20151019

Martin Adel: Das Reich Gottes annehmen wie ein Kind

18.10.2015 - 20. Sonntag nach Trinitatis
Predigt Markus 10,13-16
gehalten in Maria Magdalena


Mk 10,13-16
Die Segnung der Kinder
13 Und sie brachten Kinder zu ihm, damit er sie anrühre. Die Jünger aber fuhren sie an.
14 Als es aber Jesus sah, wurde er unwillig und sprach zu ihnen: Lasst die Kinder zu mir kommen und wehret ihnen nicht; denn solchen gehört das Reich Gottes.
15 Wahrlich, ich sage euch: Wer das Reich Gottes nicht empfängt wie ein Kind, der wird nicht hineinkommen.
16 Und er herzte sie und legte die Hände auf sie und segnete sie.

1. Jesus, der Kinderfreund – Güte contra Härte
Ist Jesus nur ein Kinderfreund? Und wir Erwachsenen, was ist mit uns? Hartherzig, berechnend, vernünftig – vom Leben gezeichnet.
Ist hier das alte Bild nachgezeichnet:
Die gütige Mutter – der strenge Vater. Oder umgekehrt.
Der barmherzige Vater – der hartherzige Bruder.
Die gütige Angela Merkel – der egoistische Horst Seehofer.

Lasst die Kinder zu mir kommen ….

2. Kindesalter
Welche Kinder sind da überhaupt gemeint? Welches Alter hat er, welches Alter haben wir vor Augen, wenn Jesus von den Kindern spricht?

Sind die niedlichen Babys gemeint, die einen Nachts um den Schlaf bringen.
Oder meint er die ins Spiel sich verlierenden Dreijährigen, die mit ihrem Trotzkopf so manchen Familienausflug zu Nichte machen.
Meint er die neugierigen, fragenden, weltentdeckenden 8jährigen, die dann beim Zündeln fast das Haus anzünden.
Oder meint er die 12jährigen, die voller Liebe und Hilfsbereitschaft der Mama oder der Nachbarin die Tasche nach oben tragen und später mit dem Schulfreund heimlich die Sexheftchen durchblättern.

Lasst die Kinder zu mir kommen.
Welche Kinder meint Jesus denn?

Und außerdem: Sind Kinder so positiv, wie sie hier beschrieben sind? Wieviel Not war oft in den Familien durch die vielen Kinder. Wie viele Frauen sind gestorben über dem Kinderkriegen oder schon davor, weil sie zur Engelmacherin gegangen sind.
Die Erfindung der Pille, die Verhütung, ist da auch ein Segen gewesen – und auch ein Fluch, denn wie viele Paar bekommen nur schwer Kinder, nach Jahrzehnten des Verhütens.

Und dennoch sind Kinder sind ein Segen – Kinderlosigkeit wird oft schwer ertragen, bis heute.

Kinder sind auch eine Last.
- zu kleine Wohnung
- zu viele Erwartungen an die Familien
- Leistungsdruck, was alles wie sein muss …
- finanzielle Belastung (aber auch Spinnerei unserer Zeit)
- abgetrieben (Indien-Mitgift, China – Ein-Kind-Familie)
- Streit in der Familie, unter Geschwistern

Sieht Jesus das nicht.
Doch. Er sieht es. Und er weiß selbst, was es heißt, ein „Bastard“ zu sein. Das uneheliche Kind der Maria!

Jesus hat nicht viel zu den Kindern gesagt und dennoch steht hier dieses zentrale Wort, das auch bei so vielen Taufen gelesen, bepredigt oder vorgespielt wird.
Lasst die Kinder zu mir kommen ….

Was meint er damit?

3. Kindsein ist kein Zustand, eine Haltung, eine Lebenseinstellung
Und wir ahnen schon, das Kindsein ist kein sozial-romantischer Zustand, sondern eine Haltung, eine Lebenseinstellung.

