20130131

Martin Adel: Mit Sündern und Zöllnern am Tisch

27.01.2013 - Septuagesimä
Matthäus 9, 9-13


Schlechter Umgang färbt ab.

Liebe Gemeinde,

Schlechter Umgang färbt ab.
In meiner Jugend hörte ich oft den Song von Manfred Degenhardt: Spiel nicht mit den Schmuddelkindern, sing nicht ihre Lieder. Geh nicht in die Oberstadt, machs wie deine Brüder.
Färbt schlechter Umgang ab?
Bei den Kindern könnte man das ja noch verstehen. Aber gilt das bei uns Erwachsenen auch noch. Sind wir wirklich so labil, dass wir nur noch den Umgang mit Unseresgleichen aushalten?

Ich weiß nicht, ob sie es mitverfolgt haben, aber der Politiker Horst Arnold aus unserer Südstadt wurde letzten Herbst von seiner Partei zunächst nicht mehr nominiert für die Landtagswahl, weil er ein massives Alkoholproblem hatte. Doch die Familie und die Freunde haben sich nicht zurückgezogen und er nahm diesen Warnschuss zum Anlass für eine „therapeutische Behandlung.“ Er hat hart an sich gearbeitet und nun, 4 Monate nach seiner „Alkohol-Beichte“ entschuldigte er sich bei seinen Genossen, wurde wieder nominiert und wird im Herbst als Direktkandidat der Fürther SPD um den Einzug ins Münchner Maximilianeum kämpfen. (FN 21.01.2013)
Die zweite Chance! Hut ab vor dieser mutigen und verantwortungsvollen Entscheidung der Gremien. Und das Risiko ist groß: Die Meute wartet schon auf das Scheitern.
Und selbst, wenn wir wohlgesonnen sind, tauchen die Fragen auch in uns auf: Kann man ihm vertrauen? Kann man sich auf ihn verlassen? Eine letzte Chance! Wie viele Chancen bekommt einer?
Wir sind ja nicht blöd. Wir sind skeptisch. Immer skeptisch. Und Beispiele finden wir auch viele, wo eine Lebensveränderung nicht gelungen ist.

Aber, liebe Gemeinde, aber ist das unser Auftrag?
Misstrauisch sein? Skeptisch sein? ….

Wenn wir den Predigttext für den heutigen Sonntag ansehen, dann zeigt er uns einen anderen Blick.
Und der Blick ist nicht dumm oder blind, sondern er ist getragen von der großen Fürsorge und Barmherzigkeit Gottes und seinem Blick für den gescheiterten Menschen und seine „zweite Chance“.
Und wenn wir ehrlich sind, dann sitzen hier etliche unter uns mit ihrer „zweiten Chance“ – und ich zähle mich mit dazu.

Predigttext

9 Und als Jesus von dort wegging, sah er einen Menschen am Zoll sitzen, der hieß Matthäus; und er sprach zu ihm: Folge mir! Und er stand auf und folgte ihm.
10 Und es begab sich, als er zu Tisch saß im Hause, siehe, da kamen viele Zöllner und Sünder und saßen zu Tisch mit Jesus und seinen Jüngern. 11 Als das die Pharisäer sahen, sprachen sie zu seinen Jüngern: Warum isst euer Meister mit den Zöllnern und Sündern? 12 Als das Jesus hörte, sprach er: Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken. 13 Geht aber hin und lernt, was das heißt (Hosea 6,6): »Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.« Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.


Bei den Sündern und Zöllnern sitzt er, bei denen, die den letzten Cent aus den Leuten herausgeholt haben, gnadenlos. Und der Protest ist groß!
Berechtigt!
Mit solchen Leuten umgibt man sich nicht. Das färbt ab. Die nutzen einen eh nur aus für die eigenen Zwecke. Die führen einen anständigen Menschen doch eh nur vor oder lachen ihn aus mit seinem Idealismus und seiner gutmütigen Art.
Mit Zöllnern und Sündern …
Das gehört sich nicht. Soll er sich lieber mit den Anständigen beschäftigen; da ist auch genug Not und Elend und Hilfe von Nöten. Da sollte er sich mal lieber zeigen.
Und dann kehrt er ausgerechnet bei diesem Zachäus ein, dem größten Halsabschneider in der Stadt.

Warum macht Jesus das?

Ganz einfach. Damit bei denen zumindest ein Anständiger am Tisch sitzt und dafür einsteht, dass es auch noch andere Meinungen und Werte gibt, als die, nach denen sie leben.

