20100126

Ute Lehnes-de Fallois: Die Hoffnung stirbt nicht

24.1.2010 - Letzter Sonntag nach Epiphanias


2. Korinther 4, 6-10
6 Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsre Herzen gegeben, daß durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.
7 Wir haben aber diesen Schatz in irdenen Gefäßen, damit die überschwengliche Kraft von Gott sei und nicht von uns.
8 Wir sind von allen Seiten bedrängt, aber wir ängstigen uns nicht. Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.
9 Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen. Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.
10 Wir tragen allezeit das Sterben Jesu an unserm Leibe, damit auch das Leben Jesu an unserm Leibe offenbar werde.


Liebe Gemeinde!

Die Hoffnung stirbt zuletzt und hoffentlich stirbt sie nie.
Denn wenn sie stirbt, so sterben auch wir.
Denn selbst wenn unser Körper am Leben bliebe,
so würden wir ohne Hoffnung doch nur noch eine vergängliche Hülle sein, die ihre Frist auf Erden hier irgendwie verbringt.

Über die Hoffnung oder wie Paulus es sagt:
den Lichtschein Jesu Christi in unseren Herzen ist heute zu reden
und welch großes Geschenk uns der Heilige Geist
mit unserem Glauben, unserer Liebe und unserer Hoffnung gemacht hat.

Denn es ist die Hoffnung, die uns am Leben hält.
Die Hoffnung, dass Gott die Zukunft für uns weiß.
Auf sie hoffen wir, auch wenn sie jetzt noch für uns im Verborgenen liegt. Und es ist diese Hoffnung, die uns Kraft schenkt.


Ich erinnere mich an ein Gespräch mit zwei Damen aus dem Altenheim – inzwischen beide hoch betagt –
und an das, was sie erzählt haben über eine Zeit, die schon lange vorbei ist.

„1939, bei der Eroberung Danzigs,“ so erinnert sich eine von beiden,
„da trieben die Toten oben auf der Weichsel. Und wir mussten sie rausfischen. Die Seuchengefahr wäre sonst zu groß gewesen.
Uns blieb gar nichts anderes übrig. Es war grauenhaft, weil ich einige der Toten ja auch kannte.“
„Ja,“ sagt die andere: „So war das damals.
Man kann sich das heute nicht mehr vorstellen.
Als ich 1944 die Nachricht vom Tod meines Bruders erhielt, da konnte ich nicht einmal mehr weinen. So leer war ich nach den Jahren des Krieges. Keine einzige Träne konnte ich mehr vergießen,
obwohl ich meinen Bruder immer so sehr geliebt habe.
Heute frage ich mich: wie haben wir das damals alles nur so ausgehalten? Was gab uns die Kraft, immer wieder weiter zu machen und uns und unsere Kinder nicht aufzugeben? Es muss wohl die Hoffnung gewesen sein, dieses letzte Fünkchen in uns, das uns glauben ließ, irgendwie werden wir das schon überstehen und irgendwann muss dieser schreckliche Krieg ja auch vorbei sein.
Durchhalten hieß unsere Parole.“

Die beiden Damen seufzen.
Paulus schreibt:
Uns ist bange, aber wir verzagen nicht.
Als ich das las,
da kamen mir die beiden alten Damen wieder in den Sinn.
Es war die Hoffnung, die sie die Zeit damals überstehen ließ.
Die Hoffnung auf Zukunft.

Paulus schreibt weiter:
Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen.
Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.

Ich möchte noch einmal in dieser längst vergangenen Zeit bleiben.

