20180409

Martin Adel: Es ist vollbracht

Karfreitag 30.03.2018
Predigttext: Hebräer 9,15.26b-28



Wochenspruch Joh 3,16Also hat Gott die Welt geliebt, dass er seinen eingeborenen Sohn gab, damit alle, die an ihn glauben, nicht verloren werden, sondern das ewige Leben haben.

Es ist vollbracht



Predigttext

15 Und darum ist Christus auch der Mittler des neuen Bundes, damit durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen.
26b Nun aber, am Ende der Welt, ist er ein für allemal erschienen, durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben. 27 Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: 28 so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal wird er nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil.
Liebe Gemeinde,

1. Schuld und Sünde
Wenn wir vom Kreuz Christi reden, müssen wir auch von Sünde und Schuld reden – auch wenn es uns schwer fällt. Viel zu abstrakt ist uns der Gedanke geworden, dass Gott uns unsere Schuld nehmen könnte.

Doch wo ist sie dann hingekommen, unsere Schuld?
Nur weil wir nicht mehr darüber reden, gibt es sie trotzdem.
Oder ist sie einfach weg?
Verlieren wir uns in Erklärungen? In Ausreden? In Rechtfertigungen? In Beschwichtigungen?
Nur kein schlechtes Gewissen sich machen lassen; das schwächt nur die eigene Position.
Doch das kostet Kraft, viel Kraft, das Verdrängen.

Und was ist mit der Schuld, die man nicht mehr rückgängig machen kann? Wo man Jahre später plötzlich nachts hochschreckt, schweißgebadet. Schuld, die einen traurig macht, aber die tatsächlich war – und alles Entschuldigen nichts mehr hilft.
Und dann oft noch viel heftiger: Wie werden wir die Schuld los, die uns andere angetan haben?
Distanz, Liebesentzug der Eltern; Gewalt, Ausschluss, Überforderung. Lebenslange Traumen. Die falschen Eltern zur falschen Zeit - Schuld des Lebens. Das eigene Leben vergeigt. Und dann?

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Dann muss der Mensch selber dagegen ankämpfen! Und es wird viel gekämpft. Mit harten Bandagen gekämpft und oft aussichtslos. Aus der Trauma-Forschung wissen wir, wie sich Schuld bis ins dritte und vierte Glied „weitervererbt“ und einen nicht mehr los lässt.
Und niemand ist da, der einem die Schuld vergibt. Die Getane und die Erlittene.
Deshalb ist es so wichtig: Trauen wir Gott zu, dass er auch die zerstörerische Macht unsere Traumen überwinden möchte und kann.

Der Therapeut ist das eine. Aber so vieles kann man nicht aufarbeiten und sich selber sagen. Erlösung muss man sich auch gesagt sein lassen. Du bist frei. Lebe aus meiner Gnade.
Es ist vollbracht – gilt das? Auch für mich?

Wie heißt es in unserem Predigtwort:
15 Und darum ist Christus auch der Mittler des neuen Bundes, damit durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen.
26b Nun aber, am Ende der Welt, ist er ein für allemal erschienen, durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben.

2. Erlösung
Wir sind Erlöste! Wissen wir das noch?
Befreite! Können wir das glauben?
Natürlich bleibt unsere Geschichte unsere Geschichte. Aber wie viel Macht geben wir der Vergangenheit, dass sie uns nie mehr loslässt.
Wann soll denn Erlösung sein, wenn nicht auch schon jetzt?
Wann sollen die negativen Bindungen durchbrochen werden, wenn nicht auch schon jetzt?
Der „Kain in uns“ ist noch, aber er muss nicht mehr zwingend zum Recht kommen. Das Auge um Auge, Zahn um Zahn ist noch in uns, aber wir dürfen es immer wieder wagen, die rechte Backe hinzuhalten für den Frieden.

Erschöpft sind wir aus den Kriegen mit unseren „Erzfeinden“ heraus gegangen – so viel Blut, bis wir nun bald 73 Jahre Frieden haben im Ringen und Verstehen, im Versöhnen, im Hören und Handeln mit und für den anderen - Europa, Wiedervereinigung, Flüchtlingsbewegung. Wir haben doch vieles geschafft!

