20120406

Werner Otto Sirch: Der Tod ist verschlungen vom Sieg

Ostermontag 09.02.2012 - 1. Korinther 15,50-58

Liebe Gemeindeglieder,
liebe Schwestern und Brüder,

gestern haben wir voller Freude die Botschaft von Jesu Auferstehung gehört. Es klingt in uns nach, dass Jesus den Tod überwunden und besiegt hat. Heute sind wir wieder auf dem Weg in den Alltag. Was bedeutet es für mich, dass Jesus dem Tod die Macht genommen hat und es trotzdem Alltag ist, dass überall um uns her gestorben wird – trotzdem gestorben wird. Wo manche unter uns trotzdem die Nähe zum Tod erfahren haben, erleben mussten was es bedeutet einen Menschen durch den Tod zu verlieren.

1. Steine sprechen

Auf dem Weg durch den Friedhof sprechen Steine zu uns. Sie reden deutlich. Jeder Grabstein hat eine eindrückliche Botschaft für uns: „Lebt richtig, lebt sinnvoll, lebt wirklich und ganz, nutzt die Jahre auf der Erde, bevor ihr unter die Erde kommt, schenkt euch Liebe, solange ihr euch habt, schenkt euch Blumen, solange sie der andere noch sehen kann, sagt euch Worte der Verzeihung, solange sie der andere noch hören kann, macht Frieden mit Gott, solange noch Zeit ist.”

Aber auch die Inschriften auf den Grabsteinen sprechen laut: „Hier ruht!” Dann: „Hier ruht in Gott!” Einmal heißt es: „Auf Wiedersehen!” Ein anderes Mal: „Auferstehen!” Da ist ein Stein: „Unsere Clara - verlorenes Glück!” Dort ein Kreuz: „Unser Otto - Lasset die Kindlein zu mir kommen!” Die einen schreiben: „Gekämpft, gehofft und doch verloren!” Andere: „Christus ist mein Leben und Sterben ist mein Gewinn!” Für einen Mann steht über seinem Namen: „Dem Verdienste seine Krone!” Für einen anderen: „Aus Gnaden seid ihr selig geworden!” Auf einem Grabstein das Dante-Wort: „Lass jede Hoffnung fahren.” Und auf einem anderen: „Herr, ich warte auf dein Heil!” Sehr oft kann man lesen: „Unvergessen!” Sehr selten steht: „Herr, nun lässest du deinen Diener in Frieden fahren, denn meine Augen haben deinen Heiland gesehen!” Und auf vielen modernen Friedhöfen und neueren Grabsteinen steht außer dem Namen und den Lebensdaten kein einziges Wort mehr.
So ist der Friedhof mit seinen Steinen ein Buch mit vielen Blättern, das uns nachdenklich und fragend macht.

Wir denken nach wozu wir gelebt haben. Was von uns bleiben wird. Wie es sein wird, wenn wir die Unausweichlichkeit des Todes an unserem eigenen Leben erfahren. Was wird sein, wenn unser Leben zu Ende gegangen ist, wenn wir nichts „hinüberretten“ können vom „hier“ nach „dort“. Gott hat über den Tod gesiegt, das ist unser Glaube. Trotzdem ist er weiterhin Fakt und bedroht unser Leben. Wann wird die Macht des Todes endgültig Vergangenheit sein?

2. Predigttext

Im 1. Korinterbrief, im 15. Kapitel, schreibt der Apostel Paulus über den Tod und seine Macht, hören wir den Predigttext:
50 Das sage ich aber, liebe Brüder, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit.
51 Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; 52 und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune. Denn es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden. 53 Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. 54 Wenn aber dies Verwesliche anziehen wird die Unverweslichkeit und dies Sterbliche anziehen wird die Unsterblichkeit, dann wird erfüllt werden das Wort, das geschrieben steht (Jesaja 25,8; Hosea 13,14): »Der Tod ist verschlungen vom Sieg. 55 Tod, wo ist dein Sieg? Tod, wo ist dein Stachel?« 56 Der Stachel des Todes aber ist die Sünde, die Kraft aber der Sünde ist das Gesetz. 57 Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus! 58 Darum, meine lieben Brüder, seid fest, unerschütterlich und nehmt immer zu in dem Werk des Herrn, weil ihr wisst, dass eure Arbeit nicht vergeblich ist in dem Herrn.