Dietrich Boenhoeffer, dessen Lied
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag,
viele von uns kennen und gerne singen,
hat die Zeit des Nationalsozialismus nicht überlebt.
Dietrich Bonhoeffer leistete Widerstand und wurde am 5.April 1943 verhaftet und in das Militärgefängnis nach Berlin-Tegel gebracht.
Von dort aus schrieb er regelmäßig an seine Verlobte Maria von Wedemeyer. So auch zu Weihnachten 1944.
Und ich möchte Ihnen nun gerne aus dem Brief an seine Braut vom 19.Dezember 1944 einige Zeilen vorlesen:
Meine liebste Maria, so beginnt er,
ich bin so froh, dass ich dir zu Weihnachten schreiben kann, und durch dich auch die Eltern und Geschwister grüßen und euch danken kann. Es werden sehr stille Tage in unseren Häusern sein. Aber ich habe immer wieder die Erfahrung gemacht, je stiller es um mich herum geworden ist, desto deutlicher habe ich die Verbindung mit euch gespürt. Es ist, als ob die Seele in der Einsamkeit Organe ausbildet, die wir im Alltag kaum kennen. So habe ich mich noch keinen Augenblick allein und verlassen gefühlt.
Es sind nun fast zwei Jahre, dass wir aufeinander warten, liebste Maria. Werde nicht mutlos! Ich bin froh, dass du bei den Eltern bist. Grüße deine Mutter und das ganze Haus sehr von mir. Hier noch ein paar Verse, die mir in den letzten Abenden einfielen. Sie sind der Weihnachtsgruß für dich und die Eltern und die Geschwister:

1. Von guten Mächten treu und still umgeben,
behütet und getröstet wunderbar,
so will ich diese Tage mit euch leben
und mit euch gehen in ein neues Jahr.

2. Noch will das alte unsere Herzen quälen,
noch drückt uns böser Tage schwere Last,
ach Herr, gib unsern aufgeschreckten Seelen
das Heil, für das du uns geschaffen hast.
3. Und reichst du uns den schweren Kelch, den bittern,
des Leids gefüllt bis an den höchsten Rand,
so nehmen wir ihn dankbar ohne Zittern
aus deiner guten und geliebten Hand.

7. Von guten Mächten wunderbar geborgen
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen
und ganz gewiss an jedem neuen Tag.

Maria von Wedemeyer und Dietrich Bonhoeffer haben sich danach niemals mehr gesehen. Am 8.April 1945 wurde Dietrich Bonhoeffer im Konzentrationslager Flossenbürg erhängt.
Am Galgen noch soll er gesagt haben:
Das ist das Ende – für mich der Beginn des Lebens!

Bei Paulus heißt es:
Wir leiden Verfolgung, aber wir werden nicht verlassen.
Wir werden unterdrückt, aber wir kommen nicht um.

Dietrich Bonhoeffer kam um.
Doch seine Hoffnung nicht, auch nicht im eigenen Tod.

Und ich glaube, das ist es, was auch Paulus mit seinen Worten meint:
Bedrängnis, Unterdrückung, Leiden gehören zu unserem Leben mit dazu. Es ist nicht so, dass wir als Christen, dieser Welt schon entrückt oder gar verklärt wären und uns die finsteren Mächte dieser Welt nichts mehr anhaben könnten.
So ist es nicht.
Wir stehen mittendrin im Leben - mit all seinen Schönheiten,
aber eben auch mit all seinen Abgründen.
Und doch hat uns Gott einen hellen Schein in unser Herz gegeben,
dass wir uns nicht ängstigen, nicht verzagen und nicht umkommen.
Die Hoffnung, eine Hoffnung,
die im Glauben an Christus über dieses Leben noch weit hinaus geht.

Und so kann Dietrich Bonhoeffer im Angesicht des Todes noch dichten:
Von guten Mächten wunderbar geborgen,
erwarten wir getrost, was kommen mag.
Gott ist mit uns am Abend und am Morgen und ganz gewiss an jedem neuen Tag.
Worte, die von großer Hoffnung und großem Vertrauen sprechen.


Denn es braucht Stärke und Hoffnung,
ein positives Bild von Zukunft,
um dieses Leben zu gestalten und um es in der Anfechtung überhaupt ertragen und aushalten zu können.

Manchmal, da ist dieses Leben doch auch zum Fürchten,
da frisst sich die Angst in die Seele,
da verzagt das Herz und weiß sich keinen Rat mehr.
Manchmal da fließen die Tränen,
solange bis der letzte Wasservorrat aufgebraucht ist und dann nicht mal mehr das Weinen geht.
Da verfolgen einen die Ungewissheit und die schlimmen Träume,
die Zukunftsangst und alles scheint so ausweglos zu sein.
Und die Hoffnung, diese kleine zarte Pflänzchen, geht ein.