Und jetzt? Braucht es wieder das selbstsüchtige ICH, das neu aufkeimt in unserer Welt und scheinbar einen unstoppbaren Siegeszug führt, ob in China, in Russland, in Amerika. Aber es bleibt ein arrogantes, zerstörerisches ICH.
WIR in Europa sind durch das WIR großgeworden nach dem zweiten Weltkrieg, weil das ICH ausgedient hatte und die Schuld benannt wurde und auch vergeben. Gott sei Dank.
Was reitet uns? Auch in Deutschland? In dem wieder einmal die Angst umgeht - auch unter den Christen -, dass wir überfremdet werden könnten. Und dann rechnen wir uns durch, wie viele Kinder die Deutschen im Durchschnitt haben und wie viele die Moslems – von denen auch viele Deutsche sind. Und das alles, weil wir es wieder einmal nicht aushalten, wenn unter uns Menschen wohnen, die einen anderen Glauben haben und eine andere Kultur pflegen. Die Demokratie und den Rechtsstaat müssen wir alle einhalten. Und wir erinnern uns hoffentlich noch: Abgewählt hatten die Weimarer Republik die Christen, nicht die Juden.

Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?
Oder wie es hier heißt: …. damit durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen.
Wir sind Erlöste von diesen Egomanien. Wir müssen keine Gefangenen mehr sein in den eigenen Ängsten.
Und wir ahnen, wo wir stehen könnten.
Und keiner hat gesagt, dass wir das perfekt könnten, aber wir müssen uns immer wieder auf den Weg machen, auf den Weg, wie das Erlöst-sein aussehen könnte.
… damit wir eben nicht mehr nur verkrümmt unter Verkrümmten sind, sondern auch Erlöste, so wie es da steht:
Es ist vollbracht.
26b Nun aber, am Ende der Welt, ist er ein für allemal erschienen, durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben.

3. Vertrauen
Vertrauen wir Gott?
Glauben wir, dass der neue Bund Christi Gültigkeit hat? Auch wenn wir es nicht verstehen oder begreifen können, wie das an diesem Kreuz geschehen sein konnte. Vertrauen wir Gott trotzdem, dass wir immer wieder los lassen können, um seinem Wort nachzuglauben und dann auch ihm nachzuleben. Und wir uns nicht mehr betören oder verführen oder einschüchtern lassen von solchen trostlosen Worten, wie:
Die Welt hat ihre eigenen Gesetze.
Den Letzten beißen die Hunde.
Und wenn nicht wir, dann werden die anderen …
In solchen Welten brauchen wir keinen Christus. Das kann sich die Welt alleine sagen und hat es sich schon immer gesagt.

Doch der neue Bund spricht eine andere Sprache.
Damals schon und bis heute. Am Karfreitag setzt sich die Liebe ins Recht, die den Hass überwindet. Am Kreuz vollendet sich die Veränderung des neuen Bundes, der mit Christus in die Welt gekommen ist. Das Auge um Auge, Zahn um Zahn wird durchbrochen, damit Versöhnung gelingen kann.
Das ist uns zugesagt.
Versöhnung umfassend:
Versöhnung mit meiner Geschichte und Versöhnung mit mir selbst. Versöhnung sogar mit den Dingen, die mich binden: Angst, Rache, Hass, Krankheit, Verlust, Neid, Streit.
Ja sogar Versöhnung mit dem Tod. Ihm ist seine bindende Macht genommen, so dass wir selbst diesen Weg als Gehaltene gehen können – gehalten im Glauben.

Trauen wir diese Macht Gott zu? Keine Floskel, sondern wahrhaft und ernsthaft. Versöhnung auch für uns. Stück für Stück.
Damit es sich für uns zur Wahrheit entwickeln kann, so wie es hier steht und wir danach leben:
27 Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: 28 so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal wird er nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil.
…. denen, die auf ihn warten, zum Heil.

Karfreitag – ein Gott verlassener Tag, der uns zum Festtag wird.
Die Verwandlung vom Eli, Eli, lama sabachtani hin zum einem „Es ist vollbracht!“ – aus dem wir leben können, auch für unseren Nächsten.

Amen

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