3. Fleisch und Blut können Gottes Reich nicht erben


Paulus sagt es deutlich, dass Fleisch und Blut das Reich Gottes nicht ererben können; auch wird das Verwesliche nicht erben die Unverweslichkeit. Die Ewigkeit ist nicht der Ort, wo wir durch unsere „Auferstehung“ die Wiederherstellung des vom Tode leider zerstörten und abgebrochenen Lebens erwarten dürfen. Die Vergänglichkeit wird nicht die Unvergänglichkeit erben. Für unsere eigene Klarheit in dieser Sache ist das wichtig!

Es geht nach unserem Sterben dort in der Ewigkeit nicht so weiter wie es hier war. Das Auferstehungsleben ist nicht die Fortsetzung des irdischen Daseins in alle Ewigkeit, wo wir in aller Behaglichkeit unsere irdischen Lebensgewohnheiten bewahren können, an denen wir hängen. Für mich wäre es ein schrecklicher Gedanke, wenn wir mit unserem jetzigen Wesen und mit unserem jetzigen Denken in alle Ewigkeit so weitermachen könnten. Unser Ichwesen, das keinen Platz für Mitmenschen hat und schon gar keinen Platz für Gott. Für mich wäre das nicht das ersehnte Paradies, sondern eher die Hölle.

Da muss sich etwas ändern, in unserem Wesen ändern, hier und heute, damit wir in die Lage kommen, Gottes Reich zu erben. Gottes Reich, wo Gott regiert und „alles in allem“ ist.

4. Plötzlich verwandelt werden

Wir müssen verwandelt werden. So wie man ein neues Kleid über ein altes, zerrissenes und schmutziges Gewand zieht. So wie man früher dem Neugetauften nach seiner Taufe ein sauberes weißes Kleid übergezogen hat, zum Zeichen seiner neuen Geburt.

Gottes Heiliger Geist kann diese Änderung in unserem Wesen schaffen. Er will und kann uns verändern, wenn wir es zulassen. Er kann uns so verändern, dass wir Gotte als unseren Schöpfer anerkennen und ihm vertrauen und seine Nähe und Gegenwart suchen.

51 Siehe, ich sage euch ein Geheimnis: Wir werden nicht alle entschlafen, wir werden aber alle verwandelt werden; 52 und das plötzlich, in einem Augenblick, zur Zeit der letzten Posaune.
Es ist ein Geheimnis. Kein Geheimnis über das man nicht spricht. Es ist ein Geheimnis, das hinaus will zu den anderen. Ein Geheimnis, das geheimnisvoll ist und bleibt, auch wenn man es zu erklären versucht. Alle werden verwandelt werden: die Verstorbenen und die, zu dem Zeitpunkt noch Lebenden. Alle werden in einem Augenblick verwandelt werden, dann, wenn Christus wiederkommt, denn „Fleisch und Blut“, unser alter Mensch, der nach den Regeln und dem Denken der Welt lebt, kann Gottes Reich nicht erben. Es wird die Posaune erschallen, und die Toten werden auferstehen unverweslich, und wir werden verwandelt werden.

