20101020

Werner Otto Sirch: Neu werden ...

19. Sonntag nach Trinitatis - 10.10.2010
Predigt Epheser 4, 22-32

Liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder in Christus!

1. Hinführung

Wenn wir im Internet bei Google unter dem Stichwort „neuer Mensch“ auf Suche gehen, erhalten wir unter www.neuer-mensch.de als erste Fundstelle ein Info-Portal für Schönheitsoperationen, Brustvergrößerungen, Fettabsaugen etc.

Es scheint also Nachfrage vorhanden zu sein nach dem neuen Menschen. Man will nicht so bleiben wie man ist, will schöner und besser werden, begehrter, anziehender. Man erwartet, dass die plastische Chirurgie dabei helfen kann, solch einen Wunsch zu erfüllen. Ihr wird zugetraut, dass sie das bewältigen kann. Ein „Neuer Mensch“ werden heißt nach dem Ergebnis meiner Internetrecherche: „Neuer (gestraffter) Körper“.

Es ist aber nicht jedermanns Sache, sich freiwillig unters Messer zu legen – auch wenn es um die Schönheit geht. Also muss es auch anderes gehen, um sich zu renovieren, das Alte zu verlassen und als neuer Mensch fühlen zu können. Vielleicht hilft der Besuch in einem Modegeschäft oder Bekleidungshaus. Sich von Grund auf neu einkleiden, vielleicht hilft das. Für viele auch nicht ganz einfach, nicht nur wegen dem Fehlen des entsprechenden Kleingeldes. Manche lieben ihre alten Klamotten. In ihnen fühlen sie sich wohl, ganz „ich selbst“ und wissen nicht so recht, wie ich sie sich in ganz anderer, neuer Kleidung, fühlen sollen. Es verunsichert, durch neue Kleider ein anderer zu sein.

Vielleicht ist es doch besser, der Alte zu bleiben. Den kenne ich, mit ihm fühle ich mich sicher, auch wenn ich ihn manchmal hasse, aber er gehört zu mir und ich gehöre zu ihm.

Der Apostel Paulus hat zu diesem Thema: „neuer Mensch“ auch etwas zu sagen. Hören wir, was er im Epheserbrief im 4. Kapitel dazu schreibt.
Legt von euch ab den alten Menschen mit seinem früheren Wandel, der sich durch trügerische Begierden zugrunde richtet. Erneuert euch aber in eurem Geist und Sinn und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit. Darum legt die Lüge ab und redet die Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten, weil wir untereinander Glieder sind. Zürnt ihr, so sündigt nicht; lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen, und gebt nicht Raum dem Teufel. Wer gestohlen hat, der stehle nicht mehr, sondern arbeite und schaffe mit eigenen Händen das nötige Gut, damit er dem Bedürftigen abgeben kann. Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist, damit es Segen bringe denen, die es hören. Und betrübt nicht den heiligen Geist Gottes, mit dem ihr versiegelt seid für den Tag der Erlösung. Alle Bitterkeit und Grimm und Zorn und Geschrei und Lästerung seien fern von euch samt aller Bosheit. Seid aber untereinander freundlich und herzlich und vergebt einer dem andern, wie auch Gott euch vergeben hat in Christus.

2. Legt ab

„Legt von euch ab den alten Menschen mit seinem früheren Wandel, der sich durch trügerische Begiereden zugrunde richtet.“
Das klingt wie ein Befehl. Als ob das so einfach wäre, einfach mal so (schnipp) und dann ist das, was mich schon immer an mir geärgert hat, weg. Meine Verträge, die ich mit mir in meinem bisherigen Leben geschlossen habe, sind aufgelöst. Ich bin plötzlich ein ganz anderer Mensch. Alles was in mir krank war, was meine Seele verletzt und verwundet hat ist geheilt. Gute Vorstellung, aber geht das so einfach? Und wie kann ich damit umgehen?

Im Rummelsberger Brevier lese ich zu diesem Text folgende Gedanken: Wer sich umzieht ist für einen Moment nackt. Wer umdenkt, erlebt zwischen alten und neuen Gedanken einen Moment der Unsicherheit, vielleicht der Leere. Wo umgeräumt wird, herrscht zwischen alter und neuer Ordnung Chaos. Wir lieben sie nicht, die Nacktheit, die Unsicherheit, das Chaos – diese Begleiter der Veränderung. Wir wollen uns keine Blöße geben. Wir wollen Ordnung und Sicherheit. Und doch ist in uns oft die Sehnsucht groß, dass sich bei uns etwas ändert, dass wir anders werden können, dass wir neu anfangen dürfen. Wir fühlen, dass manches so nicht weitergehen kann, wir möchten es besser, wir möchten es anders machen – aber wie nur? Es belastet uns, dass es auch unter uns, die wir Christen sind, Unwahrheit, Verleumdung, üble Nachrede, Diebstahl, Unversöhnlichkeit und Zorn gibt. Wir müssen zugeben, dass Wilhelm Busch recht hat wenn er dichtet:
„Wenn alles sitzen bliebe,
was wir an Hass und Liebe
so alles voneinander Schwätzen,
wenn Lügen Haare wären,
wir wären rau wie Bären
und hätten keine Glatzen.“


