbst entstanden sei; oder wenn er Gott neben die Welt hinstellt, so macht er ihn so geistlos, zwecklos, tot, leer und hart wie sich selbst. Er macht sich eine Welt und einen Gott, wie sie seine Selbstsucht nicht stören, sondern ihr dienlich sind, und ist darum auch gegen alle Zeugnisse, durch die Gottes Gnade zu uns redet und unter uns wirkt, blind.“

„Ehe wir zur Liebe bewogen und aus der Einsperrung in unser Hohles, eigenes Ich befreit worden sind,“ schreibt Schlatter. Aber wie gerade geschieht diese Befreiung? Und wenn der Satz „Gott ist Liebe“ unserer natürlichen Erfahrung zu widersprechen scheint, wo und wie erkennen wir dann diese Liebe?

3. Wie erkennen wir Gottes Liebe?

Johannes gibt uns eine klare Antwort. Darin ist erschienen die Liebe Gottes unter uns, dass Gott seinen eingebornen Sohn gesandt hat in die Welt, damit wir durch ihn leben sollen.
Gott schenkt uns. Gott gibt uns. Nicht irgendwohin, sondern ganz konkret in unsere Menschheitsgeschichte, in eine geschichtliche Zeit hinein. Durch die Geburt seines Sohnes hat er seine Liebe zu uns sichtbar gemacht. Gottes Liebe wird zur Tat.

Liebe ist tun. Im heutigen Evangelium (Lk 10, 25-37), das wir vor dem Glaubensbekenntnis gehört haben, geht es konkret zur Sache. Der unter die Räuber gefallene, halbtot am Straßenrand liegend, erfährt Gottes Liebe nicht durch die, die zum Tempel eilen, um Gott in Reinheit im Tempel zu dienen. Sie lassen ihn liegen um nicht kultisch unrein zu werden. Der unter die Räuber gefallen war erlebt die Liebe Gottes durch den, der sich um ihn kümmert, ihn versorgt und pflegen lässt. Liebe ist Tun: „Tu dergleichen!“ ist die Antwort Jesu.

Wer nicht liebt, der kennt Gott nicht. Ich könnte es auch anders sagen.: Wer nicht liebt, dessen Gotteslehre ist falsch. Es ist ganz im Sinne des Alten Testamentes, dass wir Gott lieben und uns entsprechend verhalten. Häufig können wir im Alten Testament lesen: „Die Gott lieben und seine Gebote halten“ oder „die Gott lieben und ihm dienen“. Ganz konkret heißt das, dass unsere Liebe zu Gott auf die Geschwister achtet und nicht von ihnen wegsieht – wie wir das vorhin in der Geschichte vom barmherzigen Samariter gehört haben. Daran, an unserem Hinsehen, können wir Gottes Liebe erkennen. Gott ist Liebe in Aktion.

4. Gott ist Liebe in Aktion

Darin besteht die Liebe: nicht, dass wir Gott geliebt haben, sondern dass er uns geliebt hat und gesandt seinen Sohn zur Versöhnung für unsre Sünden.

Gottes Liebe erkennt man am Geben. Gott schenkt uns das Beste und Liebste – seinen Sohn – den einzigen. Er hat seinen Sohn, der mit ihm schon vor der Schöpfung dieser Welt war, in unsere Welt entsandt. In diese Menschenwelt, welche die Welt der Feindschaft gegen Gott ist und darum die Welt der Sünde und des Todes. Er weiß was wir mit seinem Sohn tun werden, sah vor sich das Ende des Geliebten am Kreuz. Gott ist Liebe! Und in dieser Liebe sendet er seinen Sohn trotzdem, legt ihm dieses Ende auf zu unserer Errettung, die auf keine andere Weise gewirkt werden konnte. Er macht den Sündlosen zur Sünde und den Heiligen zum Fluch, um uns vom Fluch zu befreien.

Warum tut Gott das? Er tut es nicht, weil er damit etwas für sich gewinnen will. Er tut es, damit wir das Leben gewinnen, wir, seine Feinde und Verächter, wir, die in seinem gerechten Gericht Verurteilten und Verlorenen. Gott tut es aus Liebe zu uns.

Worin besteht nun die Liebe Gottes? Die Liebe besteht darin, dass er uns geliebt hat, bevor wir ihn geliebt haben und seinen Sohn zu uns als Sühnemittel für unsere Sünden gesandt hat. Nicht wir haben Gott geliebt, nicht wir haben das große Gebot der Liebe zu Gott erfüllt. Unser Wesen lebt in Eigensucht und Lieblosigkeit die uns von Gott trennen, weil sein Wesen Liebe ist. Aber weil Gott Liebe ist, tut er das Unerhörte, dass er uns Lieblose liebt.

5. Schuldig einander zu lieben

Ihr Lieben, hat uns Gott so geliebt, so sollen wir uns auch untereinander lieben. Wer sich von Gott geliebt weiß, der kann nicht anders, als andere zu lieben. Er hat die Liebe Gottes in seinem leben erfahren dürfen, seine tragende, vergebende und zurechthelfende Liebe. Darum ist es keine besondere Leistung, wenn wir auch so lieben. Dafür verdienen wir kein besonderes Lob. Wir schulden dem anderen diese tragende, vergebende und zurechthelfende Liebe. Ich weiß, wie oft wir daran scheitern. Wir können Gott aber um diese Liebe bitten, dass er unser Herz damit voll macht.

Gott ist Liebe. Wie könnten wir, die wir solch einen Gott haben etwas anderes sein wollen, als liebende Menschen zu sein? Lasst uns auf die Liebe Gottes antworten, indem wir ihm und unseren Nächsten all unsere Liebe schenken. Amen.

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