20100913

Ute Lehnes-de Fallois: All eure Sorgen werft auf ihn

15. Sonntag nach Trinitatis - 29.8.2010
1. Petrus 5, 5c-11

Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade. So demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit er euch erhöhe zu seiner Zeit. Alle eure Sorge werft auf ihn; denn er sorgt für euch. Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel, geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge. Dem widersteht, fest im Glauben, und wißt, daß ebendieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen. Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. Ihm sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Wer nur den lieben Gott lässt walten und hoffet auf ihn allezeit,
den wird ER wunderbar erhalten in aller Not und Traurigkeit.
Wer Gott, dem allerhöchsten traut, der hat auf keinen Sand gebaut.


Lasst und in der Stille um den Segen des Wortes Gottes beten.

(Stille)

Votum: All eure Sorgen werft auf ihn, denn er sorgt für euch.
(1. Pt 5,7)
Der Herr segne unser Reden und Hören durch seinen Heiligen Geist. Amen.

Liebe Gemeinde,
liebe Schwestern und Brüder in Christus!

1. Alle eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch

Da will uns EINER Mut machen,
da will uns EINER aufrichten, stärken, kräftigen und gründen!
Da will uns EINER befreien von allem, was uns so oft niederdrückt und uns krümmt!

All eure Sorgen werft auf IHN, denn ER sorgt für euch!

Wirf deine Sorgen einfach weg -
schnür dein Sorgenbündel und wirf es vor das Kreuz!

Ein wunderbares, ein kräftiges und dynamisches Bild entsteht da vor meinem inneren Auge.
Ich stelle mir vor, wie ich alles einpacke,
was mir Sorgen macht, wovor ich Angst habe, worunter ich leide.
All das Misstrauen, das ich hege,
all die Enttäuschungen in meinem Leben,
all die zerplatzten Träume,
die Versagensangst,
die Angst um die Gesundheit meiner Lieben.
All das schnüre ich zu einem Riesenbündel zusammen und dann heb ich das Bündel mit aller Kraft hoch und schmeiß es einfach weg von mir.

Wenn’s nur so leicht wär!
Da treibt mich doch schon die nächste Sorge, dass mein Bündel viel zu schwer wäre, um es überhaupt noch hochheben zu können.

Die riesigen Strohballen draußen auf den Feldern fallen mir ein,
in der Erntezeit von den Bauern in Plastikfolie eingeschweißt –
mannshoch, riesig, schwer.
So einen Ballen kann man nicht mehr einfach werfen,
da braucht’s schon eine Seilwinde, um ihn überhaupt noch auf den Hänger hoch zu bringen.

Und doch - wie gerne würde ich das:
Endlich mal die Sorgen wegschmeißen,
mir endlich keine Sorgen mehr machen,
nicht um die Kinder,
nicht um den Beruf,
nicht um die Arbeit,
nicht um die Gesundheit.
Nicht um die Alten und Einsamen.
Nicht um die Tausende in Pakistan,
denen das seuchenverdreckte Wasser ihr Hab und Gut weggespült hat.

Wie sehr ich mir das wünsche!
Endlich frei zu sein,
nicht ewig darüber zu grübeln: was einmal sein wird?

Wie sehr ich mir das wünsche,
nicht immer diese Wand von Problemen vor Augen und im Rücken zu haben.
Wie sehr ich mir die klare Sicht und den aufrechten Gang wünsche !

Ich weiß nicht, wie es Ihnen da geht,
aber ich muss mich immer wieder neu in mein Gottvertrauen einüben.
Es ist nicht mehr automatisch einfach da so wie in meiner Kindheit,
sondern ich muss mich immer wieder neu daran erinnern,
dass Jesus Christus auch für mich gestorben ist,
für meine Angst, für meine Sorgen und für meine Schuld!
Und dass auch ich mein Bündel an Sorgen vor sein Kreuz bringen darf.