3. Neuwerden

Wir wollen oft anders sein, auch wenn wir uns als getaufte Christen nicht mehr im Herrschaftsbereich des Bösen wissen. In unserer Taufe haben wir das wiederbekommen, was uns einst im Sündenfall verlorengegangen war: Gottes Ebenbildlichkeit. Wir sind ein anderes Wesen geworden und doch haben wir uns immer wieder in weltliches Sündenleben hineinziehen lassen. Was haben wir alles versucht, was haben wir uns an guten Vorsätzen vorgenommen – und sind trotzdem immer wieder gescheitert!

Erneuert euch aber in eurem Geist und Sinn und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit. So ist die Sichtweise des Paulus. Sie vermittelt Perspektive: Erneuert euch, ihr müsst nicht so weitermachen wie bisher. Brich mit der Sünde, die immer wieder Einfluss auf dein Leben nimmt. Brich mit ihr und zwar so gründlich, wie man ein Kleidungsstück auszieht. Manche meinen, dass man sich allmählich von seinen Sünden lösen kann und lernen muss nach und nach Gott zu lieben und mit ihm zu leben. Auf diese Weise brechen wir nie völlig mit der Sünde und geben uns nie ganz an Gott hin. So bleibt die Türe zu unserem alten Leben immer einen Spalt offen. Äußeres Verbessern, Polieren, Flicken bringt keine Änderung, bringt auch kein neues Leben hervor. Der Mensch kann nicht erneuert werden durch allmähliche Besserung.

4. Bekehrung Grundlage allen Christentums
Wenn unser Leben neu werden soll, so muss es neu geboren werden. Es muss neu geboren werden in Christus. Jesus muss in unser Herz, in unser Wesen einziehen. Er muss ein neuer Mensch werden. Paulus sagt wir sollen diesen neuen Menschen anziehen wie ein neues, unbeflecktes Kleid. Dadurch wird neues Denken, neues Reden, neues Handeln unser Leben bestimmen. Jesus wird zum Herr über uns. Unser Leben wird sich ändern. Weil Jesus bei uns eingezogen ist, darum ... ja, darum hat dies Folgen.

5. Darum ...
Paulus hält der Gemeinde in Ephesus einen Lasterkatalog vor. Einen Lasterkatalog, der auch für uns und bei uns aktuell ist. Paulus legt damit seine Finger in die Wunden der Gemeinde in Ephesus. Und er legt seine Finger auch in unsere Wunden, die wir uns geschlagen haben, weil wir in der Illusion gelebt haben, wir könnten uns vor Gott verstecken. Dabei haben wir, die wir zum Leben bestimmt sind, uns selbst verfehlt und uns vom Tod bestechen, bzw. faszinieren lassen. Wir haben uns geöffnet für Dinge die nicht von Gott sind, die Beziehungen zu anderen Menschen zerstören und oft genug unser Heil dort gesucht, wo wir getäuscht und zum Spielball anderer geworden sind. Wir haben Schaden an unserer Seele genommen. Ein Schaden der zugleich Raub an der Gemeinde und an der Ehre Gottes ist.

Paulus schreibt: Darum, weil ihr durch Christus neue Menschen geworden seid, darum lügt nicht mehr, zürnt nicht mehr, gebt dem Teufel nicht nach, stehlt nicht, lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut und was notwendig ist und betrübt den Heiligen Geist nicht usw..

Darum - weil wir durch Jesus Kinder Gottes geworden sind, können wir nicht mehr leben wie die Welt es uns vormacht. Wir können uns nicht mehr mit den Maßstäben messen nach welchen die Welt misst. Was die Welt als gut oder böse befindet braucht für den Gläubigen noch nicht gut oder böse sein. Das Urteil fällt von unserem Glauben her, es muss geistlich gerichtet sein.

Eine Folge unserer Bekehrung zu Jesus ist, dass wir die Wahrheit reden. Paulus sagt: „Legt die Lüge ab“.

