20100111

Martin Adel: Das Wichtigste im Leben

31.12.2009 - Altjahresabend
Röm 8,31b-39

Liebe Gemeinde,
1. Was ist das Wichtigste im Leben?
Was ist das Wichtigste im Leben?
Dass jemand zu mir hält!
Nicht, dass der alles gut heißt, was ich mache. Ja im Gegenteil: Manchmal ist der, der zu mir hält, mein größter Kritiker. Aber nicht, weil er mich nieder ringen möchte um sich selbst dabei groß zu machen, sondern weil er sieht, wie ich mich verrenne und verkämpfe. Und er spricht mich an, nicht aus Eigensucht, sondern aus Liebe. Und darum fragt er mich, hinterfragt mich und ich antworte ihm, aus Liebe.

Was ist das Wichtigste im Leben? Dass jemand zu mir hält!
Denn das macht stark. Unbändig stark. Und es macht mutig – nicht hochmütig. Mutig macht es, dass ich mich zeigen kann mit all meinen Fähigkeiten, meinen Ideen und meinen Fehlern.
Wenn ich weiß, dass jemand zu mir hält, kann ich es aufnehmen mit den Herausforderungen des Lebens.
Und ich lerne mich im Licht des anderen zunehmend mehr zu erkennen. Die hellen und die dunklen Seiten. Die Seiten, die mir gefallen und die, die ich gerne verstecken würde. Doch im sich zeigen verliert auch das Dunkle seine Schrecken und gemeinsam kann man ihm die Stacheln ziehen.

Das sind die Erfahrungen von politisch Gefangenen genau so wie von kranken Menschen, die gemeinsam mit ihren Angehörigen dem Tod entgegen sehen oder Familien, die vor Herausforderungen stehen wie z.B. Arbeitslosigkeit, Kurzarbeit oder alles aufgeben und der Arbeit hinterher ziehen müssen. Dass jemand zu mir hält und auf mich wartet, mich besucht, an mich denkt, um mich weiß – das ist das Wichtigste im Leben.

2. Menschliche Stärkung zum Leben
In der Regel reden wir so von Menschen.
Frisch verliebt, kann man plötzlich Bäume ausreißen. Der, der sich vorher noch wie ein hässliches Entlein fühlte, Pickel im Gesicht, Übergewicht auf den Hüften – sieht sich anders im Spiegel: begehrt, gewollt und das macht stark.
Dem Sterbenden ins Ohr geflüstert: Wir brauchen dich doch noch! Dringt dieses Wort manchmal sogar durch bis ins letzte Koma und mobilisiert alle Kräfte und er kommt noch einmal zurück.
Der Pendler bricht ungern, aber mit einer Perspektive auf zu seinem Arbeitsplatz in der Ferne und manche sind lange weg, aber sie halten es aus – alle zusammen - über Jahre, weil darüber in großen Lettern steht: Ich brauche dich. Ich halte zu dir. Ich warte auf dich. Hier wie dort.
Und das ist bei weitem nicht immer Romantik pur, sondern konfrontiert mit der harten Realität, mit all den Fragen und Mühen und Schwächen und Anstrengungen und Einbrüchen.

Auf Vertrauen beruhen all diese Gefühle und Empfindungen. Auf der freimütigen Hingabe und Liebe.
Keine Sicherheit – die ja auch kein Trauschein bieten kann oder die Blutsbande, sondern eine Gewissheit im frei geschenkten Vertrauen.
Umso schlimmer wiegen deshalb die Verletzungen, die wir gerade an diesen Stellen auch erleben. Und vieles an verängstigtem und abweisendem und zurückgezogenem Leben kommt aus den Verletzungen, die wir erlebt haben, wenn keiner zu mir hält. Aufgrund der Enttäuschungen verschließen wir uns. und schneiden uns dadurch von dem ab, was wir so dringend zum Leben brauchen: diese Erfahrung, dass jemand zu mir hält! Und der Kreislauf in die Einsamkeit beginnt.

