20100111

Martin Adel: Christmette

24.12.2009 Röm 1,1-7

Liebe Gemeinde,
zu dieser späten Stunde begegnet uns Gott noch einmal. Doch nicht im Stall in der Krippe, so wie wir es vielleicht eben noch zu Hause gefeiert haben unter unserem Christbaum.
Den Ablauf zelebriert wie jedes Jahr und die Krippe war bereits aufgebaut. Und da standen sie: die Hirten und dort drüben die Könige. Sie sind schon unterwegs. Maria und Josef haben auch ihre Plätze eingenommen und Ochs und Esel warten gespannt, was da kommen wird. Doch die Mitte war noch leer.
Und dann ist es endlich so weit: Die Kerzen am Baum werden angezündet. Aus dem Gedächtnis singen wir 2,3 Lieder. Die Kinder, die Enkel sind kaum noch zu halten, doch Warten muss auch gelernt sein. Danach, als Höhepunkt – wenn eigentlich keiner mehr kann, wird das Weihnachtsevangeliums verlesen und mit dem Verklingen der letzten Wort wird das Jesuskind in die Krippe gelegt. Jetzt endlich ist alles vollständig. Denn Weihnachten ohne das Christuskind wäre kein Weihnachten. Es gäbe keinen Grund zu feiern.

Doch so beschaulich, wie in unseren Wohnzimmern geht es in dem Predigttext für die heutige Christnacht nicht zu. Die Worte sind theologischer, akadamischer, abstrakter und dennoch helfen sie uns zu begreifen, was wir eigentlich sehen, wenn wir die Mitte der Krippe betrachten. In dem Kind begegnet uns die Wahrheit Gottes und die beschreibt Paulus wie folgt: (Römer 1,1-7)
1 1 Paulus, ein Knecht Christi Jesu, berufen zum Apostel, ausgesondert zu predigen das Evangelium Gottes,
2 das er zuvor verheißen hat durch seine Propheten in der Heiligen Schrift,
3 von seinem Sohn Jesus Christus, unserm Herrn, der geboren ist aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch,
4 und nach dem Geist, der heiligt, eingesetzt ist als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung von den Toten.
5 Durch ihn haben wir empfangen Gnade und Apostelamt, in seinem Namen den Gehorsam des Glaubens aufzurichten unter allen Heiden,
6 zu denen auch ihr gehört, die ihr berufen seid von Jesus Christus.
7 An alle Geliebten Gottes und berufenen Heiligen in Rom: Gnade sei mit euch und Friede von Gott, unserm Vater, und dem Herrn Jesus Christus!


Mit diesen Worten beginnt Paulus sein Schreiben an die Gemeinde in Rom. Das Intro, das Vorspiel sozusagen, bevor man zum Eigentlichen kommt.
Doch es wäre nicht Paulus, wenn er nicht schon hier am Anfang das in seinen wesentliche Punkten zusammen fasste, was er danach breiter ausführt.

In Christus sehen wir das neue Wort Gottes – das Evangelium, die gute Nachricht. Nichts anderes. Angekündigt bereits in den Schriften des Alten Testaments erfüllen sich in ihm die alten Verheißungen. Der Gesalbte Gottes, der Messias, der Christus zeigt sich bereits hier. Hinter der äußeren Geschichte von Herbergssuche und Schutzlosigkeit in der Welt zeigt sich die andere Geschichte Gottes, zu der wir auch berufen sind, sie zu verkünden in unseren Wohnungen und in unseren Familien.
Paulus braucht dazu keine Jungfrauengeburt. Nüchtern kann er sagen, was in den Stammbäumen der Evangelien auch nicht anders aufgezählt ist. Dieses Kind ist ein Davidide – d.h. er steht in einer direkten verwandtschaftlichen Linie zu dem großen König David aus vormaligen Zeiten. Jesus Christus, unser Herr, geboren aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch.
Das ist die eine Wirklichkeit. Gott sei Dank. Ganz und gar ein wahrer Mensch aus Fleisch und Blut. So wie ich und du.
Doch zu dem Eintritt Gottes in unsere Wirklichkeit gehört auch der Austrittspunkt. Das Eine nicht ohne das andere. Kein Weihnachten ohne Ostern. Keine Geburt Gottes ohne den Tod und die Auferstehung am Ostermorgen.
Hier in der Krippe beginnt, was erst dort seine ganze Kraft und seine göttliche Dimension entfaltet mit der Auferstehung dieses Kindes von den Toten.