Da hat eine Familie innerhalb eines Jahres gleich mehrere Todesfälle zu verschmerzen,
da kommt eine Ehe ans Ende,
eine schlimme Krankheit wird diagnostiziert,
da verlieren Menschen ihren Arbeitsplatz,
ein Kind kommt auf die schiefe Bahn,
da muss ein Angehöriger gepflegt werden,
oder die Schulden sind so hoch, dass sie einen nur noch ersaufen lassen.

Der Prophet Elia, dem Petrus auf dem Berg der Verklärung am liebsten neben Mose und Jesus eine Hütte gebaut hätte,
wir haben es im Evangelium gehört,
ausgerechnet dieser heilige Elia, auch er,
kommt an das Ende seiner Kräfte.
Er hat gekämpft für den rechten Glauben,
er hat Anfechtungen erduldet, und am Ende ist er alleine.
Verzagt, verzweifelt und voller Angst.
Und er setzt sich in der Wüste unter einen Wacholderstrauch und sagt zu Gott: Es ist genug. So nimm nun Herr, meine Seele; ich bin nicht besser als meine Väter.
Elia wünscht sich den Tod.
Er kann nicht mehr.
Er keine Kraft mehr, keine Energie und keine Hoffnung.
Da geht gar nichts mehr. Ein Mensch am Ende.
Und er legte sich hin und schlief unter dem Wacholder.

Und nun nimmt die Geschichte ihre Wendung:
Denn ein Engel des Herrn rührte ihn an und sprach zu ihm:
Steh auf und iss!
Und als Elia gegessen hatte, da schlief er wieder ein.
Und dann kommt der Engel wieder und bringt ihm wieder zu essen,
bis Elia schließlich aufsteht und zurückkehrt.

Die Geschichte des Propheten Elia ist eine Geschichte, die von der Hoffnung erzählt und woher sie kommt, wenn ein Mensch sie verloren hat.
Die Hoffnung kommt durch Gott und durch seine Boten oder Engel, die er schickt zur rechten Zeit.
Es gibt Hoffnung, immer.
Hoffnung in und für dieses Leben
und Hoffnung, die weit über dieses Leben hinausreicht.


Es gibt Menschen, die werden anderen zu Engeln und Heiligen.
Und es gibt sie auch in unserer Gemeinde.
Da haben sich Frauen zusammen getan und vor zwei Wochen in unserem Gemeindehaus eine Kleiderkammer eröffnet.
Da engagieren sich Menschen bei der Fürther Tafel,
und stellen sich jeden Mittwoch ins Gemeindehaus, um in der Suppenküche zu kochen und um Lebensmittel auszugeben,
an die, die darauf angewiesen sind.
Da gibt es Menschen, die engagieren sich in einem Hospizverein,
begleiten Sterbende und trösten die Angehörigen,
nehmen sie in den Arm und sind einfach nur da.
Da gibt es Menschen, die überweisen eine Spende an die Erdbebenopfer in Haiti oder legen etwas ein im Advent für „Brot für die Welt.“
Es gibt Menschen, die nicht nur auf sich selber schauen,
sondern die die Hoffnungslosigkeit vieler anderer auch sehen.

Und sie helfen, weil sie sich geborgen wissen in ihrem Glauben an Jesus Christus. Weil sie wissen, dass ihnen der Morgenstern leuchtet und der helle Schein des Sterns von Bethlehem für viele reicht.

Bei Paulus heißt es:
Denn Gott, der sprach: Licht soll aus der Finsternis hervorleuchten, der hat einen hellen Schein in unsere Herzen gegeben, dass durch uns entstünde die Erleuchtung zur Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in dem Angesicht Jesu Christi.

Liebe Gemeinde, es ist in den letzten Monaten immer wieder viel von den Leistungsträgern unserer Gesellschaft zu hören. Viel wichtiger scheint mir allerdings die Erkenntnis zu sein, dass wir als Christen und Christinnen nicht in erster Linie Leistungsträger sind, sondern Licht – und Hoffnungsträger unseres Glaubens. Amen.

Und der Friede Gottes, der höher ist als alle Vernunft, bewahre unsere Herzen und Sinne in unserem Herrn Jesus Christus. Amen.

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