Ein alter Schulfreund hat mir aus seinem Aufenthalt in einer psychiatrischen Klinik folgendes Zitat von Richard Beauvais geschickt:
„Wir sind hier, weil es letztlich kein Entrinnen vor uns selbst gibt. Solange der Mensch sich nicht selbst in den Augen und Herzen seiner Mitmenschen begegnet, ist er auf der Flucht. Solange er nicht zulässt, dass seine Mitmenschen an seinem Innersten teilhaben, gibt es für ihn keine Geborgenheit. Solange er sich fürchtet, durchschaut zu werden, kann er weder sich noch andere erkennen – er wird allein sein. … Hier in der Gemeinschaft kann ein Mensch erst richtig klar über sich werden und sich nicht mehr als den Riesen seiner Träume oder den Zwerg seiner Ängste sehen, sondern als Mensch, der – Teil eines Ganzen – zu ihrem Wohl seinen Beitrag leistet. In solchem Boden können wir Wurzeln schlagen und wachsen; nicht mehr allein – wie im Tod – sondern lebendig als Mensch unter Menschen.“

3. Göttliche Stärkung zum Leben
Was wir in der Regel in der Gemeinschaft unter Menschen erleben, in der Partnerschaft, in der Familie, in der Freundschaft, das erlebt Paulus in noch viel größeren Maße im Glauben.
Und diese Erfahrung ist so umfassend, dass sie sogar über alle Erfahrungen und Enttäuschungen im realen Leben hinausträgt und ihn teilhaben lässt an einer göttlichen Gewissheit, die hält und es ihn deshalb mit der ganzen Welt aufnehmen lässt und ihn mutig macht zum Bekenntnis der Liebe Gottes zu uns Menschen, vor der ganzen Welt – bis hin zu seinem eigenen Tod.
Im Römerbrief hat er es aufgeschrieben und dieses Wort ist uns zu Gottes Wort geworden, wenn es dort im 8. Kapitel heißt:
31 Was wollen wir nun hierzu sagen? Ist Gott für uns, wer kann wider uns sein?
32 Der auch seinen eigenen Sohn nicht verschont hat, sondern hat ihn für uns alle dahingegeben – wie sollte er uns mit ihm nicht alles schenken?
33 Wer will die Auserwählten Gottes beschuldigen? Gott ist hier, der gerecht macht.
34 Wer will verdammen? Christus Jesus ist hier, der gestorben ist, ja vielmehr, der auch auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist und uns vertritt.
35 Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert?
36 Wie geschrieben steht (Psalm 44,23): »Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.«
37 Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat.
38 Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, 39 weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.


Was für ein Wort am Ende dieses Jahres, wo wir noch einmal an die Realität des Terrors erinnert werden, an die Gewalt in der Welt und die Sorgen und Nöte der Menschen hier unter uns und neben uns und dort, wo sie sogar oft mit dem eigenen Leben und dem Leben der Kinder bezahlt werden.
Wie oft machen uns die Schrecken der Welt und die eigenen Enttäuschungen mundtot und wir ziehen uns zurück ins Private, anstatt dem Wort Gottes zu Glauben und Kraft daraus zu schöpfen
35 Wer will uns scheiden von der Liebe Christi? Trübsal oder Angst oder Verfolgung oder Hunger oder Blöße oder Gefahr oder Schwert? 36 Wie geschrieben steht (Psalm 44,23): »Um deinetwillen werden wir getötet den ganzen Tag; wir sind geachtet wie Schlachtschafe.«
37 Aber in dem allen überwinden wir weit durch den, der uns geliebt hat.


4. Ermutigende Gewissheit
Natürlich ist das ein großes Wort und wer von uns schafft es schon, so einen Glauben zu haben. Doch das sollte uns nicht abbringen, dem immer wieder hinterher zu glauben und neu zu beginnen mit dem Vertrauen. Nicht aus der Sicherheit, die uns vielleicht eine Lebensversicherung zu garantieren vermag, dass meine Angehörigen dann eine Zeit lang finanziell abgesichert sind, sondern aus der Gewissheit, dass sich ein Weg finden wird, für mich, für den anderen, für uns, um in diesem Leben zu bestehen und nicht unter zu gehen, weil wir uns von Gott leiten lassen und auf ihn trauen, je länger desto mehr, bis es uns zur alles überwindenden Gewissheit wird und wir darüber mutiger werden und freier und unser Leben verantwortlich gestalten, gestärkt aus diesem Glauben, so wie es hier steht:
38 Denn ich bin gewiss, dass weder Tod noch Leben, weder Engel noch Mächte noch Gewalten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, 39 weder Hohes noch Tiefes noch eine andere Kreatur uns scheiden kann von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserm Herrn.
Amen

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