20100204

Martin Adel: Laufen, weil man hat

31.1.2010 Sonntag Septuagesimae

Liebe Gemeinde,

1. Hinführung
Wer mich ansieht, merkt sofort, dass ich kein allzu sportlicher Mensch bin. Der Weg ins Fitness-Studio oder raus zum Laufen braucht doch auch immer wieder Überwindung – wenn er nicht anderen Dingen zum Opfer fällt. Doch letzten Sonntag, da hat es mich gepackt. Ich lag erkältet zu Hause. Meine Stimme war weg und ich zappe mich durch das Fernsehprogramm und blieb beim Wintersport hängen.
Weltcupslalom in Kitzbühel. Der Sprecher zieht mich mit seinen Kommentaren in den Bann. Die letzten 8 stehen noch oben. Der erste kommt durch, fällt aber in der Zeit zurück. Ein anderer fädelt ein. Ein Dritter scheidet aus. Die Spannung wächst und zum Schluss gewinnt ein Deutscher. Und aus den Lautsprechern jubelt es:
Felix Neureuther hat den Slalom in Kitzbühel und damit sein erstes Weltcup-Rennen gewonnen. 31 Jahre nach seinem Vater steht der Sohn von Skilegende Rosi Mittermaier und Christian Neureuther auf dem gleichen Treppchen. Auf Platz zwei und drei landen Julien Lizeroux - FRA/ mit 0,39 Sek. und Giuliano Razzoli - ITA/ mit 0,99 Rückstand.
2. Predigttext
So ist das Leben. Alle haben hart trainiert, doch nur einer kann gewinnen. Paulus schreibt in unserem heutigen Predigttext an die Korinther:
Predigttext 1 Kor 9,24-27 (Gute Nachricht, leicht überarbeitet)
24 Ihr wisst doch, dass an einem Wettlauf viele teilnehmen; aber nur einer bekommt den Preis, den Siegeskranz. Darum lauft so, dass ihr den Kranz gewinnt! 25 Alle, die an einem Wettkampf teilnehmen wollen, nehmen harte Einschränkungen auf sich. Sie tun es für einen Siegeskranz, der vergeht. Aber auf uns wartet ein Siegeskranz, der unvergänglich ist. 26 Darum laufe ich wie einer, der nicht ins Ungewisse läuft. Und ich kämpfe wie ein Faustkämpfer, der nicht daneben schlägt. 27 Ich treffe mit meinen Schlägen den eigenen Körper, sodass ich ihn ganz in die Gewalt bekomme. Ich will nicht anderen predigen und selbst versagen.

3. Wie auf Erden so im Himmel?
Wie kommt Paulus dazu, so ein Bild zu verwenden. Ist der Glaube auch ein Kampf? Ein Wettlauf? Viele nehmen teil, doch nur einer gewinnt. Kein Mensch spricht mehr über die Dritten, die Vierten, die 10ten. Meint er das so: Wie auf Erden so im Himmel?
Einer steht auf dem Treppchen und die anderen schauen blöd aus der Wäsche.
Soll das auch so im Himmel sein? Kommen nur die 144.000 Besten zu Gott – so wie es die Zeugen Jehova in ihren apokalyptischen Endzeitszenarien immer wieder betonen.

Nun könnte man ja einwenden und sagen: Zu Paulus Zeiten war das noch überschaubar. Da gab es noch nicht so viele Christen. Vielleicht ein paar Zehntausend und er, der große Paulus hat es ja sogar bis in die Bibel geschafft. Aber wir. Was sollen wir denn machen? Startplatz: 19 Milliarden 283 Millionen 954 Tausend 417. Und dann noch den Siegerkranz gewinnen. Sieht mich da Gott überhaupt noch?

Denn unter uns gesprochen: Natürlich würden wir auch gerne mal oben stehen. Ganz oben auf dem Treppchen. Im Rampenlicht. Und selbst wenn ich im Verborgenen arbeite möchte ich gerne einmal entdeckt werden und meine Arbeit gewürdigt sehen. Das ist ganz normal. Das hat etwas mit Achtsamkeit zu tun.

Doch zurück zum Himmel. Sollte es da auch so sein, wie im Guiness Buch der Rekorde: der Erste zählt und der Zweite ist schon ein Verlierer. Noch mehr gestraft als der, der gar nicht erst angetreten ist?
Und der Widerstand regt sich in uns. Hat Jesus nicht auch gesagt, wie wer es aus der Evangeliumslesung gehört haben (Mt 20,1-16a): Die Ersten werden die Letzten sein – und die Letzten die Ersten. Ein Trost. Doch das zählt wohl für Paulus nicht?

