20151022

Ilse Winter: Aus Gnaden gerettet

27. September 2015 - 17. Sonntag nach Trinitatis
Predigt Römer 10,9-17


Wir sehen in den Nachrichten täglich Menschen,
die sich auf einen gefährlichen Weg gemacht haben,
Menschen, die versuchen in maroden Booten übers Mittelmeer zu kommen,
oder, die versuchen auf dem nicht ungefährlicherem Landweg nach Europa zu kommen.
Es sind Menschen, die gerettet werden wollen.

Und wir sehen die Menschen, die an ihrem Ziel angekommen sind,
die meinen, sie sind gerettet,
die an ihrem Ziel irgendwann feststellen werden,
es ist nicht das gelobte Land, das sie erhofft haben.

Paulus schreibt den Römern auch von Rettung:

Römer 10, 9-17
 9 Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.
10 Denn wenn man von Herzen glaubt, so wird man gerecht; und wenn man mit dem Munde bekennt, so wird man gerettet.
11 Denn die Schrift spricht (Jesaja 28,16): »Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.«
12 Es ist hier kein Unterschied zwischen Juden und Griechen; es ist über alle derselbe Herr, reich für alle, die ihn anrufen.
13 Denn »wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden« (Joel 3,5).
14 Wie sollen sie aber den anrufen, an den sie nicht glauben? Wie sollen sie aber an den glauben, von dem sie nichts gehört haben? Wie sollen sie aber hören ohne Prediger?
15 Wie sollen sie aber predigen, wenn sie nicht gesandt werden? Wie denn geschrieben steht (Jesaja 52,7): »Wie lieblich sind die Füße der Freudenboten, die das Gute verkündigen!«
16 Aber nicht alle sind dem Evangelium gehorsam. Denn Jesaja spricht (Jesaja 53,1): »Herr, wer glaubt unserm Predigen?«
17 So kommt der Glaube aus der Predigt, das Predigen aber durch das Wort Christi.

Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet
Was ist Rettung?
Bekenntnis als Bedingung?
Bekenntnis muss nicht mit Worten sein
Von was für einer Rettung spricht Paulus?
Es geht Paulus nicht um eine Rettung aus einer leiblichen Not.

Wenn wir körperlich unversehrt sind und unsere Grundbedürfnisse – essen, trinken, wohnen – erfüllt sind, dann merken wir, das reicht nicht.
Es reicht nicht einmal, wenn wir das alles im Überfluss haben.
Wir brauchen Liebe, wir brauchen Zuwendung.

Für Paulus war es eine existentielle Frage, wie bekomme ich diese Zuwendung von Gott.
Paulus war den Weg der Pharisäer gegangen, er wollte vor Gott gerecht werden, deshalb hat er versucht, das Gesetz zu erfüllen, für ihn gehörte dazu auch die Verfolgung der Nachfolger Christi.
Dabei ist ihm auf dem Weg nach Damaskus der auferstandene Christus selbst begegnet.
Danach war alles anders.

Er hat erfahren: All mein Mühen bringt mich nicht näher zu Gott.
Ich kann mir Gottes Zuwendung nicht erarbeiten, ich kann sie mir nur schenken lassen.

Wie für Paulus war es auch für Martin Luther eine existentielle Frage:
Wie bekomme ich einen gnädigen Gott?

Auch Martin Luther hat versucht, sich Gottes Liebe, Gottes Zuwendung zu erarbeiten und hat gemerkt es geht nicht.
Ich schaffe es nicht.

Er hat die Antwort schließlich im Römerbrief gefunden

Wenn du in deinem Herzen glaubst, dass Gott Jesus von den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet.

Allein der Glaube genügt.

Mehr braucht es nicht.
Und selbst den Glauben kann ich mir nicht erarbeiten.
Ich bekomme die Zuwendung, die Liebe von Gott geschenkt.
Es ist Gnade.
Und:
Allein diese Gnade genügt.

Flüchtlinge, die in Europa ankommen, sind auf Hilfe angewiesen.
Hilfe wird ihnen manchmal auch aus Gnaden gewährt.
Es gibt in Deutschland ein Grundrecht auf Asyl, damit die Hilfe nicht Gnade sondern Recht ist.
Doch bis sie dahin kommen und manchmal auch dann noch, sind sie der Gnade der Behörden und der Helfer ausgeliefert, das kann sehr demütigend sein.

Bin ich der Gnade Gottes ausgeliefert?
Wie Martin Luther muss auch ich erkennen:
Ich schaffe es nicht, gerecht zu sein,
ich schaffe es nicht, alles richtig zu machen.
Ich schaffe es nicht, mir Gottes Liebe zu erarbeiten.

In einer Welt, in der man stark sein muss, muss ich bekennen, dass ich zu schwach bin, es allein zu schaffen.
Aber dann kann ich lesen, was Paulus den Korinthern schreibt:

denn wenn ich schwach bin, so bin ich stark

Gerade dann, wenn ich meine Schwäche, mein Unvermögen eingestehe, gerade dann kann Gott mich stark machen.
Gottes Gnade macht mich stark,
stark im hier und jetzt zu tun was er mir vor die Füße legt.

Aber reicht wirklich diese Gnade?
Muss ich nicht doch etwas tun?

Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist, ….
Denn wenn du mit deinem Munde bekennst
Klingt das nicht doch nach einer Bedingung für die Rettung?
Ist es notwendig, meinen Glauben zu bekennen?
Ist es notwendig, in aller Öffentlichkeit laut zu sagen, dass ich an Jesus Christus glaube,
ist das notwendig um gerettet zu werden?