6. Legt die Lüge ab

Was lügen wir uns nicht alles vor. Oft genug deshalb, weil wir nicht den Mut haben, der Wahrheit ins Gesicht zu sehen. Wie oft lügen wir anderen etwas vor, täuschen und tricksen, führen andere hinters Licht weil wir nicht zu dem was wir getan haben stehen wollen oder stehen können, weil wir die Folgen fürchten; oder in der Lüge einen Vorteil für uns sehen. Manchmal entdecke ich, dass ich Misstrauisch bin, nicht sicher bin, ob mein Gegenüber mir die Wahrheit erzählt oder mich nur benutzen will für seine Zwecke. Folge der Lüge – wir trauen uns eigentlich nicht mehr, weil der Mensch von seinem Wesen her ein Lügner ist. Die Lüge abzulegen lässt sich nicht mit menschlichem Willensentschluss erreichen. Dort wo wir dem alten Menschen absagen, dort wird auch unser Lügenwesen sterben. Gott ist Wahrheit. Jesus ist und war der einzige Mensch, dessen Wesen stets und ständig die absolute Wahrhaftigkeit und Wahrheit war. Wenn Jesus Herr über uns wird, dann können wir keine Knechte der Lüge mehr sein. Wie wollen wir diesem Gott der Wahrheit dienen, wenn wir Lügner sind und damit Knechte dessen, der die Lüge ist?

Die Unwahrheit des Menschen beginnt nicht dort, wo bewusst die Unwahrheit ausgesprochen wird. Lüge beginnt, wo der Mensch in Gebärden, Worten und Taten, in seiner wirklichen Gesinnung, etwas ganz anderes vorgibt zu sein als er wirklich ist.

Leben ohne Gott ist und bleibt eine einzige große Lüge; denn solch ein Leben beruht nicht auf Gott, steht nicht unter der erlösende Kraft des Blutes Jesu und und der Kraftwirkung des Heiligen Geistes. Es steht als Lüge unter der Herrschaft einer widergöttlichen Macht. Wer den anderen anlügt, sei es durch Gedanke, Gebärde, Wort oder Tat, der bringt eine Störung in die Lebensgemeinschaft der Gemeinde, und zwar dadurch, dass er die Liebe und das Vertrauen, das ihn mit dem Nächsten verbindet abbricht.

7. Zorn

Der Weg der Lüge führt schnell zum Zorn.
Dort, wo man nachträgt, wo man nicht vergessen kann, dort ist man persönlich beleidigt, dort glaubt man an die eigene Ehre, die verletzt sei. Wenn man den Zorn im Herzen behält, dann bricht der menschliche Zorn bei uns ein, der ein Stück der widergöttlichen Welt ist. Lasst die Sonne nicht über eurem Zorn untergehen, das ist die des Apostels Paulus damit er sich nicht in unserem Wesen festsetzt.

Darum, liebe Gemeinde, lasst uns auf der Hut sein, beim Bösen, bei der Lüge und beim Zorn. Lasst uns nicht sicher sein, dass wir den Heiligen Zorn haben, mit dem wir als guten Eifer für die Sache Gottes eintreten. Es ist oft in Wirklichkeit nur persönliches Erregtsein und persönliches Beleidigtsein.

8. Faules Geschwätz
Ein Letztes das ich ansprechen möchte.
Lasst kein faules Geschwätz aus eurem Mund gehen, sondern redet, was gut ist, was erbaut.
Dazu habe ich eine kleine Geschichte gefunden, die ich Ihnen zum Schluss vorlesen möchte.
Ganz aufgeregt kam einer zum weisen Sokrates gelaufen: „Höre, Sokrates, das muss ich dir erzählen, wie dein Freund ... ” „Halt ein!” unterbrach ihn der Weise. „Hast du das, was du mir erzählen willst, durch die drei Siebe gesiebt?” „Drei Siebe?”, fragte der andere verwundert. „Ja, drei Siebe. Das erste Sieb ist die Wahrheit. Hast du alles, was du mir erzählen willst, geprüft, ob es wahr ist?” „Nein, ich hörte es erzählen.” - „So, so. Aber sicher hast du es mit dem zweiten Sieb geprüft, es ist die Güte. Ist, was du mir erzählen willst, wenn schon nicht als wahr erwiesen, so doch wenigstens gut?” „Nein, das ist es nicht, im Gegenteil.” Der Weise unterbrach ihn: „Lass uns auch noch das dritte Sieb anwenden und fragen, ob es notwendig ist, mir das zu erzählen, was dich so erregt.” „Notwendig nun gerade nicht:” „Also”, lächelte der Weise, „wenn das, was du mir erzählen willst, weder wahr noch gut noch notwendig ist, so lass es begraben sein und belaste dich und mich nicht damit!”

Erneuert euch aber in eurem Geist und Sinn und zieht den neuen Menschen an, der nach Gott geschaffen ist in wahrer Gerechtigkeit und Heiligkeit. Amen.

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