20101125

Werner Otto Sirch: Siehe ich mache alles neu

21.11.2011 - Ewigkeitssonntag
Predigt Offenbarung 21, 1-7

1 Und ich sah einen neuen Himmel und eine neue Erde; denn der erste Himmel und die erste Erde sind vergangen, und das Meer ist nicht mehr. 2 Und ich sah die heilige Stadt, das neue Jerusalem, von Gott aus dem Himmel herabkommen, bereitet wie eine geschmückte Braut für ihren Mann. 3 Und ich hörte eine große Stimme von dem Thron her, die sprach: Siehe da, die Hütte Gottes bei den Menschen! Und er wird bei ihnen wohnen, und sie werden sein Volk sein, und er selbst, Gott mit ihnen, wird ihr Gott sein; 4 und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. 5 Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Und er spricht: Schreibe, denn diese Worte sind wahrhaftig und gewiss!
6 Und er sprach zu mir: Es ist geschehen. Ich bin das A und das O, der Anfang und das Ende. Ich will dem Durstigen geben von der Quelle des lebendigen Wassers umsonst. 7 Wer überwindet, der wird es alles ererben, und ich werde sein Gott sein, und er wird mein Sohn sein.


Liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder,

Ich glaube ...
„Ich glaube an den Heiligen Geist, die heilige christliche Kirche, Gemeinschaft der Heiligen, Vergebung der Sünden, Auferstehung der Toten und das ewige Leben.“ Glauben Sie das? Die Auferstehung der Toten?

Ja, in Form der Wiedergeburt, sagen die einen. In unseren Erinnerungen, sagen die anderen. Die ganz Frommen sagen: bei Gott oder zu Gott. Heimgegangen. In Traueranzeigen, in Reden oder Predigten, die bei solchen Anlässen gehalten werden und auf Trauerkarten können wir erfahren, welches Bild wir vom Tod haben und dem was danach kommt.

Viele von Ihnen sind heute hier, weil sie im vergangenen Jahr einen Menschen hergeben mussten, weil sie das Vergehen eines Menschen miterlebt haben, weil sie ihn vermissen und ihr Herz voller Trauer ist. Es ist schwer zu begreifen, irgendwie unfassbar dass ein Mensch durch den Tod von uns gegangen ist. Für immer. Das „nie wieder“ macht uns traurig und erfüllt unser Herz mit Schmerz.

Wir machen uns Gedanken darüber wo unsere Toten jetzt sind. Die einen können im Glauben festhalten, dass jeder einzelne Mensch über den Tod hinaus als unverwechselbares Geschöpf bewahrt bleibt. Das klingt gut. Aber kommt es wirklich gegen die Zweifel an? Egal, wie ich es mir zurechtdenke und zurechtglaube. Es bleibt was offen. Wie soll die Auferstehung denn aussehen?

Unvergessen

Wenn wir über den Friedhof gehen, können wir auf manchen verwilderten Gräbern lesen: „Unvergessen“. Ja, wir möchten unsere Toten bewahrt wissen. „Pass du auf sie auf, guter Gott.“ Wir möchten sie bei uns bewahren, in unserm Herzen, in den Fotografien, in den Lieblingsliedern und sonstigen Erinnerungen. Manche lassen sich Amulette machen, in denen sich Asche des geliebten Menschen befindet. Er soll bei ihnen sein und sei es auch nur mit ein paar Gramm seiner Asche. Ist das die Auferstehung, an die wir glauben?

Es fällt uns schwer, Menschen loszulassen, endgültig loszulassen, mit denen wir gelebt, gelacht und geweint haben und die wir jetzt so sehr vermissen. Jetzt ruhen sie, schlummern sie, nicht als „Nichtse“, bis zu dem Tag, an dem sie Gott aus dem Tod herausruft.

Wir dürfen sie loslassen, denn bei Gott sind sie unvergessen. Er kennt ihre Namen. Er kennt ihre Geschichte, ihr Leben. Das gilt auch für die, die wir gerne vergessen würden, aus welchen Gründen auch immer. Und es gilt auch für die, die auch im Tod niemandem mehr zur Last fallen wollen und deshalb anonym bestattet werden, weil sie keinen Ort wollen, an dem sie gelassen wurden, keinen Ort des Gedenkens. Keinen Ort an dem sie Unvergessen sind.

Vergänglich

Wir wissen um die Vergänglichkeit unseres Lebens und die Unausweichlichkeit des Todes, wir sind uns bewusst, dass unser Leben ein Ende hat, ein Ziel. Als Angehörige haben wir unmittelbare Erfahrungen gemacht mit dem Sterben von Menschen die uns nahe waren. Erfahrungen, die bewältigt sein wollen. Es lässt sich nichts mehr zurücknehmen, nichts mehr gutmachen. Auch darin ist der Tod etwas Unabänderliches. Unsere Geschichte mit unserem Verstorbenen wird zur Vergangenheit. Und wenn wir heute noch einmal ihre Namen nennen, soll es helfen trauern zu können, dem Schmerz Raum zu geben und sich der Endgültigkeit des Todes bewusst zu werden.