Das Sein zum Tode, wie es so viele Menschen im Heideggerschen Sinne nachsprechen, bekommt hier eine 180 Grad Wende und wird ein Sein zum Leben im Angesicht des Todes.
Viel zu klein machen wir den, den wir da sehen. Viel zu hilflos! Und wir springen IHM bei und meinen selbst alles heil machen zu müssen in dem irrigen Glauben, dass er es bei uns heute besser hätte als damals.

Doch nicht wir sind die Akteure an Weihnachten, sondern Gott ist es. Wir vergessen das nur allzu schnell im Lichterrausch. Noch bevor wir es gedacht haben, hat Gott sich angekündigt und dort, wo wir noch warten ist er bereits angekommen und Paulus kann nur wenige Verse später sagen:
Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist ein Kraft Gottes zum Heil einem jeden, der daran glaubt.

Eine Kraft Gottes zum Heil einem jeden, der daran glaubt – der liegt da. Und dieser Christus kann es aufnehmen mit all unseren Christbaumkugeln und dem Lametta und den hilflosen Versuchen, zumindest an diesen Tagen etwas heile Welt zu schaffen, weil er uns verwandelt, wenn wir nicht immer meinten, selbst handeln zu müssen.
Von ihm berührt, berufen und ausgesandt dürfen wir unsere Welt anschauen und gehalten von dem „Fürchte dich nicht, denn euch ist heute der Heiland geboren“ dürfen wir in die eigenen Ärmlichkeiten und Heillosigkeiten hinein schauen und darüber erschrecken, welche Kraft doch von diesem Evangelium ausgeht, eine Kraft zur Veränderung und zur Heilung in mir und in meiner Familie.

Wer liegt da in meiner Krippe?
Und die Antwort kann nur lauten: Es ist der Auferstandene!
… geboren … aus dem Geschlecht Davids nach dem Fleisch, 4 und nach dem Geist, der heiligt, eingesetzt ist als Sohn Gottes in Kraft durch die Auferstehung von den Toten.

Pater Alfred Delp schreibt, angerührt von diesem Kind im Stall, der ihm zum Auferstandenen geworden ist in der Heillosigkeit des 2. Weltkrieges:
„So viel Mut bedarf der Stärkung, so viel Verzweiflung der Tröstung, so viel Härte der milden Hand und der aufhellenden Deutung, so viel Einsamkeit schreit nach dem befreienden Wort, so viel Verlust und Schmerz sucht einen inneren Sinn.“
…. Deshalb „lasst uns hinknien und bitten um die hellen Augen, die fähig sind, Gottes kündende Boten zu sehen, um die wachen Herzen, die kundig sind, die Worte der Verheißung zu vernehmen. Die Welt ist mehr als ihre Last und das Leben mehr als die Summe seiner grauen Tage. Die goldenen Fäden der echten Wirklichkeit schlagen schon überall durch. Lasst uns dies wissen und lasst uns selbst tröstende Boten sein.“

Und so fangen wir noch einmal von vorne an.
… die Mitte ist noch leer. Und dann ist es endlich so weit: Die Kerzen am Baum werden angezündet. Aus dem Gedächtnis singen wir 2,3 Lieder. Die Kinder, die Enkel sind schon zappelig, doch Warten muss auch gelernt sein. Danach, sozusagen als Höhepunkt, wird das Weihnachtsevangeliums verlesen und mit dem letzten Wort wird das Jesuskind in die Krippe gelegt. Und jetzt ist es vollständig. Weihnachten ohne das Christuskind ist kein Weihnachten
Und so schließt sich der Kreis der göttlichen Wirklichkeit, der den Anfang und das Ende umfasst und mich mit hinein nimmt.
Amen

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