Wenn man nur die Evangelien sprechen lässt:
a. Mt 5,9 Selig sind die Friedfertigen; denn sie werden Gottes Kinder heißen.

b. Mt 21,15 Die Tempelreinigung
12 Und Jesus ging in den Tempel hinein und trieb heraus alle Verkäufer und Käufer im Tempel und stieß die Tische der Geldwechsler um und die Stände der Taubenhändler
13 und sprach zu ihnen: Es steht geschrieben (Jesaja 56,7): »Mein Haus soll ein Bethaus heißen«; ihr aber macht eine
14 Und es gingen zu ihm Blinde und Lahme im Tempel und er heilte sie.
15 Als aber die Hohenpriester und Schriftgelehrten die Wunder sahen, die er tat, und die Kinder, die im Tempel schrien: Hosianna dem Sohn Davids!, entrüsteten sie sich
16 und sprachen zu ihm: Hörst du auch, was diese sagen? Jesus antwortete ihnen: Ja! Habt ihr nie gelesen (Psalm 8,3): »Aus dem Munde der Unmündigen und Säuglinge hast du dir Lob bereitet«?

c. Kindervergleiche
- Kinder dieser Welt oder Kinder des Lichts (Lk 16,8; Joh 12,36),
- Kinder des Allerhöchsten (Lk 6,35),
- Kinder der Auferstehung (Lk 20,36),

d. Johannesprolog (Joh 1)
10 Er war in der Welt, und die Welt ist durch ihn gemacht; aber die Welt erkannte ihn nicht. 11 Er kam in sein Eigentum; und die Seinen nahmen ihn nicht auf. 12 Wie viele ihn aber aufnahmen, denen gab er Macht, Gottes Kinder zu werden, denen, die an seinen Namen glauben.
14 Und das Wort ward Fleisch und wohnte unter uns, und wir sahen seine Herrlichkeit, eine Herrlichkeit als des eingeborenen Sohnes vom Vater, voller Gnade und Wahrheit.

e. Mk 5,39 Heilung des Töchterchen des Jairus
35 Als er noch so redete, kamen einige aus dem Hause des Vorstehers der Synagoge und sprachen: Deine Tochter ist gestorben; was bemühst du weiter den Meister?
36 Jesus aber hörte mit an, was gesagt wurde, und sprach zu dem Vorsteher: Fürchte dich nicht, glaube nur!
37 Und er ließ niemanden mit sich gehen als Petrus und Jakobus und Johannes, den Bruder des Jakobus.38 Und sie kamen in das Haus des Vorstehers, und er sah das Getümmel und wie sehr sie weinten und heulten. 39 Und er ging hinein und sprach zu ihnen: Was lärmt und weint ihr? Das Kind ist nicht gestorben, sondern es schläft.
40 Und sie verlachten ihn. Er aber trieb sie alle hinaus und nahm mit sich den Vater des Kindes und die Mutter und die bei ihm waren und ging hinein, wo das Kind lag, 41 und ergriff das Kind bei der Hand und sprach zu ihm: Talita kum! – das heißt übersetzt: Mädchen, ich sage dir, steh auf! 42 Und sogleich stand das Mädchen auf und ging umher; es war aber zwölf Jahre alt. Und sie entsetzten sich sogleich über die Maßen. 43 Und er gebot ihnen streng, dass es niemand wissen sollte, und sagte, sie sollten ihr zu essen geben.

f. Speisung der 5000 (Joh 6,9)
8 Spricht zu ihm einer seiner Jünger, Andreas, der Bruder des Simon Petrus: 9 Es ist ein Kind hier, das hat fünf Gerstenbrote und zwei Fische; aber was ist das für so viele?
10 Jesus aber sprach: Lasst die Leute sich lagern. Es war aber viel Gras an dem Ort. Da lagerten sich etwa fünftausend Männer.

g. Der Rangstreit der Jünger (Mt 18,1ff)
18 1 Zu derselben Stunde traten die Jünger zu Jesus und fragten: Wer ist doch der Größte im Himmelreich?
2 Jesus rief ein Kind zu sich und stellte es mitten unter sie
3 und sprach: Wahrlich, ich sage euch: Wenn ihr nicht umkehrt und werdet wie die Kinder, so werdet ihr nicht ins Himmelreich kommen. 4 Wer nun sich selbst erniedrigt und wird wie dies Kind, der ist der Größte im Himmelreich. 5 Und wer ein solches Kind aufnimmt in meinem Namen, der nimmt mich auf.
Warnung vor Verführung zum Abfall
6 Wer aber einen dieser Kleinen, die an mich glauben, zum Abfall verführt, für den wäre es besser, dass ein Mühlstein an seinen Hals gehängt und er ersäuft würde im Meer, wo es am tiefsten ist.

4. Wes Geistes Kind bin ich?
Was ist das, was Jesus am Beispiel der Kinder uns mit auf den Weg geben möchte?
Wir sind ja keine Kinder mehr – klein, süß, drollig, unschuldig, unvoreingenommen.
Im Gegenteil, mich regen eher die Erwachsen auf, die nicht erwachsen werden wollen.
Und doch spricht Jesus von der Kindschaft und vom neu geboren werden. Und der erwachsene und gelehrte Nikodemus
Ist völlig durcheinander, weil er es sich mechanisch oder materiell oder ganz real vorstellt, wie ein Erwachsener wieder aus seiner Mutter Leib geboren werden könnte. (Joh 3,1ff)

Geistig, geistlich neu geboren werden?! … werden wie die Kinder?
Kindisch?
Kindlich?
Führt uns Jesus in die Irre?