4. Zuschauer bleiben?
Ja, wir spüren es. Solche Bilder vom Wettlauf und vom Wettkampf können auch demotivieren und frustrieren. Nur allzu oft sind wir in unserem Leben nur Zweiter oder Dritter oder bleiben Mittelfeld oder sind gar Schlusslicht. Und die Reaktion ist dann meistens die, die uns auch gut vertraut ist. Da brauch ich mich ja gar nicht erst anzustrengen. Das schaff ich eh nicht. Da bleib ich lieber gleich da, wo ich meinen Platz habe. Da schau ich lieber zu.
Zuschauer - das ist meine Rolle. Da kann ich auch nicht allzu viel falsch machen. Und außerdem: Die Zuschauer braucht es ja auch. Sonst wäre ja keiner da, der applaudiert und anfeuert und zujubelt und bewundert.
Ist das das, was Paulus mit seinen Worten an die Korinther möchte? Dass wir aus lauter Angst vor Überforderung oder vor Versagen Zuschauer bleiben?
Und wir merken schon: Da stimmt etwas nicht. Paulus will uns nicht auf eine falsche Fährte bringen. Denn wenn er etwas erfahren und verinnerlicht hat, dann dieses: Aus Gnade sind wir gerecht geworden. Aus Glauben und nicht aus Werken des Gesetzes oder unserer Leistung.
Und so heißt es ja auch in unserem Wochenspruch aus Daniel 9:
Wir liegen vor dir mit unserm Gebet und vertrauen nicht auf unsre Gerechtigkeit, sondern auf deine große Barmherzigkeit.

5. Der Glaubt ruft in die Bewegung
Und weil Paulus das nur allzu klar ist, darum kann er so freimütig das Bild vom Wettlauf gebrauchen. Denn die Motivation ist eine andere. Das Gesetz hat ausgedient. Nicht mehr aus Angst vor Gott zu versagen und auch nicht mehr aus dem Ehrgeiz, vor Gott als Bester dazustehen, laufe ich, sondern aus Dankbarkeit. Aus Dankbarkeit für Gottes große Barmherzigkeit klettert Paulus in die Rennbahn. Denn dieses Evangelium bringt in Bewegung. Es holt uns heraus aus der Zuschauerrolle und dieser Haltung: Da kann ich eh nichts machen. Was bringt es schon, wenn ich …
„Bürger lasst das Glotzen sein, kommt herunter, reiht euch ein“ – haben wir auf den Demo´s der Friedensbewegung in den 80er gerufen und eigentlich meint Paulus nichts anderes.
Der Glaube bringt in Bewegung und ruft uns in die Verantwortung. Das Bild von der Rennbahn soll uns anspornen und motivieren und anfeuern. Auf, zeig, was du drauf hast. So wie unser Konfirmand, der Sebastian – der in Judo auf der Südbayrischen Meisterschaft mitkämpft. Und dieser Glaube kostet Kraft und Energie und auch manchen Verzicht. So wie es Paulus hier ja auch schreibt:
25 Alle, die an einem Wettkampf teilnehmen wollen, nehmen harte Einschränkungen auf sich. Sie tun es für einen Siegeskranz, der vergeht. Aber auf uns wartet ein Siegeskranz, der unvergänglich ist.


6. Laufen, weil wir Christus schon gewonnen haben
Doch er hat keine Angst, dass er verlieren könnte und seine Bemühungen als zu gering geachtet würden vor Gott?
Sondern er kämpft wie einer, der schon gewonnen hat – nämlich Christus. Und das spornt ihn erst recht an.
Denn nun geht es nicht mehr darum, wer besser ist oder schlechter, wer mehr getan hat oder weniger, wer näher bei Gott sein wird oder weiter weg, sondern dass wir uns redlich mühen und einander anspornen und helfen ein gottwohlgefälliges Leben zu führen.
Nicht mehr Zuschauer aus Angst, nicht zu genügen oder ausgelacht zu werden. Sondern frei sich bewegend, entdeckend, welche Gaben und Fähigkeiten ich habe, mich mühende dem anderen ein wahrhafter Nächster zu werden. Das ist der Motor für all unser Tun. Mitfreuend, weil der andere mitläuft und mitleidend, wenn der andere zurück bleibt. Und manchmal gewinnt der eine und manchmal verliert der andere. Doch der Neid hat ein Ende und der Ehrgeiz macht den anderen nicht nieder und die Eifersucht ist besiegt.

Zu gewinnen gibt’s nichts, außer das, was wir bereits haben: Christus. Womöglich vergisst der Pfarrer mir zum Geburtstag zu gratulieren – das ist bedauerlich, aber das ist nicht der Motor meines Laufens. Denn wir sind mehr als ein Verein. Wir sind Christen und jeder von uns ist dabei. Eben kein Zuschauer mehr. Sondern gebraucht. Dort wo mich Gott hingestellt hat. Und ich kann mir sicher sein, Gott ehrt mich auch mit der Startnummer 19 Milliarden 283 Millionen 954 Tausend 417 genauso wie den auf Platz eins – weil das Gesetz ein Ende hat und die Liebe Gottes nicht portioniert werden kann. Denn die gibt es nur ganz oder gar nicht.
Amen.

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