20120406

Martin Adel: Durch Christus befreit

Karfreitag 2012 - Hebräer 9,15.26b-28

Predigttext
15 Und darum ist Christus auch der Mittler des neuen Bundes, damit durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen.
26b Nun aber, am Ende der Welt, ist er ein für allemal erschienen, durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben. 27 Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: 28 so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal wird er nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil.



Liebe Gemeinde,

wahrscheinlich haben sie es auch gelesen, vergangen Woche: Die Schachspieler in Weißenburg erbosen sich über das Nein der Kirche, dass sie an Karfreitag kein Meisterschaftsevent austragen dürfen. Und die Fürther Nachrichten titeln am Montag: Bischof als Spaßverderber? Verhandelt wird der zunehmende Protest gegen das Tanzverbot am sogenannten stillen Karfreitag. Und unser Landesbischof Bedford-Strohm findet die richtigen Worte, wenn er den Weg von Karfreitag zu Ostern beschreibt und betont, dass man die Nöte der Menschen und der Welt nicht verdrängen darf. Zitat: „Sonst ist die Gefahr groß, dass man gut drauf ist, wenn Party ist, aber völlig hilflos, wenn man vor dem Leiden steht.“

Und genau deshalb feiern wir diesen Tag. In der Dunkelheit des Todes, in unsere Schmerzen, in unseren Kummer, in unsere Nöte und Ängste hinein, mitten in unsere Karfreitage trifft uns dieses erlösende Wort Gottes:
27 Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: 28 so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal wird er nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil.

Wir sind damit gemeint: „denen, die auf ihn warten, zum Heil.“
Auch wenn es uns noch so unerklärlich und unbegreiflich ist – verdorben durch eine Nüchternheit der Welt, die den Menschen allein lässt in seiner Geworfenheit – richtet Gott sein Kreuz auf, damit das, was uns oft so unendlich bindet und einengt, uns frei geben muss – zum Heil.

Wenn wir in der Kirche die Worte Schuld und Sünde nennen, dann lehnt sich draußen die Welt auf. Sie spricht von altbacken und überholt und empört sich über die alten Zöpfe.
Aber im Umgang untereinander, da wird es dann harte Realität. Da wird bald schon unerträglich und unerbittlich nach den Schuldigen gesucht. Die Köpfe müssen rollen. Der andere muss dafür büßen und vor allem: zahlen. Gnadenlos. Im Gesundheitswesen haben die Ärzte bald mehr Angst vor den Regressforderungen, als vor dem operativen Eingriff selbst. Überall und alles muss abgesichert und versichert sein, weil man sich fürchtet, ….
Draußen in der Welt gibt es mehr, als genug Schuld – aber es gibt keine Vergebung. Was für eine gnadenlose Welt. Deshalb wir so viel vertuscht und verdreht und schön geredet … damit keiner sein Gesicht verliert, während die anderen darüber ihr Leben oder ihre Existenz verlieren.

Und ich frage mich: Wer entschuldigt uns? Wer entschuldet uns? Wie kann ich Schuld eingestehen, wenn ich nur noch die hungrige Meute vor mir sehe, die meinen Kopf fordert oder einfach nur Geld will? Jede Begegnung wird zu einem: „Ist das nicht der …? War das nicht die, die …?“

Und da geht es nicht nur um die äußeren Gerichte, sondern auch die Inneren. Während die einen über dem schuldig werden skrupellos geworden sind und es hervorragend schaffen alle Schuld auf andere abzuwälzen, sind die anderen ängstlich und kleinlaut geworden, weil sie ihre Schuld nicht ertragen können und sie immer vor Augen haben und darüber die Selbstachtung verloren haben. Und keiner ist da, der sie befreit und erlöst.

Immer wieder kommen Menschen zu uns in die Seelsorge. Diffuse Angst überfällt sie und die macht sie lebensuntüchtig, lähmt sie, begrenzt sie. Im Leistungsrad und Leistungswille, in dem man ja nichts falsch machen möchte, darf man plötzlich auch nichts mehr falsch machen und man scheitert am eigenen Anspruch. Und dann wird es eng. Sehr eng. Und dann oft auch falsch und unwahrhaftig, bis man darüber zusammenbricht.

Andere kommen mit der Schuld der anderen, die sie tief verletzt und verwundet hat. Und man sehnt sich nach dem Schuldeingeständnis des anderen, wartet auf die Entschuldigung, aber sie kommt nicht. Und diese offene Wunde blutet in uns und wir bluten darüber aus. Wer stillt diese Wunde, damit sie verheilen kann – auch wenn ich keine Entschuldigung erfahre. Denn die Macht der Wut, des Hasses und der Enttäuschung frisst auch uns selbst mit auf.

Liebe Gemeinde,
in Christus geht es nicht um eine billige Gnade, sondern um die Möglichkeit, über aller Schuld Mensch bleiben zu können, Mensch zu werden, so wie Gott sich in uns danach sehnt.

Darum hat Gott seinen Sohn geschickt,
- damit wir durch die Kraft seiner Versöhnung wieder befreit aufatmen können,
- damit wir nicht mehr auf ewig gebunden sind an unsere Vergangenheit und unsere Geschichte,
- damit normales Leben auch im Angesicht von Schuld und Versagen wieder möglich wird.

Aber wir nutzen ihn zu wenig.

Seit zweitausend Jahren ruft Gott uns in seinem Sohn dieses Wort zu und wir dürfen daraus leben:
15 Und darum ist Christus auch der Mittler des neuen Bundes, damit durch seinen Tod, der geschehen ist zur Erlösung von den Übertretungen unter dem ersten Bund, die Berufenen das verheißene ewige Erbe empfangen.
Die Vergangenheit bleibt unserer Vergangenheit, aber ihre bindenden Kräfte muss sie verlieren, Stück für Stück. Manchmal ist das ein langer Prozess, doch es lohnt sich, den Weg jetzt schon zu beginnen, weil ihn Gott dann vollenden wird.
26b Nun aber, am Ende der Welt, - und wer schon einmal in seinem Leben mit Himmel und Hölle / mit Leben und Tod gerungen hat und neu beginnen durfte, der weiß, dass es dieses Ende der Welt schon jetzt geben kann und nicht erst am Ende aller Zeiten – nun aber ist er ein für allemal erschienen, durch sein eigenes Opfer die Sünde aufzuheben.
Wir sind eben nicht für immer zum Schweigen verurteilt, sondern dürfen reden von den eigenen Verfehlungen und von dem, wo uns Unrecht widerfahren ist.
27 Und wie den Menschen bestimmt ist, einmal zu sterben, danach aber das Gericht: 28 so ist auch Christus einmal geopfert worden, die Sünden vieler wegzunehmen; zum zweiten Mal wird er nicht der Sünde wegen erscheinen, sondern denen, die auf ihn warten, zum Heil.


Wir sind die wartende Gemeinde, die bereits hier schon immer wieder schmecken und erleben darf, was dann einst von Gott vollendet werden wird: Ein Leben, das es mit dem eigenen Leben aufnimmt, mit den hellen und den dunklen Seiten, befreit von der Show und dem Schein nach außen, bejaht in seinen Grundfesten – nicht aus sich heraus ein „Passt schon.!“ sondern viel größer und mächtiger, weil Gott der Schöpfer es so gewollt hat und es uns dort auf Golgatha so sichtbar vor Augen stellt: Es ist vollbracht.

Amen

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