Und der Widerstand regt sich in uns: Weit hat er es ja selbst auch nicht gebracht mit diesem naiven Vertrauen.
„Hosianna… und dann Kreuzigt ihn.“ Da wäre er mal lieber nicht so unbedarft, so kindlich, so vertrauensselig gewesen.

5. Vertrauen – wie viel?
Und da ist es wieder, dieses: Vertrauen.
… Fürchte dich nicht, glaube nur.
Aber wie viel Vertrauen ist denn da gemeint?
Heißt es nicht auch: Vertrauen ist gut. Kontrolle ist besser.
Wir wollen doch auch nicht dumm sein, sondern: „klug wie die Schlange …“
Und außerdem heißt es doch auch, dass wir uns hüten sollen vor dem Versucher. … Und wir können doch auch nicht nur blind vertrauen, sondern es heißt doch auch: Prüfet alles und das Gute bewahret.
Aber was ist denn gut?
Und dann ist es wie am Anfang: Wie alt sind die Kinder denn, die Jesus meint. Welches Vertrauen meint er denn? Das von Baby, oder von 4-jährigen, von 8-jährigen, das von 12-jährigen?

6. Es gibt keine Garantien
Jesu Wort bleibt eine Herausforderung, eine Provokation und gleichzeitig eine Aufgabe.
Es gibt keine Garantien für das Leben.
Vieles klären wir heute über das Recht. Und der Rechtsanspruch, das Rechtsstaat ist etwas ganz Wichtiges.
Und wir klären es über Versicherungen: dann zahlt die Versicherung – Gott sei Dank oder auch nicht – je nachdem, welche Erfahrungen ich gemacht habe.
Aber auch wenn die Versicherung den Einbruch bei mir zuhause bezahlt, heißt das noch nicht, dass ich über den Eingriff in mein Privates so ohne weiteres hinweg komme.
Mit der Krankenversicherung ist das nichts anderes. Sie bezahlt mir die Kosten beim Arzt, aber wie ich mit meiner Krankheit zurechtkomme, mit dem Diabetes, mit den Schmerzen, mit dem Krebs, mit der Einschränkung, mit dem Defekt, dem Bedürftig sein, dem auf Hilfe angewiesen sein, das steht oft auf einem ganz anderen Blatt.

Und spätestens dann spüren wir: Die wesentlichen Dinge gehen nicht über das Recht, sondern über das Vertrauen.
- Wenn wir uns das JA-Wort geben, wissen wir nicht, wie unsere Ehe in zwanzig Jahren sein wird. Und trotzdem gehen wir mutig!
- Wenn wir Kinder bekommen, wissen wir nicht, ob sie uns einmal im Alter versorgen werden. Und trotzdem gehen wir mutig!
- Wenn wir mutig ins Leben ziehen und unser Land mitgestalten, wissen wir nicht, wie unser Land in zwanzig Jahren sein wird, ob Krieg ist, atomare Verseuchung, Klimakatastrophen. Und trotzdem gehen wir mutig!
- Wenn wir auf Gottes Schutz und Segen bauen und dieses und jenes unter seinem Namen beginnen, entscheiden, wagen, wissen wir nicht, wie es wird. Vielleicht scheitern wir. Vielleicht halten wir die Härte des Lebens nicht aus. Vielleicht … Und trotzdem gehen wir mutig!

