20100723

Werner Otto Sirch: Der neue Mensch

11.7.2010 - 6. Sonntag nach Trinitatis

Predigt Römer 6,2-11

Wisst ihr nicht, dass alle, die wir auf Christus Jesus getauft sind, die sind in seinen Tod getauft? 4 So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln. 5 Denn wenn wir mit ihm verbunden und ihm gleichgeworden sind in seinem Tod, so werden wir ihm auch in der Auferstehung gleich sein. 6 Wir wissen ja, dass unser alter Mensch mit ihm gekreuzigt ist, damit der Leib der Sünde vernichtet werde, so dass wir hinfort der Sünde nicht dienen. 7 Denn wer gestorben ist, der ist frei geworden von der Sünde. 8 Sind wir aber mit Christus gestorben, so glauben wir, dass wir auch mit ihm leben werden, 9 und wissen, dass Christus, von den Toten erweckt, hinfort nicht stirbt; der Tod kann hinfort über ihn nicht herrschen. 10 Denn was er gestorben ist, das ist er der Sünde gestorben ein für allemal; was er aber lebt, das lebt er Gott. 11 So auch ihr, haltet dafür, dass ihr der Sünde gestorben seid und lebt Gott in Christus Jesus.


Liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder in Christus,

Die Taufe ist das Thema unseres Predigttextes. Gerade älteren Gottesdienstbesuchern, die in ihrer Konfirmandenzeit noch den Kleinen Katechismus von Martin Luther auswendig lernen mussten, ist es noch im Ohr, was Luther zu diesem Thema schreibt. Im vierten Artikel nimmt er Bezug auf unseren heutigen Predigttext. Es heißt dort:
Was bedeutet denn solch Wassertaufen?
Es bedeutet, dass der alte Adam in uns durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden und sterben mit allen Sünden und bösen Lüsten; und wiederum täglich herauskommen und auferstehen ein neuer Mensch, der in Gerechtigkeit und Reinheit vor Gott ewiglich lebe.
Wo steht das geschrieben?
Der Apostel Paulus spricht zu den Römern im sechsten Kapitel: Wir sind mit Christus begraben durch die Taufe in den Tod, damit, wie Christus auferweckt ist von den Toten durch die Herrlichkeit des Vaters, auch wir in einem neuen Leben wandeln.

Wir erleben immer wieder, dass der alte Adam, der alte Mensch, der nach Luther „durch tägliche Reue und Buße soll ersäuft werden“, schwimmen kann. Das heißt, er macht uns oft ziemliche Not. Wie das so gehen kann, habe ich in einer kleinen, humorvollen Geschichte gefunden, die Helmut Siegel aufgeschrieben hat:

Der Pfarrer war auf einer Fortbildung gewesen, es ging um Süchte und Abhängigkeiten. Er hatte etwas gelernt. Mit dem Pfeiferauchen sollte nun Schluss sein. Er nahm seine drei Pfeifen, packte sie in ein Kästchen und ging in den großen Pfarrgarten. Unter einem Baum grub er ein Loch und legte das Kästchen mit den Pfeifen hinein, dann schaufelte er es zu, machte einen kleinen Grabhügel, und im Hochgefühl des Triumphs über seine Schwachheit nagelte er ein Schild an den Baum, auf das er schrieb: "Hier ruht der alte Adam!"

Die Pfarramtsgeschäfte häuften sich, zu dem Konfirmandenunterricht kam eine außerordentliche Sitzung des Kirchenvorstandes, dazu zwei Beerdigungen, und als die Arbeit an der Sonntagspredigt überhaupt nicht zum Erfolg führen wollte, ging er in den Garten und grub das Kästchen mit den Pfeifen wieder aus. Er stopfte eine Pfeife, zündete sie an, nahm ein paar Züge und siehe da, auf einmal war er da, der Einfall für die Predigt. Glücklich vor sich hin paffend ging er wieder an den Schreibtisch, keine zwei Stunden später schrieb er das Amen unter die Predigt Er legte die aufgerauchte Pfeife weg, stopfte sich als Belohnung eine neue und ging in den Garten. Da sah er, wie seine Frau das Loch betrachtete, in dem die Pfeifen begraben waren, dann zu dem Schild ging, las, was er geschrieben hatte, sich bückte und mit einem dicken Stift etwas auf das Schild schrieb. Neugierig ging er zu dem Baum, an dem noch seine Frau stand und ihn stirnrunzelnd ansah. Dann las er, was sie geschrieben hatte zu seinem "Hier ruht der alte Adam!" Da stand: "Nach drei Tagen wieder auferstanden!"


So richtig aus dem Leben gegriffen scheint diese Geschichte. Sie zeigt uns, wie es Dinge, Gewohnheiten, Fehlverhalten gibt, die uns richtig hartnäckig im Griff haben. Auch wenn wir das ablehnen und uns über uns selbst ärgern, immer wieder machen wir den gleichen Mist. Wir kommen nicht davon los, können nicht sein lassen was wir eigentlich gar nicht möchten. Der alte Adam, der alte Mensch kann schwimmen. Wir können uns über uns ärgern, können ihn täglich ersäufen, der alte Mensch in uns macht uns schwer zu schaffen.

Paulus sagt, dass dieser alte Mensch in uns, der mit „den Sünden und bösen Lüsten“, sterben muss, damit etwas neues wachsen kann. Ich kann auch ein anderes Bild verwenden: Unser Herzenshaus muss gereinigt, ausgefegt werden. Als entscheidendes Ereignis, dass dieser „alte Mensch“ in uns stirbt, sieht Paulus in unserer Taufe. Er schreibt den Christen in Rom, dass die Taufe auf Jesus Christus ihr altes heidnisches oder jüdisches Leben beendete. So sind wir ja mit ihm begraben durch die Taufe in den Tod. Das ist wie wenn zwei Menschen heiraten. Mit ihrer Heirat gehen sie eine unlösbare Verbindung ein. Es ist ein neuer Stand in dem sie sich dann befinden. Ihre Heirat bestimmt ihr weiteres Leben. Es ist ein anderes, ein neues Leben.