Nicht als Moralapostel – die kann keiner ausstehen; auch wir nicht. Aber als Gegen-Zeichen, dass es auch anders geht.
Und uns wurmt es bis heute, dass er nicht bei uns sitzt, den Anständigen, sondern bei denen.
Und so gibt es in unseren Gemeinden auch eher oft ein Vereinsdenken, wo man unter sich ist. Aber in so einem Klima kommt keine Offenheit auf. Und ich glaube, ich sage auch nichts Neues, dass sich in unseren Kirchen eher die Anständigen sammeln, als die Sünder und Zöllner.
Und ich meine jetzt nicht, dass wir doch alle irgendwie Sünder sind, sondern die offensichtlichen Sünder, da, wo man mit dem Finger hinzeigt, entweder direkt oder danach. Die finden bei uns keinen Platz.
Wir sind bürgerliche Gemeinden – das ist ja erst einmal nichts Schlechtes. Aber was passiert, wenn auch noch die Dippelbruder kämen, mit Fahne und ungewaschen und sich in unsere Bank setzen würde, die Betrüger, die Ehebrecher, die Schulabbrecher, die Versager …
Und dann wird gerichtet: Die wollen zum AM gehen? Der soll erst einmal vor seiner eigenen Tür kehren. Also, dass die sich hierher trauen.

Aber wie soll man sich denn verändern, wenn man keine Beispiele um sich hat, für die es sich lohnt, sich zu ändern. Wenn man keinen Platz hat, wo man hingehen kann – vorher und nachher, weil man den Ort als guten Ort erlebt hat.

In erinnerte mich bei der Vorbereitung an einen Konfirmanden, den wir nach allem Mühen von der Konfirmation ausgeschlossen hatten. Und dann sitzt er dann bei der Konfirmation plötzlich hinten in der Bank. Und ich denke noch: Der wird doch keine Randale mache. Doch alles geht gut und zwei Wochen später treffe ich ihn. Und er senkt den Blick, weil er sich etwas geniert, da er sich immer so aufgeführt hatte. Aber es hatte die Freundin von ihm konfirmiert und die wollte er begleiten. Ihm war sein Verhalten von damals peinlich, aber ich hatte mich gefreut, dass er gekommen war. Ich hatte das Gefühl, dass wir ihm im Konfi-Unterricht vermitteln konnten, dass er in der Kirche dennoch gerne willkommen ist.
Und es ist dann nicht immer gleich die Lebensveränderung angesagt, wie bei diesem Zöllner Matthäus oder bei Zachäus, der dann mitgeht und deren Leben sich völlig verändert. Das ist natürlich unsere Hoffnung, aber das sind die großen Ausnahmen, die wir nicht verhindern wollen, doch anbahnen können wir sie nur, wenn wir offen sind für die Begegnung mit dem anderen, ohne immer gleich zu wissen, was daraus werden wird.

Jesus predigt hier keine „Moral", sondern er zeigt uns, wo wir gebraucht werden: bei den Sündern – und das geht quer durch alle Schichten: Die Starken bedürfen des Arztes nicht, sondern die Kranken.
Das ist sein Ansatz.
Und wir gehen auch nur zu dem Arzt, bei dem wir vermuten, dass wir „gerne" gesehen sind, der uns ein Ort der Für-Sorge ist und nicht der Anklage. Ein Arzt des Vertrauens, der uns mit auf den Weg nimmt hin zu einem gesünderen Zustand. Keine Moral, sondern ein Verstehen und eine Hilfe.
Der Sünder weiß – auch wir wissen, wo wir Sünder sind – der Sünder weiß, dass er Sünder ist, doch er braucht keinen Ort der Anklage, sondern einen Ort der Fürsorge, der es ihm ermöglicht, sein Leben zu überdenken und Stückchen für Stückchen zu verändern …. Menschen, für die es sich lohnt, sein Leben noch einmal neu zu bewerten.
Und deshalb sagt Jesus hier:
»Ich habe Wohlgefallen an Barmherzigkeit und nicht am Opfer.« Ich bin gekommen, die Sünder zu rufen und nicht die Gerechten.

Wir müssen keine Angst haben, dass es abfärbt. In Christus sind wir stark genug. Und wir müssen ja nicht selbst zu Sündern und Zöllner werden, aber wir können mutig hinsehen und hingehen zu den Schwachen, zu denen, die uns brauchen. Und bereit sein, wenn es so weit ist. Und eines ist auch sicher: Wir können oftmals nicht abschätzen, welchen Nutzen es haben wird.

Vielleicht sind wir einmal stolz darauf, dass wir mit den Sündern und Zöllnern an einem Tisch sitzen, weil Christus uns den Sinn geöffnet hat für sein Reich, das Reich Gottes.
Amen

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