Denn ER sorgt für mich. Täglich neu.
Und indem ich mich selbst täglich neu daran erinnere,
verliert dieser riesige Strohballen an jahrelangen Sorgen und Prägungen seine Bedrohlichkeit.
Denn ich fange an, die Jahre in Tage zu zerlegen.
Nicht ein Riesenballen liegt dann am Ende vor mir, sondern viele kleine Bündel: handlich und nicht schwerer, als ich sie täglich heben und von mir werfen kann. Denn es ist (ja auch) genug, dass jeder Tag seine eigene Plage hat!
Täglich neu auf Gott vertrauen,
das ist es, was uns von einer zu schweren Last befreit.
Was uns aufrichtet und uns aufrecht gehen lässt.

2.„Alle miteinander haltet fest an der Demut, denn Gott widersteht den Hochmütigen, aber den Demütigen gibt er Gnade!“

Alle miteinander haltet fest an der DEMUT – und am Gottvertrauen!

Demut hat nichts zu tun mit einem gesenkten Blick und einem gebeugten Gang. Gott will uns nicht klein machen, nicht niederdrücken und uns krumm und bucklig sehen.

Die Demut ist das Wissen, dass ich nicht selbst der Schöpfer oder die Schöpferin meines Lebens bin. Die Demut ist das Wissen und das Vertrauen darauf, dass ein anderer für mich sorgt. Die Demut bindet sich im Gebet und in der Stille täglich neu an Gott.
Daran erinnert euch!

Wir leben in einer Zeit, in der der Glaube und die Demut immer mehr aus der Mode kommen. In einer individualisierten Gesellschaft geht es um den eigenen Verdienst, um die eigene Lebensgestaltung, um das, was ich selbst mir aus eigener Kraft verdiene.
Erfolgreich zu sein und etwas zu erreichen ist etwas sehr Schönes!
Nur wenn man den Blick auf Gott dabei verliert, das Danken vergisst und meint, alles Glück und aller Erfolg seien eine Selbstverständlichkeit, dann ist das hochmütig.

Demut aber bedeutete ursprünglich so viel wie „Dien-Mut“,
der Mut zu dienen !

Eigentlich etwas ganz Positives: den MUT, zu dienen.
Den MUT, Gott und meinem Nächsten zu dienen an dem Ort, an dem Gott mich gestellt hat. Meiner Lebensaufgabe gemäß.
Im Beruf, in der Familie, in der Stadt und in dem Land, in dem ich lebe.
Den MUT, diese Lebensaufgabe so gut wie möglich zu erfüllen.
Den MUT, zu dieser Aufgabe zu stehen und auch
den MUT, Fehler zuzugeben.
Das ist Demut.
Wenn ich mir meiner eigensten Aufgabe bewusst bin, dann brauche ich nicht hochmütig zu werden und klein bin ich dann schon lange nicht mehr.

3. Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher ......

Seid nüchtern und wacht; denn euer Widersacher, der Teufel geht umher wie ein brüllender Löwe und sucht, wen er verschlinge! Dem widersteht, fest im Glauben und wisst, dass ebendieselben Leiden über eure Brüder in der Welt gehen.

Nüchtern bleiben.
Bleib nüchtern. Bleib auf dem Boden.
Und wir meinen damit meist eine Sachlichkeit ohne Emotionen.
Aber das ist hier nicht damit gemeint, ganz im Gegenteil.

Menschen, die fasten, die eine zeitlang nüchtern bleiben,
die machen die Erfahrung, dass während des Fastens die Sinne geschärft werden.
Darum geht es.
Manchmal macht uns die Fülle blind.
Im Bauch, im Herzen, in der Seele und in der Wahrnehmung.

Verzicht lässt mich neu wahrnehmen, was mein alltägliches Leben bestimmt:
Wo ich mich in Abhängigkeiten begebe, auch wenn ich meine, unabhängig und eigenständig zu entscheiden.
Wo ich mich selbst bestechen lasse von der Selbstverständlichkeit der Strukturen, in denen ich lebe.

Seid nüchtern und wachsam!
Schlingt nicht alles in euch hinein, was euch angeboten wird,
denn sonst werdet ihr selbst verschlungen.
Diese Verschlingungen sind ja gerade das teuflische.
Die Teufelskreisläufe.
Die Abhängigkeiten, die wir gar nicht mehr richtig merken.
Bei den einen ist es die Karriere, bei den anderen das stundenlange Surfen im Internet oder es sind die Schulden, die einen schließlich verschlingen.