So ist es auch mit der Taufe. Die Entscheidung sich taufen zu lassen, ist die Entscheidung zum Taufbund, zur „Übereignung an Christus“. Es ist ein anderes, ein neues Leben. Sich taufen zu lassen war schon damals, zur Zeit des Paulus, und ist auch heute noch eine öffentliche Entscheidung. Die Getauften werden an Jesus übereignet. Ein Buchhalter würde sagen: Der Getaufte wird auf das Konto von Jesus gebucht. Er wird dem Konto von Jesus gutgeschrieben, ein Haben bei Jesus.

Sich taufen zu lassen ist eine der grundlegenden Entscheidungen, die ein Menschen für sein Leben trifft. Und so drängt sich uns die Frage auf, ob wir dann Kinder taufen können, die diese Entscheidung für sich noch nicht treffen können. Denn eine Taufe als magisches Geschehen, in dem eine Formel über einem Menschen gesprochen wird ist sinnlos, denn hinter der Taufe will die Entscheidung stehen, dass mein Leben an Jesus Christus übereignet wird, dass es ihm gehört. Es ist die Entscheidung, dass der „alte Mensch“ durch die Taufe mit Jesus Christus gekreuzigt, getötet und begraben wird. Die Taufe wird so zum Todesurteil für den „alten Menschen“ in uns. Er erfährt durch die Taufe seine Hinrichtung und Begräbnis.

Wie können wir auf dem Hintergrund dieser paulinischen Theologie Kinder taufen? Hier vorne in unserer Kirche sitzen unsere Konfirmanden, was bedeutet das für ihre Taufe?

Auf der offiziellen Webseite der Evangelischen Kirche in Deutschland können wir zum Thema Taufe folgendes lesen: Die Geburt eines Kindes ist ein Geschenk Gottes. Eltern antworten darauf, indem sie ihr Kind taufen lassen. Gott spricht in der Taufe den kleinen Kindern seine Liebe zu, unabhängig davon, wie sie sich verhalten.
Eltern und Paten haben dann die Aufgabe, stellvertretend für die Kinder den Glauben zu bezeugen und den Kindern von ihrem christlichen Glauben, aber auch von ihren Zweifeln zu erzählen. Später in der Konfirmation bekräftigen die Jugendlichen selbst ihr Ja zum Glauben an Jesus Christus.

Es ist schade, nein, aus der Sicht des Glaubens unverantwortlich, dass heute nicht mehr alle als kleine Kinder Getauften zur Konfirmation gehen, um dort ihr ganz persönliches Ja zu ihrer Taufe zu sprechen. Das ist so, als hätten sie eine wunderbare Freifahrkarte bekommen und diese in eine Tasche oder Schublade gesteckt, ordentlich aufgehoben aber nicht benutzt. Ihr lieben Konfirmanden, eure Konfirmandenzeit ist eine wunderbare Gelegenheit zu dem ganz persönlichen Ja zu Jesus Christus zu kommen, das euch fest mit ihm verbindet und ihn zum Herrn und Heiland eures Lebens macht.

Liebe Gemeinde,
wir sollen uns hüten zu meinen der alte Adam, der alte Mensch, könnte verbessert (gebessert) werden. Es wäre ein verhängnisvoller Irrtum wenn wir meinten der neue, mit Christus auferstandene Mensch, wäre jetzt eine veredelte, eine gereinigte und verbesserte Form unseres alten Wesens. Der alte Mensch muss sterben, sagt Paulus, ihm gebührt nur der Tod. Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. Weil Jesus uns Anteil an seinem Auferstehungsleben schenkt, können wir in diesem von aller Schuld befreiten neuen Leben wandeln. Es reicht nicht, wenn wir uns von der Vorstellung leiten lassen, dass ich als Christ hier auf Erden mein Leben allein zu führen habe und oben über den Sternen ist irgendwie Jesus, der mich freundlich anblickt und mir auch hier und da seine Hilfe zuteil werden lässt.
So würden wir nie zu dem Wandel kommen, von dem Paulus schreibt: Ist jemand in Christus, so ist er eine neue Kreatur. So würde unser Leben nie mit Christus verwachsen. Wir würden weiterhin Sklaven der Sünde bleiben. All unsere Versuche, den alten Menschen selbst zu kreuzigen und die Sünde zu unterdrücken, müssen scheitern. Wer kann sich selbst kreuzigen? Durch Christus, seinen Tod und seine Auferstehung und indem wir ihm unseren alten Menschen übergeben und ihn Herr sein lassen über unser Leben, wird der Leib der Sünde zwar nicht vernichtet, aber abgetan und außer Kraft gesetzt, unwirksam gemacht.

Das ist Grund zur Freude, dass wir nun nicht mehr Sklaven der Sünde sind. Die Sünde ist zwar noch da, durch unser Ja zu dem was in unserer Taufe geschieht, dass unser „alter Mensch“ in den Tod hineingetauft wird, sind wir freigesprochen von jedem Rechtsanspruch den die Sünde an uns hat.

In den größten Anfechtungen hat Martin Luther an die Wand seiner Zelle geschrieben: Ich bin getauft … . Darum ist es wichtig, dass wir uns immer wieder an unsere Taufe erinnern und in Stunden, in welchen uns der „alte Mensch“ plagt auf unsere Taufe berufen und sie gegen Welt, Sünde und Hölle bekennen: Ich bin getauft auf Jesu Namen. Amen.

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