Muss ich nun täglich mindestens einmal jemandem von meinem Glauben erzählen, so ähnlich wie Pfadfinder täglich eine gute Tat tun sollen?
Dann würde ich mir ja doch wieder meine Rettung verdienen, sie mir erarbeiten.

Paulus zitiert Jesaja:
Wer an ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.
Und er zitiert den Propheten Joel:
wer den Namen des Herrn anrufen wird, soll gerettet werden

Wenn ein Ertrinkender um Hilfe ruft, ist das eine Bedingung, um gerettet zu werden?
Wenn ein Kranker zum Arzt geht, ist das eine Bedingung, um gesund zu werden?
Ja, man könnte es so sagen.
Aber wer empfindet das wirklich als Bedingung?
Der Ertrinkende, der Kranke,
sie müssen bekennen, dass sie Hilfe nötig haben,
dass sie es allein nicht schaffen.

Wenn ich den Namen des Herrn anrufe, dann bekenne ich mit meinem Mund, dass ich es allein nicht schaffe, dass ich Hilfe brauche.

Und den Namen des Herrn anrufen, das kann doch jeder, da gibt es doch keine Einschränkung.

Aber um den Namen des Herrn anzurufen, muss ich doch erst einmal wissen, dass es diese Möglichkeit gibt.

Wie soll ich jemanden anrufen und um Hilfe bitten, den ich nicht kenne?
Um vor jemandem einzugestehen, dass ich Hilfe brauche, muss ich ihm vertrauen.
Ich kann doch niemandem vertrauen, von dem ich noch nie etwas gehört habe.
Also muss es doch jemanden geben, der davon erzählt, dass es Hilfe gibt, dass es da jemanden gibt, dem man vertrauen kann, den man um Hilfe, um Rettung bitten kann.

Wenn ich also weiß, wo es Rettung gibt, warum erzähle ich es nicht?

Ich muss es aber erst einmal selbst erlebt haben.
Ich muss erlebt haben, dass Gottes Liebe, seine Zuwendung mir ganz persönlich gilt.

Ich muss es selbst erfahren haben, dass Jesus Christus für mich gestorben ist und für mich auferweckt wurde.

Und wenn ich das von Herzen glaube, dann ist mein Herz voll davon, dann fließt doch auch mein Mund über?

Ich habe da einmal eine kleine Geschichte gehört:
Da gab es einen jungen Mann, der hatte von Jesus gehört und war auch ganz fasziniert von ihm, wollte wirklich von Herzen gern glauben dass ihn Gott von den Toten auferweckt hat, aber da gab es noch diese Bedingung:
Denn wenn du mit deinem Munde bekennst, dass Jesus der Herr ist....
Und mit dem bekennen hatte er so seine Schwierigkeiten.
Das erzählte er einem weisen Mann und der sagte ihm:
Ja, das stimmt, so steht es in der Bibel, aber bei dir macht Gott eine Ausnahme, du musst nicht mit deinem Munde bekennen.
Da war dieser junge Mann so froh und glücklich, dass er sofort allen Menschen, denen er begegnete erzählte:
Stellt euch vor, ich glaube das Jesus Christus mein Herr ist und ich muss es niemandem erzählen.
Nun, mein Mund fließt nicht immer über, ich erzähle nicht immer und überall davon, dass ich Christ bin und dass Jesus mein Retter ist.
Aber mein Bekenntnis muss nicht ein Bekenntnis mit Worten sein.

Wenn ich Menschen begegne, die bei uns angekommen sind, die eine gefährliche Flucht überlebt haben, denen kann ich die Liebe, die ich von meinem Gott empfangen habe, weitergeben.

Gebe ich seine Liebe weiter, indem ich den anderen erst einmal respektiere genau da wo er im Moment steht?
Gebe ich seine Liebe weiter an den Christen,
den Moslem,
den, der nie einen Glauben hatte,
den der seinen Glauben verloren hat.

Der Gott, auf dessen Gnade ich angewiesen bin, der verleiht mir Würde, gebe ich doch diese Würde weiter.
Sehe ich nicht in dem anderen den Hilfsbedürftigen sondern sehe ich in ihm den Menschen, der Stärken und Schwächen hat genau wie ich.

Werde ich zur Freudenbotin, gebe ich das Gute weiter, einfach indem ich den anderen als Menschen respektiere.

Paulus schreibt den Galatern:
Ich lebe, doch nun nicht ich, sondern Christus lebt in mir

Wenn Christus in mir lebt,
dann geht er mit mir, wohin auch immer ich gehe.
Dann ist er da wohin ich gehe.
Dann beeinflusst er mein Handeln.

Aber dazu muss ich es erlebt haben:
Seine Gnade rettet mich,
seine Liebe macht mich mutig und stark,

mutig, das zu tun und zu sagen, was mein Herr mir als Aufgabe vor die Füße gelegt hat.

Friedrich Schwanecke spricht die Vermutung aus:
Du bist gekommen, Gottlose zu retten – also rettest du mich?

Martin Luther sagt:
Glaube ist eine lebendige verwegene Zuversicht auf Gottes Gnade, so gewiss, dass er tausendmal dafür sterben würde. Und solche Zuversicht und Erkenntnis göttlicher Gnade macht fröhlich, trotzig und lustig gegen Gott und alle Kreaturen; das wirkt der Heilige Geist im Glauben.

So möge der Heilige Geist auch uns den Glauben schenken, dass unser Gott und Vater auch uns fröhlich, trotzig und mutig macht, das zu tun und zu sagen, was er uns vor die Füße legt.

Amen

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