Hoffnung

Trotz aller Endgültigkeit, die wir im Tode eines lieben Menschen hautnah erleben, ist dies aber trotzdem nicht das Ende. Christen haben durch das Auferstehen Jesu, den Glauben an ihn und ihre Taufe, Hoffnung gegen den Tod, die eine vorläufige Hoffnung gegen allen Augenschein ist: Mit dem Tod ist nicht alles aus, das ist die zentrale Botschaft unseres Glaubens. Der Tod hat nicht das letzte Wort. Wir glauben an die Auferstehung der Toten und das ewige Leben. Wir erwarten den neuen Himmel und die neue Erde, eine neue Schöpfung. Nicht eine Umwandlung des Bestehenden, sondern eine tatsächliche Neuschöpfung. Siehe ich mache alles neu. Das ist Gottes Ziel und Absicht. Der neue Mensch, der in Christus wiedergeborene, der den alten Menschen begraben und den neuen Menschen angezogen hat, wie uns Paulus lehrt. Er wird zum kommenden Gottesreich gehören, das uns erwartet. Gott wird bei den Menschen wohnen und sie werden sein Volk sein. Das ist die Hoffnung mit der wir leben und sterben können. Wir werden Gott begegnen innerhalb der Menschengemeinschaft, in der alle Gemeinschaftsprobleme gelöst sind und wir werden ihm in einer Umwelt begegnen, in der alle Weltnöte gestillt sind. Gott wird bei uns sein und wir werden seine Völker sein. Aus dem Gegeneinander ist das Beieinander getreten. Gott wird bei allen Menschen sein. Nicht bei den Juden oder bei den Deutschen oder bei den Religionsgemeinschaften oder irgendeiner Auswahl, sondern Gott wird sein bei allen Menschen die durch das Blut des Lammes gereinigt wurden und seine Menschen werden allezeit bei ihm sein.

Gott des Trostes

Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen.

Es wird nicht mehr geweint werden. Vollkommenes Heil erwartet uns, das nicht mehr durch Unheil getrübt ist, jeder Gerettete wird in ganz persönlicher Gottesnähe geborgen sein, durch den Gott des Trostes. Er wird trösten wie nie zuvor und es ist für mich ein überwältigendes Bild, dass uns Gott selbst die Tränen unserer Gottverlassenheit aus den Augen wischen wird. Das Erste ist vergangen. Leid, Geschrei, Schmerz und Tod wird nicht mehr sein. Auf der neuen Erde wird nicht mehr geweint, weil das Sterben, mit all seinen Vorformen und Nachwehen, dem Leben gewichen sein wird. Der Tod, der soviel Leid und Elend in diese Welt gebracht hat, hat seine Macht verloren. Es wird nicht mehr getötet. Das Alte ist vergangen.

Liebe Gemeindeglieder,
liebe Angehörige unserer Verstorbenen,
es ist gut dort, wohin uns unsere Lieben vorausgegangen sind. Eines Tages wird auch unsere Stunde da sein, wo wir dieses Leben verlassen werden und dann wünschen wir uns auch dort zu sein – bei Gott. Lasst uns die Zeit nutzen und richtig leben. Nur wer richtig lebt, der kann auch richtig sterben. Ich habe dazu einen kleinen Text gefunden, den ich Ihnen zum Schluss vorlesen möchte.

Wer ein Leben ohne Schmerzen will, sollte nicht geboren werden. Wer ein Leben ohne Tränen will, sollte niemals Kind sein. Wer ein Leben ohne Spannungen will, sollte nicht erwachsen werden. Wer ein Leben ohne Leiden will, sollte niemals lieben. Wer ein Leben ohne Mühe will, sollte nicht arbeiten. Wer ein Leben ohne Opfer will, sollte niemals eine Familie haben. Wer ein Leben ohne Enttäuschungen will, sollte nichts hoffen. Wer ein Leben ohne Abschiede will, sollte nicht alt werden. Wer ein Leben ohne Einsamkeit will, sollte nicht einmalig sein. Wer ein Leben ohne Ziel will, sollte nicht sterben. Wer aber ein richtiges Leben will, sollte mit Schmerzen geboren werden, Kind sein, erwachsen werden, lieben und arbeiten, Familie und Hoffnungen haben, einzigartig sein, alt werden und einmal in Gott hineinsterben. Dann wird er ein Leben ohne Schmerzen und Spannungen und Leiden, Mühen und Opfer, Enttäuschungen und Abschiede, Einsamkeit und Tod finden.

Und Gott wird abwischen alle Tränen von ihren Augen, und der Tod wird nicht mehr sein, noch Leid noch Geschrei noch Schmerz wird mehr sein; denn das Erste ist vergangen. Und der auf dem Thron saß, sprach: Siehe, ich mache alles neu! Amen.

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