20120406

Martin Adel: Aushalten ist Liebe

Karfreitag - Todesstunde Jeus

Ansprache zu Johannes 19,25

Liebe Gemeinde,
25 Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala.

Wo würden wir stehen?

Bei Matthäus und bei Lukas heißt es: die Frauen stehen von Ferne. (Mt 27,55 // Lk 15,40)
Wo würden wir stehen?

An Karfreitag werden wir ans Kreuz geführt – ob wir wollen oder nicht. Einmal im Jahr. Zur Unzeit, wie es immer Unzeit ist, wenn uns das Leid trifft, die Nachricht vom Autounfall, vom Schlaganfall, vom Krebs.
Es ist doch schon Frühling. Die Vögel singen schon früh morgens und bauen ihre Nester. Die Zeit ist umgestellt und wir genießen die warmen Sonnenstrahlen. Und dann Karfreitag. Künstlich inszeniert? Fehl am Platz?

Wo würden wir stehen?

Und die Welt lehnt sich auf! Sie protestiert, gegen das Tanzverbot an diesem Tag, gegen den „stillen Tag“. Das macht keinen Spaß. Das bringt kein Geld ein. Das gefährdet die Wirtschaft. Das ist nicht mehr zeitgemäß.
Die Welt lehnt sich auf und will sich nicht einüben in das andere Gesicht des Lebens und stürzt dann ins Haltlose, wenn das Elend sie ereilt, das, das man nicht mehr verdrängen kann und nicht mehr verstecken kann und nicht mehr wegoperieren kann.
Wie viel Leid muss dann oft alleine ertragen werden, weil mich meine Umgebung nicht ertragen kann.

Die Welt lehnt sich auf. Aber das ist nichts Neues. Das hat sie sich ja damals schon und gerufen: Kreuziget ihn! Und dann den Tod beschleunigt, damit einem das Fest, die Party nicht versaut wird.
Aber wann waren die Karfreitage schon zeitgemäß? Wann wollte der Mensch schon hinsehen, wo das Leid liegt und das Elend der Welt hängt, verhungert, verdurstet, zermürbt und ausgelaugt.

25 Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala.
Es gibt Zeiten in unserem Leben, da werden wir nicht gefragt, wo wir stehen wollen. Da ist klar, wo wir zu stehen haben. Und das Aushalten ist die Liebe.
Am Pflegebett sitzen und mitgehen, den manchmal mühsamen und langen Weg des Entschwindens.
Am Sterbebett treu bleiben, die Hand halten, die Stirn abtupfen und den schweren Atem aushalten, so wie man vorher die gemeinsamen Geburtstagsfeiern und die Grillfeste und das Lachen und Albern „ausgehalten“ hat.

Misereor – wirbt unter dem Slogan: Mut zu Taten
Mut ist, zu bleiben. Auch wenn die Schlagzeilen verschwinden.

Und Michael Becker (Werkstatt - WLP 2/2012 S. 54) spricht hier von der Liebe.
„Aushalten ist Liebe. Nicht weggehen, nicht wegschauen, keine leeren Worte sprechen, sondern besser schweigen – alles das sind Liebesdienste. Auch wenn sie klein erscheinen, sind sie dennoch groß. Auch wenn sie den Tod nicht aufhalten, zeigen sie das Einzige, was den Tod überwindet: Liebe. Große Liebe. Bei einem Sterbenden auszuhalten ist große Liebe.“
25 Es standen aber bei dem Kreuz Jesu seine Mutter und seiner Mutter Schwester, Maria, die Frau des Klopas, und Maria von Magdala.
Und die Liebe kehrt dabei zu uns selbst zurück, weil die Liebe den verwandelt, der liebt.
26 Als nun Jesus seine Mutter sah und bei ihr den Jünger, den er liebhatte, spricht er zu seiner Mutter: Frau, siehe, das ist dein Sohn! 27 Danach spricht er zu dem Jünger: Siehe, das ist deine Mutter! Und von der Stunde an nahm sie der Jünger zu sich.

Und Paul Gerhardt weißt das und deshalb dichtet er:
6. Ich will hier bei dir stehen, verachte mich doch nicht; von dir will ich nicht gehen, wenn dir dein Herze bricht; wenn dein Haupt wird erblassen im letzten Todesstoß, alsdann will ich dich fassen in meinen Arm und Schoß.
9. Wenn ich einmal soll scheiden, so scheide nicht von mir, wenn ich den Tod soll leiden, so tritt du dann herfür; wenn mir am allerbängsten wird um das Herze sein, so reiß mich aus den Ängsten kraft deiner Angst und Pein.
10. Erscheine mir zum Schilde, zum Trost in meinem Tod, und laß mich sehn dein Bilde in deiner Kreuzesnot. Da will ich nach dir blicken, da will ich glaubensvoll dich fest an mein Herz drücken. Wer so stirbt, der stirbt wohl.

Wo würden wir stehen?

Der Karfreitag ist der Tag, an dem wir uns stellen, freiwillig stellen und den Dingen ins Angesicht sehen, die wir sonst gerne meiden. Und wir dürfen uns dabei getragen und gehalten wissen, von dem, dem all das nicht fremd ist, sondern der in seinem Leben gezeigt und mit seinem Leben bezeugt hat, wo er steht. Gott selbst in Christus. Was für ein gewaltiges Geschenk.
Amen.

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