5. Das Kleid der Unsterblichkeit

Es gibt keine Wiederherstellung des früheren Leibes, mit dem wir andere Personen identifizieren können. Es gibt keine langsame Entwicklung des alten ich, zu einem vollkommenen neuen. Alle müssen verwandelt werden, wenn die Posaune ertönt. Keiner kann so wie er ist an der Gemeinschaft derer, die durch Christus erlöst sind teilhaben.
53 Denn dies Verwesliche muss anziehen die Unverweslichkeit, und dies Sterbliche muss anziehen die Unsterblichkeit. Wir dürfen schon heute Menschen sein, die ihr fleischliches Wesen Jesus übergeben haben und damit Kinder des Vaters im Himmel geworden sind.

6. Der Tod ist der Sünde Sold

Das Verwesliche, das Sterbliche, hat seine Ursache in der Sünde, die der Stachel des Todes ist. Die Sünde ist das Machtinstrument der Herrschaft und der Macht des Todes. Sünde, so wissen wir aus dem Alten Testament, ist die zum Menschen gehörende Neigung, wie Gott sein zu wollen und zu wissen was gut und böse ist. Das ist Sünde, und das Gesetz ist ihr Helfershelfer, sich selbst an die Stelle Gottes zu setzen und sein ganzes menschliches Denken, Fühlen und Handeln seinem Ideal von Größe und Macht zu unterwerfen. Der Starke, der sich die Macht nimmt und nach seinen Gesetzen herrscht.

Ihr wahres Wesen zeigt die Sünde am Kreuz Jesu: „Bist du der Christus, so zeige deine Macht und steige herab vom Kreuz,“ so schreit die Sünde, die vom Gottessohn Machterweise fordert. Ein leidensfähiger, ohnmächtig liebender, auf Macht und Herrschaft verzichtender Mensch provoziert den auf göttliche Allmachtsattribute fixierten Menschen derart, dass er diesen Menschen, Jesus, umbringt – so ist der Tod der Sünde Sold. Und wenn es nach der Sünde des Menschen ginge, würde der Tod zuletzt das ganze Leben beherrschen: der Tod will „alles in allem“ werden.

7. Christus macht dem Tod die Herrschaft streitig

57 Gott aber sei Dank, der uns den Sieg gibt durch unsern Herrn Jesus Christus!
In Christus geriet der Tod an Gott selbst, der ihm allerdings die Herrschaft streitig macht., so dass nicht der Tod, sondern Gott „alles in allem“ ist. Das schenkt uns neue Lebensmöglichkeiten:
- Gott nimmt in Christus diejenige Ohnmacht und Schwäche an, die der Mensch so gewaltsam bekämpft und integriert sie ins wahre Menschsein.
- Gott erträgt in Christus die Tränen und Schmerzen, die der Mensch so rigid versteckt und überspielt, und ermöglicht, durch die Fähigkeit zu leiden, ganzheitliches Menschsein.
- Gott bejaht in Christus den Tod und damit die Endlichkeit des Menschen, die der Mensch verzweifelt nicht wahrhaben will, und eröffnet durch die Möglichkeit eines bejahten Lebensendes erfülltes Leben.

8. In Gott sein

Der Glaube an das ewige Leben, den wir durch die Auferstehung Jesu bekennen, ist die Gewissheit, dass mein Leben, das im Tod unwiderruflich zu Ende ist, mit diesem Tod nicht im Nichts, sondern in Gott sein wird.

Bei der Begleitung Sterbender können wir beobachten, dass viele von der Hoffnung auf Rettung bestimmt sind. Das Rettende kann aber nicht irgend etwas völlig beliebiges sein. Durch Jesus, dem Auferstandenen, wird das Leben in alle Ewigkeit gerettet und geheilt werden. Durch ihn wissen wir: Wenn Gott sein wird alles in allem, dann wird das – wie auch immer – die Wirklichkeit der Liebe sein. In dieser Liebe Gottes werden wir in Ewigkeit geborgen sein.

Bei Reiner Maria Rilke lesen wir:
„Wir alle fallen. Diese Hand da fällt. Und sieh dir das andere an: es ist in allen. Und doch ist einer, welcher das Fallen unendlich sanft in seinen Händen hält.“ Amen.

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