Der Teufel geht um wie ein brüllender Löwe.
Doch er brüllt nicht mehr. Das ist das Problem.
Der Teufel lullt uns eher ein wie eine hypnotisierende Schlange.
In einer Welt von bunten Bildern und einer Flut von Informationen,
in der alles machbar scheint und der individuelle Hochmut ganz bewusst gefördert wird, sollen wir eingelullt und müde werden,
langsam, träge und schleichend.

Darum: Bleibt nüchtern und wachsam.
Widersteht dem Bösen.

Lasst euch nicht bestechen.
Arrangiert euch nicht mit allem und jedem.
Bleibt bei eurer Aufgabe.
Bewahrt eure Seele vor dem Einlullen und zieht eine Grenze.

Bleibt fest im Glauben, sagt der Petrusbrief.
Verliert nicht das Kreuz aus dem Blick,
verliert nicht eure Verbundenheit mit Gott.
Bleibt demütig!
Und dann werdet ihr auch die Verlockungen als das sehen, was sie sind- nämlich als Versuch, euch den Blick auf Gott zu verstellen und euch die Demut zu rauben.

4.Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit

Der Gott aller Gnade aber, der euch berufen hat zu seiner ewigen Herrlichkeit in Christus Jesus, der wird euch, die ihr eine kleine Zeit leidet, aufrichten, stärken, kräftigen, gründen. IHM sei die Macht von Ewigkeit zu Ewigkeit. Amen.-

Liebe Schwestern und Brüder,
wir leiden „eine Zeit lang“ –
das Leiden und die Sorgen gehören zu unserem Leben mit dazu.

Und es tut mir gut, dass das am Ende dieses Abschnitts auch so gesagt wird. Sich sorgen und sich Gedanken machen gehört zu unserem Leben als Christen und Christinnen dazu.
Würden wir uns keine Sorgen machen,
dann müssten wir vor dieser Welt ja die Augen verschließen.
Dann könnten wir auch nicht wachsam sein.

Nein, wir leiden,
wir leiden unter Anfechtungen und Verlockungen,
wir leiden unter Krankheiten und Diagnosen,
wir leiden unter Ungerechtigkeit und Gewalt.

Aber wir leiden eben nicht für immer und ewig.

All unsere Sorgen und unser Leiden haben einen Ort,
und dorthin müssen wir sie werfen, tragen, rollen, hinfahren oder wie auch immer. Sie haben ihren Platz am Kreuz Jesu Christi.

All eure Sorge werft auf ihn, denn er sorgt für euch.

Täglich neu auf Gott zu vertrauen, das ist es, was uns stärkt.
Was unser Sorgenpaket nicht zu einem riesigen Ballen werden lässt, unter dessen Last wir am Ende zusammenbrechen.

Manchmal, da bin ich beschämt, wenn ich mit älteren Menschen spreche,
Menschen, aus der Kriegsgeneration,
Menschen, die ihre Heimat verloren haben, ihren Besitz, ihre Familie.
Was manche Menschen da erleiden und erdulden mussten,
ist kaum zu beschreiben.
Und das Schöne ist, wenn dann diese Menschen nicht verbittert sind, sondern im Rückblick auch Dankbarkeit empfinden können.
Dankbarkeit dafür, dass Gott auch in dieser schlimmen Zeit täglich neu für sie gesorgt hat und sie es trotz allem überstanden haben.

Dort, wo wir demütig sind, werden wir aufgerichtet,
wo wir die Sorgen loslassen, werden wir gestärkt,
wo wir nüchtern und aufmerksam sind, werden wir gekräftigt und
wo wir Widerstand leisten, da ist ER der feste Boden unter unseren Füßen.

Dieses Gottvertrauen wünsche ich uns allen.
Den Mut, zur eigenen Lebensaufgabe zu stehen.
Die Erfahrung der Solidarität mit anderen.
Und die Gewissheit einer anderen Herrlichkeit, die wir einst im Reich Gottes sehen werden. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

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