Die Begegnung Jesu mit dem „Reichen Jüngling“, die direkt nach dem Kinderevangelium zu finden ist, lese ich wie eine Auslegung zu unserem Predigtwort. (Mk 10,17ff).
Der reiche Jüngling fragt Jesus: Guter Meister, was soll ich tun, damit ich das ewige Leben ererbe? ….  Und Jesus antwortet:
19 Du kennst die Gebote: »Du sollst nicht töten; du sollst nicht ehebrechen; du sollst nicht stehlen; du sollst nicht falsch Zeugnis reden; du sollst niemanden berauben; ehre Vater und Mutter.«
20 Er aber sprach zu ihm: Meister, das habe ich alles gehalten von meiner Jugend auf.
21 Und Jesus sah ihn an und gewann ihn lieb und sprach zu ihm: Eines fehlt dir. Geh hin, verkaufe alles, was du hast, und gib's den Armen, so wirst du einen Schatz im Himmel haben, und komm und folge mir nach! 22 Er aber wurde unmutig über das Wort und ging traurig davon; denn er hatte viele Güter.
Und danach folgend diese so anschaulichen Worte Jesu: Eher geht ein Kamel durch ein Nadelöhr als dass ein Reicher in den Himmel kommt. Und nun erschrecken auch die Jünger und fragen: Wer wird denn dann hinein kommen? Und Jesus entzieht ihnen völlig den Boden und führt uns zurück auf das Einzige, das wir als Kinder Gottes haben: Das Vertrauen.
„Bei den Menschen ist's unmöglich, aber nicht bei Gott; denn alle Dinge sind möglich bei Gott.“ (Mk 10,27)

Wir haben keine Garantien.
Wenn uns das bewusst wird, dann erschrecken wir vielleicht, weil wir gar so Geworfene sind. Und gleichzeitig kann hier das Vertrauen beginnen:
Gott, du an meiner Seite?!
Gott, du auf grüner Aue und bei mir im Angesicht meiner Feinde?
Lasst die Kinder zu mir kommen …
Wenn ihr das Reich Gottes nicht annehmt wie ein Kind …

Du Gott bist der Ort, bei dem ich Zuhause bin. Geborgen, absichtslos, voller Vertrauen. In meiner Krankheit bin ich gesund vor dir. In meiner Begrenztheit doch so reich. In meiner Schwachheit doch so stark.

Lassen wir uns immer wieder neu in der Nähe Gottes von Gott selbst verwandeln, von den enttäuschten Kindern der Welt zu den Kindern Gottes. Und kommen wir trotz aller Erfahrung und Härte des Lebens und der Realität und des Erwachsenseins – das von Gott gewollt ist! - immer wieder zurück zu einem kindlichen Staunen und Fragen und Danken und Vergessen und Neuanfangen. Mit vorbehaltloser Liebe. Mit Vertrauen. Mit Hingabe. Wie ein Kind. In der inneren Gewissheit: ES WIRD!

Amen.



Definition: Jugend
BegriffsentstehungDer Begriff Jugend ist historisch gesehen relativ jung und wurde erst um 1800 häufiger verwandt. Der Begriff des Jugendlichen war dabei ursprünglich ambivalent besetzt (Jugend ist Trunkenheit ohne Wein) und diente auch zur Distanzierung von einer Personengruppe, die als gefährdet definiert wurde. Der Begriff bezeichnete dann beispielsweise in der Jugendhilfe der 1880er Jahre eine männliche Person aus der Arbeiterklasse zwischen 13 und 18 Jahren, der Tendenzen zur Verwahrlosung, Kriminalität und eine Empfänglichkeit für sozialistisches Gedankengut unterstellt wurden. Erst nach 1900, im Zuge der Jugendbewegung, wurde die eher negative Konnotation des Begriffs (Jugend als Gefährdung und Unreife) durch ein positives Bild ersetzt. Im Rahmen nationalistischer Strömungen entstand nach dem Ersten Weltkrieg ein politischer Jugendmythos: Jugend als Motor der Geschichte (Wer die Jugend hat, hat die Zukunft). Hitler war dann in der nationalsozialistischen Propaganda der junge Führer. Das erste negative Jugendbild in der Industriegesellschaft wirkte jedoch latent weiter und ist gerade in Zeiten gesellschaftlicher Umbrüche wieder aktualisierbar, wie die Diskussion um Jugendgewalt und Jugendkriminalität in den 1990er Jahren zeigte: Jugend(liche) als Gefährdung und Bedrohung.Definitionen der „Jugend“Jugend kann auf verschiedene Arten betrachtet werden, zum einen bezeichnet der Begriff eine Phase im Leben eines Individuums und zum anderen wird damit eine eigenständige Gruppe von Menschen erfasst. Je nach Auffassung kann man zur Eingrenzung der Lebensphase heute bestimmte Alterswerte oder aber eine Definition anhand von qualitativen Merkmalen vornehmen. Gemäß dieser zweiten Möglichkeit wird als Beginn der Jugendphase meistens die körperliche Geschlechtsreife gewählt, als Ende das Erreichen von finanzieller und emotionaler Autonomie.


Kinder: 0 – 11 Jahre! 
Die Kindheit teilte sich im Mittelalter generell in drei Phasen: infantia, puertia und adolescentia. 0-7/7-14/14-21

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